Wie wir mit Gemeinsinn globale Krisen bewältigen
Hat man Ulrich Schnabels Buch „Zusammen – Wie wir mit Gemeinsinn globale Krisen bewältigen“ zu Ende gelesen, möchte man am liebsten gleich loslegen: etwas für die Gemeinschaft tun, um das ohnehin schon lebenswerte Leben auf der Erde noch lebenswerter zu machen. Dies liegt nicht etwa daran, dass der ZEIT-Journalist einen sehr appellativen Schreibstil hätte, nein: Ulrich Schnabel bringt derart viele anschauliche Beispiele dafür, was gemeinschaftliches Handeln an Gutem bewirken kann, dass man sich dem Charme, gemeinsam mit anderen in Aktion zu treten, nicht entziehen kann.
Die wundersame Überlebensstrategie der Mammutbäume
Zum Beispiel erklärt Ulrich Schnabel gleich zu Beginn seines gelungenen Sachbuchs die Überlebensstrategie der Mammutbäume: Diese teils über 100 Meter groß werdenden Bäume sind Flachwurzler, deren Wurzelwerk nur etwa einen Meter tief in die Erde reicht. Dass sie selbst Stürmen standhalten, liegt an der Tatsache, dass sie sich unter der Erde mit den Wurzeln anderer Bäume verbinden und so gemeinsam stark sind.
Jeder Mensch hat das Rüstzeug, Konflikte friedlich beizulegen
Auch wenn Ulrich Schnabel den Konfliktberater Daniel Remigius Auf der Mauer zu Wort kommen lässt, will man seinen Teil zum Wohl der Menschheit beitragen. Denn der Konfliktberater beschreibt uns Menschen als Wesen, die von Haus aus alles Rüstzeug mit sich führen, um Streitigkeiten friedlich beizulegen. Das Entscheidende sei es, bei Konflikten den Kreislauf des Verstehens zu eröffnen. Immer wieder zurückzufragen und zu wiederholen, was der andere gesagt habe. „Dabei geht es nicht darum, den genauen Hergang der Sache zu verstehen. Es geht vielmehr darum, das emotionale Erleben des anderen in sich abzubilden. Wenn das der andere merkt, hat das eine extrem beruhigende Wirkung. Denn er fühlt sich verstanden und nicht mehr allein.“
Wie verhalten sich Menschen in Katastrophen – sozial oder egoistisch?
Ins Staunen versetzt uns Ulrich Schnabel, wenn er anhand von Studien nachweist, dass wir irren, wenn wir meinen, die meisten anderen Menschen seien nicht sozial. Das Gegenteil sei nämlich der Fall. Der Autor zitiert hier den Sozialpsychologen Tom Postmes: „Die Wahrheit ist: In der überwiegenden Anzahl der Fälle leben wir auf einem altruistischen Planeten. Die Menschen verhalten sich für gewöhnlich hilfsbereit und rücksichtsvoll – insbesondere in Krisen und Katastrophensituationen: Statt in solchen Zeiten zu selbstsüchtigen Egoisten zu werden, entdecken Menschen eher ihre Fähigkeit zum Gemeinsinn.“ In 97 Prozent aller Flugzeug-Notlandungen etwa verließen die Passagiere ruhig und geordnet die Kabine. Von Panik und Niedertrampeln keine Spur. Der Mensch sei in den meisten Fällen im Grunde gut.
Ulrich Schnabels „Zusammen“ zeichnet uns Menschen als ultrasoziale Wesen
So beackert Ulrich Schnabel sämtliche Felder menschlichen Zusammenlebens und er trägt Erkenntnisse aus wichtigen Bereichen der Wissenschaft zusammen – von der Anthropologie über die Sozialpsychologie bis zur Ökologie und Ökonomie. Alles zusammen ergänzt sich schließlich zu einem Bild, das uns Menschen als ultrasoziale Wesen zeigt, die sich nicht vor Herausforderungen wie Klimawandel, Pandemien oder Populismus fürchten müssen – vorausgesetzt, es gibt genügend einzelne, die den ersten Schritt tun und andere von der Sinnhaftigkeit des Mitmachens überzeugen. Denn, so zitiert Ulrich Schnabel die Aktivistin Greta Thunberg: „Der Schritt von Eins zu Zwei ist immer der schwierigste und größte.“ Jede große Sache beginne mit dem Schritt vom individuellen Ich zum gemeinsamen Wir. Denn das setze Energien frei, die weit über die Kräfte von jeder und jedem Einzelnen hinausgingen.