Alex Schulmans Roman handelt von den Untiefen einer Familie
Alex Schulmans Roman „Die Überlebenden“ ist, obgleich er im idyllischen Schweden spielt, keine leichte Sommerlektüre. Das Buch, das wochenlang auf der schwedischen Bestsellerliste stand, handelt von den Untiefen einer – oberflächlich betrachtet – gewöhnlichen Familie.
Der Tod der Mutter zwingt die Brüder, sich einander zu stellen
Benjamin, Nils und Pierre sind Brüder. Der Tod ihrer Mutter zwingt sie dazu, sich der lange verdrängten Vergangenheit zu stellen. Alex Schulman erzählt seine Geschichte auf zwei Zeitebenen: Die eine nimmt uns mit in die Kindheit der Brüder, die von einem schlimmen Unglück überschattet ist. Die andere Zeitebene lässt uns teilhaben am Zusammentreffen der Brüder anlässlich des Todes der Mutter und an den von ihnen in diesem Zusammenhang gemeinsam zu bewältigenden Aufgaben.
„Die Überlebenden“ ist genau beobachtet und präzise erzählt
Was Alex Schulman auszeichnet, ist seine erstaunliche Beobachtungsgabe und seine präzise Erzählweise. Ganz gleich, ob er die Besonderheiten der schwedischen Landschaft oder die feinen Ausformungen menschlicher Gefühle beschreibt, stets trifft er ins Schwarze. Wir sind dabei, wenn die Brüder vom Vater zum Schwimmwettkampf auf dem See beim Sommerhaus aufgefordert werden, wenn sie Kaulquappen fangen oder angeln.
Auch über eigentlich idyllischen Szenen hängen dunkle Schatten
Merkwürdigerweise hängt über diesen eigentlich idyllischen Verrichtungen stets eine ungute, beengende Atmosphäre. Der Firnis, der über dem vermeintlich normalen Familienleben liegt, ist dünn. Und so geschehen auch immer wieder Gewaltausbrüche – physische und psychische. Vater, Mutter und die drei Brüder arbeiten sich aneinander ab. Gerade bei der Lektüre des ersten Teils des Romans lässt einen das Gefühl der Beklemmung nicht los. Dies spricht für die Qualität von Alex Schulmans Werk, man muss aber auch festhalten, dass es kein Genuss ist, diesen Roman zu lesen – eher ist es über weite Strecken ein belastendes Erlebnis.
Eine aufwühlende Lektüre, die einen erleichtert hinterlässt
Familie wird hier dargestellt als ein Lebensmodell, das Unterdrückung und Unfreiheit mit sich bringt und viel zu wenig Liebe für jedes einzelne Mitglied. Als ein Ort einer nur in Ausnahmefällen gestillten Sehnsucht. Als ein Schauplatz, an dem sich Enttäuschungen und Verletzungen aneinanderreihen. Immerhin deutet sich am Ende so etwas wie eine Versöhnung der Brüder mit der eigenen Vergangenheit an. Die letzten Szenen – sie sind geprägt von einem Abschiedsbrief der Mutter – liest man mit Rührung. Und ist erleichtert, diese emotional aufwühlende Lektüre unbeschadet überstanden zu haben.