Ein Hof und elf Geschwister

ISBN 978-3-406-79717-0

191 Seiten

€ 23

eBook: € 17,99

Er war ein Bauernkind. In „Ein Hof und elf Geschwister“ blickt der Geschichtsprofessor Ewald Frie mit so liebevollem wie wissenschaftlichem Blick zurück.

Ewald Fries Überraschungsbestseller „Ein Hof und elf Geschwister“ in der Buchkritik

Ein Hof und elf Geschwister

Der Autor ist Geschichtsprofessor und eines von elf Bauernkindern

Ewald Fries „Ein Hof und elf Geschwister“ hat in der Süddeutschen Zeitung eine hymnische Kritik bekommen und ist nun auch ein Überraschungsbestseller unter den Sachbüchern geworden. Der Professor für Neuere Geschichte an der Universität Tübingen erzählt in seinem Buch von seiner eigenen Familie. Er ist als neuntes von elf Kindern einer katholischen Bauernfamilie im Münsterland aufgewachsen.

Ewald Fries Sachbuch ist ein wichtiges Zeitdokument

„Ein Hof und elf Geschwister“ ist ein wichtiges Zeitdokument, denn es hält fest, wie sich die Landwirtschaft und damit auch das Leben der Bauern in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg radikal veränderte: Knechte, Mägde und andere Hilfsarbeiter verließen die Höfe und wurden durch Maschinen ersetzt. Dies wirkte sich natürlich auch direkt auf die privaten Lebensgewohnheiten der Landwirtsfamilien aus, zum Beispiel saßen plötzlich weniger Menschen am Mittagstisch.

Die Bauern auf den Einödhöfen waren stolz auf ihre Unabhängigkeit

Ewald Frie beschreibt die Struktur der Dörfer und auch das Verhältnis zwischen den stolzen Bauern auf ihren Einödhöfen im Verhältnis zu den sogenannten „Dörflern“ als distanziert: „Um ins Dorf zu fahren, musste es Gründe geben. Soziale Verbindungen gehörten bis in die 1960er-Jahre für Bauernfamilien wie uns eher nicht dazu. Das Dorf war ein Ort der kleinen Leute, zu denen Bauernfamilien wie wir sich nicht zählten.“

„Ein Hof und elf Geschwister“ erzählt Haarsträubendes über die Religion

Der Historiker erinnert an aus heutiger Sicht schier unglaubliche religiöse Verhältnisse: Nach dem Krieg waren viele Geflüchtete ins Dorf gezogen. Die Hälfte der Flüchtlinge war katholisch, die andere Hälfte protestantisch. „Leicht war es für beide Gruppen nicht. Aber die Katholiken konnten über die Kirchengemeinde Kontakte knüpfen. Für die Protestanten war es schwieriger. Auf dem Schulhof wurde ein Seil gespannt (vielleicht auch ein Kreidestrich gezogen, die mündliche Überlieferung ist nicht eindeutig) um Kontakte mit Andersgläubigen zu unterbinden.“ Ewald Frie stellt viele solcher Beobachtungen an, die sich insgesamt zu einem detaillierten Bild der Entwicklung des Lebens auf den Bauerndörfern zusammensetzt.

Ewald Fries Erkenntnisse basieren auch auf Befragungen seiner Geschwister

Um sich nicht allein auf seine eigenen Erinnerungen verlassen zu müssen, hat Ewald Frie seine zehn Geschwister befragt. Und da diese in einer Zeitspanne von über 20 Jahren geboren wurden, geben sie auch ziemlich unterschiedliche Erlebnisse wieder, denn der elterliche Hof durchlief einen drastischen Wandel. Der Hoferbe und älteste Bruder Hermann (geboren 1944) etwa erwidert auf die Frage, was für ihn „richtige Maloche“ gewesen sei: den Mist von Hand auf den Feldern auszubreiten und die Flächen bei der Getreideernte loszuschneiden. Man war seinerzeit so sparsam, dass man unbedingt Getreideverluste vermeiden wollte. Da aber der Ernte-Traktor mit seinem Mähwerk beim Überfahren Getreide zerdrücken konnte, mussten die Fahrspuren für den Traktor vorher von Hand ausgeschnitten werden. Zu diesem Zweck gingen zwei oder drei Leute mit Sensen voraus und bereiteten den Weg für den Traktor. Diese Arbeit verabscheute der große Bruder ebenso wie das manuelle Mistbreiten.

„Ein Hof und elf Geschwister“ spiegelt das Bauernleben in all seinen Facetten

Auch von der Viehzucht und ihren Wettbewerben, vom Trinken und Feiern, vom Hühnerfüttern und Kochen, vom Schlachten und Säen, berichtet Ewald Frie, oder von der Arbeit auf dem Hof, die unter Frauen und Männern unterschiedlich aufgeteilt wurde: Männer machten die Feldarbeit und  kümmerten sich um das Rindvieh, die Pferde und später die Traktoren und Maschinen. Frauen machten den Haushalt, den Garten, versorgten Hühner und Schweine und molken die Kühe. „Jungs sind tausend Taler mehr wert“, habe der Vater zu Ewald Fries Schwester Mechthild gesagt, wenn sie sich über die ungleiche Behandlung im Vergleich zu ihren drei älteren Brüdern beschwert habe.

Eine so liebevolle wie sachliche Geschichtserzählung

Aber „Ein Hof und elf Geschwister“ ist nicht nur eine so liebevolle wie sachliche Geschichtserzählung von harter Arbeit und der Modernisierung derselben, sondern es ist auch eine einzigartige Erfolgsgeschichte, denn aus allen elf Geschwistern ist „etwas geworden“. Die meisten wechselten interessanterweise von der elterlichen Landwirtschaft in Lehrberufe. Besonders sticht hier der Autor hervor: Ewald Frie wurde sogar Professor. So hebt er auch hervor, welch Glück die Einführung der staatlichen Ausbildungsförderung war, da sie junge Leute, die eine Ausbildung oder ein Studium machen wollten, unabhängiger von den Vorstellungen ihrer Eltern machte. Freilich blieb vor allem beim Vater ein stiller Schmerz über diese Entwicklung: Er hätte sich für alle Kinder eine Zukunft in der Landwirtschaft gewünscht. Aber dies hätte bedeutet, in Bauernfamilien einzuheiraten.

Ewald Fries Buch ist eine Verbeugung vor der Landwirtschaft und ihren Menschen

„Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben“ lautet der Untertitel von Ewald Fries Buch. In ihm schwingt sanft die Melancholie über eine vergangene Zeit mit. Allerdings handelt es sich bei „Ein Hof und elf Geschwister“ keineswegs um eine nostalgische Lektüre. Dazu ist Ewald Frie zu sehr Wissenschaftler. Präzise benennt der Historiker seine Quellen und genau erklärt er seine Arbeitsweise. Dies ist es auch, was gerade zu Beginn des Sachbuchs ein wenig den Lesefluss bremst. „Ein Hof und elf Geschwister“ ist kein Buch, das man zur reinen Unterhaltung liest. Es ist eine Lektüre für alle, die sich noch einmal in Erinnerung rufen wollen, wie rasant der Fortschritt der Nachkriegszeit das Leben und Arbeiten auf dem Land veränderte. Und es ist eine Verbeugung vor der Landwirtschaft und ihren Menschen.

ISBN 978-3-406-79717-0

191 Seiten

€ 23

eBook: € 17,99

Das Produkt können Sie bei einem unserer Partner* erwerben:

<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

Das könnte Sie auch interessieren: