Nur diejenigen, die vor Angst erstarren, gehen unter
Ziemlich am Ende der Geschichte sagt Georg, eine der jugendlichen Hauptfiguren: „Und überhaupt, was soll das heißen, du hast immer Angst? Warum springst du dann ins Hafenbecken, obwohl du nicht schwimmen kannst?“ – „Na ja“, antwortet Georgs Kumpel Scholzen: „Man muss ja auch nicht schwimmen können. Man muss einfach in Bewegung bleiben. Nur diejenigen, die vor Angst erstarren, gehen unter.“
Der Buchtitel „Zierfische in Händen von Idioten“ ist wunderbar ausgewählt
Es ist ein schönes Bild, das Manuel Butt mit diesem kleinen Wortwechsel aufwirft, und das auf liebevolle Weise das Gefühlswirrwarr einfängt, in dem man sich als Jugendlicher mitunter befindet. Überhaupt hat der Autor dieses Romans ein Talent für Bilder – symbolhafte wie auch lustige. Der wunderbar ausgewählte Buchtitel „Zierfische in Händen von Idioten“ ist eine der schönsten seiner Bild-Schöpfungen.
Das Roadmovie in Romanform spielt im Sommer 1996
„Zierfische in Händen von Idioten“ ist ein Roadmovie in Romanform mit einer Kurzinhaltsangabe auf dem Buchumschlag, dem nur ein „Idiot“ widerstehen könnte: „Sommer 96: Tobis Eltern verabschieden sich in den Urlaub. Vierzehn Tage, in denen Tobi zum ersten Mal mit Lisa schlafen möchte, die Führerscheinprüfung ansteht und er sich um Papas Seepferdchen kümmern soll. Nichts davon wird klappen. Lisa macht Schluss, ihr bester Freund Georg nervt, und Tobis unkontrollierbarer Kumpel Scholzen zieht bei ihm ein. Als Georg eine Nachricht von seiner tot geglaubten Mutter aus London erhält, kapern die vier kurz entschlossen das Fahrschulauto. Ohne Geld, ohne Plan, aber dafür mit den Seepferdchen im Kofferraum.“
Kondome und Alkohol, Eltern und Fußball-Hooligans
Das hört sich nach einer coolen Story an. Und tatsächlich lädt Manuel Butt uns ein auf einen abenteuerlichen Trip im auf etwas ungewöhnliche Weise „ausgeliehenen“ Auto. Von Deutschland aus geht es über Holland bis nach England. Dabei haben Georg, Scholzen, Tobi und Lisa allerlei Abenteuer zu überstehen, in denen Kondome, Küsse und Alkohol, Probleme mit den Eltern und teenietypische Phänomene wie das wechselweise Sich-Über- und -Unterschätzen, Begegnungen mit der Polizei und schlagkräftige Fußball-Hooligans – 1996 ist das Jahr, in dem Deutschland mit Oliver Bierhoffs Golden Goal in England Europameister wird – eine Rolle spielen. Sogar an der Zoohandlung, die angeblich Pate stand für den Namen der Band Pet Shop Boys, kommen die Ausreißer vorbei.
Manuel Butt bereitet der Musik der 1990er Jahre eine Bühne
Apropos Pet Shop Boys: Auch die Musik der 1990er Jahre ist in „Zierfische in Händen von Idioten“ permanent präsent. Mal als Hintergrundgeräusch, mal als notwendiger Bestandteil der Handlung. Erwachsene Leser, die sich an die Zeit erinnern, werden sich über die Wiederbegegnung mit vielen großen Songs dieser Epoche freuen – von Bon Jovis „Hey God“ über George Michaels „Freedom!“ und Los del Ríos „Macarena“ bis hin zu „Wannabe“ von den Spice Girls oder „Whatever“ von Oasis hat Manuel Butt hier einen ganzen Pop-Kanon verarbeitet.
„Zierfische in Händen von Idioten“ ist dialogreich und slapstickhaft
„Zierfische in Händen von Idioten“ ist ein dialogreicher Roman, bei dem die Handlung konsequent nach vorn getrieben wird. Der Humor ist slapstickhaft und bewegt sich auf solidem Schmunzelniveau. Vielleicht hätte es der Geschichte gut getan, wenn man sie ein bisschen ausgemistet hätte. Die eine oder andere Pirouette, die wir mitzudrehen gezwungen werden, hätte man womöglich auch weglassen können. Dass der Autor von „Zierfische in Händen von Idioten“, Manuel Butt, kein Romancier ist, sondern Gagschreiber für Fernseh-Comedy wie „Pastewka“ und „LOL – Last One Laughing“ ist, merkt man der Story an. Hier wurde mehr Wert auf die nächste Pointe gelegt, als auf eine elegante Handlungsführung. Aber das kann, je nach Leserschaft, ja auch ein Vorzug sein.