Jojo Moyes Roman ist vom Packhorse-Library-Programm inspiriert
Das Packhorse Library Programm wurde 1935 von der amerikanischen Arbeitsbeschaffungsbehörde unter der Schirmherrschaft der First Lady Eleonore Roosevelt ins Leben gerufen. Ziel der mobilen Satteltaschen-Bibliothek war es die Verbreitung von Wissen zu unterstützen und dieses an Orte zu bringen, an denen es daran mangelte. Durch das Programm sollte das Lernen und Vermitteln von Wissen vor allem in ländlichen Regionen unterstützt werden. Das von der Präsidentengattin initiierte Programm lief bis 1943. In dieser Zeit wurden mehr als 100.000 Landbewohner mit Büchern versorgt. Vor allem Frauen ritten dabei in die abgelegendsten Winkel Amerikas und verteilten Bücher an die arme Bevölkerung. Jojo Moyes „Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“ ist von dieser faszinierenden historischen Begebenheit inspiriert. Der Roman beschreibt das Leben einiger Frauen, die in Kentucky als Satteltaschen-Bibliothekarinnen arbeiten.
Alice ist mit dem Sohn des mächtigsten Mannes der Region verheiratet
Alice ist gebürtige Engländerin und erst seit kurzem in Kentucky. Sie hat Bennett geheiratet und lebt mit ihm und dessen Vater zusammen. Bennetts Vater Geoffrey ist der mächtigste Mann der Gegend, weil er eine Mine besitzt und daher der größte Arbeitgeber der Region ist. Alice muss allerdings schnell feststellen, dass Bennett nicht viel Interesse an ihr zeigt. So ganz ohne Beschäftigung langweilt sie sich häufig. Daher kommt ihr die Möglichkeit, sich für die Satteltaschen-Bibliothek zu engagieren, sehr gelegen. Dort arbeitet auch Margery. Sie ist die Tochter eines Gauners und genießt keinen guten Ruf in dem Städtchen. Während Margery nie ein Blatt vor den Mund nimmt und sich einen Dreck über die schlechten Reden der Mitmenschen schert, ist Alice ein eher introvertierter und ängstlicher Mensch, der es jedem recht machen möchte.
Sie bemüht sich sehr, ihrem Mann zu gefallen, doch es gibt Prügel
Zunächst versucht Alice alles, um ihrem Mann zu gefallen und sein Interesse zu wecken. Dabei gerät sie jedoch immer häufiger mit dessen Vater Geoffrey aneinander. Bei einem Streit verprügelt er Alice sogar. Sie flüchtet sich verletzt zu Margery, die sie sofort aufnimmt und vor Geoffrey beschützt. Aus den beiden Frauen werden Freundinnen und Alice beschließt nicht mehr zu Bennett zurück zu kehren. Sie will ein neues Leben beginnen. Doch dies ist schwieriger als gedacht, denn Bennett und Geoffrey setzen alles daran, den beiden Frauen das Leben schwer zu machen. Hinzu kommt, dass viele Landbewohner der Satteltaschen-Bibliothek kritisch gegenüberstehen und die Frauen immer wieder in gefährliche Situationen geraten.
Ich bin in meinem Urteil über „Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“ hin- und hergerissen
Jojo Moyes verknüpft geschickt historische Fakten mit einer interessanten Geschichte. Ihr Schreibstil ist bildgewaltig. Man kann sich beim Lesen die bergige Gegend und die Gefahren, denen die Satteltaschen-Bibliothekarinnen auf ihren Ausritten begegnen, lebhaft vorstellen. Gerade in diesen Kapiteln, wie beispielsweise bei der Überschwemmung, hatte ich großes Kopfkino und war wirklich gefesselt und mitgerissen von der Handlung. Leider konnte mich die Handlung dennoch nicht durchgehend begeistern: Jojo Moyes beschreibt viele Szenen zu detailliert und das kann dann schlicht und einfach langatmig werden. Dies hatte auch zur Folge, dass mich emotionale Kapitel, wie die Geburt von Margerys Tochter, oftmals nicht richtig berühren konnten. Natürlich gibt es dennoch einige Szenen, die zutiefst berühren und ergreifen, aber diese bleiben eher die Ausnahme.
Die atmosphärischen Beschreibungen und die historischen Fakten überzeugen
Die authentischen atmosphärischen Beschreibungen der damaligen Zeit und der Gesellschaft sind das Highlight dieses Romans. Die anfängliche Skepsis der ungebildeten Bevölkerung gegenüber den Satteltaschen-Bibliothekarinnen, die Bestechlichkeit der Polizei und Richter sowie Margerys Gefängnisaufenthalt werden sehr glaubwürdig beschrieben. Auch Geoffreys Vorteile gegenüber der restlichen Bevölkerung und die Angst seiner Angestellten ist unfassbar authentisch und glaubwürdig dargestellt. Mit Abstand am besten an „Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“ gefällt mir die Freundschaft zwischen Alice und Margery und die Entwicklung ihres immer stärker werdenden Zusammenhalts gefallen. Es ist schön zu lesen, wie sich die beiden Frauen füreinander stark machen und für die jeweils andere einsetzen.
Zum von Jojo Moyes gewählten Happy End habe ich eine ganz eindeutige Meinung
Leider kann die Autorin bezüglich der Charaktere nicht die Stärke ausspielen, die wir von ihren anderen Werken kennen. Wer sich so liebenswerte Protagonisten wie Lou und ihre gestreifte Strumpfhose aus „Ein ganzes halbes Jahr“ wünscht, wird von „Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“ leider enttäuscht. Ausnahmslos alle Protagonisten in diesem Roman bleiben etwas blass und wirken nicht sonderlich authentisch. Die Hauptprotagonisten und die Gesellschaft durchlaufen in der Geschichte zwar eine Entwicklung, aber diese wirkt oftmals konstruiert. Zudem war mir das Happy End für ausnahmslos jeden Protagonisten einfach zu viel. Ich mag es zwar, wenn man zum Ende eine Romans erfährt, was aus allen Charakteren wurde, aber dass ausnahmslos jeder sein Glück findet, ist unglaubwürdig.