Eine jüdische Familie in der Zeit des Nationalsozialismus
Ruth Meyer lebt gemeinsam mit ihren Eltern, Großeltern und der kleinen Schwester Ilse im deutschen Krefeld. Sie führt eine unbeschwerte Kindheit, hat in der jüdischen Gemeinschaft zahlreiche Freunde, gute Noten und ist allseits beliebt. Ihr Leben könnte kaum schöner sein, doch dann kommt Hitler an die Macht. Während einige Bekannte die Gefahr erkennen und sich schnell ins Ausland absetzen, akzeptiert Familie Meyer die neuen Einschränkungen und Ausgrenzungen. Diese werden mit der Reichsprogromnacht immer schlimmer und letztendlich wird Ruths Vater sogar verhaftet. Die Familie sieht keinen anderen Ausweg mehr als die noch minderjährige Ruth alleine über die Niederlande nach England zu schicken. Dort arbeitet sie Tag und Nacht auf einem Bauernhof und setzt alles daran ihre Familie aus Deutschland zu sich zu holen. Letztendlich gelingt ihr dies zumindest für ihre Eltern und die kleine Schwester. Als die vier in England endlich wiedervereint sind, erklärt England Wochen später den Krieg. Erneut fürchte die Familie um ihr Leben, doch es gelingt ihnen, einen der wenigen, sehr begehrten Plätze auf einem Schiff nach Amerika zu ergattern.
„Träume aus Samt“ ist der vierte Band der berührenden Familiensaga
Im vierten Teil der Familiensaga begleiten wir Ruth, ihre Eltern und Ilse auf der Schifffahrt und in den ersten Wochen in Amerika. Wir erleben die anfänglichen Schwierigkeiten der Familie in den Staaten, ihre finanziellen Nöte und die Angst um die in Deutschland gebliebenen Freunde und Angehörigen. Aber auch die neuen Freundschaften und schönen Erlebnisse finden Platz in der Geschichte. Aus finanziellen Gründen ist Ruth gezwungen ein Stipendium abzulehnen und sich Arbeit zu suchen, doch auch dies meistert die starke junge Frau. Sie schließt neue Freundschaften und lernt Eddie kennen und lieben. Gerade als die beiden ihre Beziehung vertiefen, erklärt auch Amerika, dass es in den Zweiten Weltkrieg einsteigen wird. Ruth und ihre Familie müssen schmerzlich erfahren, dass sie nirgends auf der Welt in Frieden leben können und auch in den Staaten als Feinde angesehen werden. Dann wird Eddie auch noch als Soldat auf die Philippinen geschickt.
Ulrike Renks Roman basiert auf einer wahren Geschichte
Die gesamte Familiensaga beruht auf Tatsachen. Die Autorin Ulrike Renk hat für „Träume aus Samt“ akribisch recherchiert und viele Informationen von den nächsten Angehörigen der im Mittelpunkt der Geschichte stehende Familie Meyer erhalten. Gerade aus diesem Grund wirkt die Handlung authentisch und berührt zutiefst. Obwohl Teile der Handlung unaufgeregt sind und beispielsweise nur Ruths Arbeitsalltag beschreiben, sind alle vier Bände mitreißend und fesselnd. Einerseits ist es extrem beeindruckend zu lesen, was die junge Ruth alles schafft und dass sie nie die Lebensfreude verliert, andererseits sind viele Beschreibungen, gerade jene der Verluste der Familie, bedrückend. Zudem baut Ulrike Renk immer wieder ausführlich recherchierte geschichtliche Fakten in die Handlung ein. Dadurch führt sie uns regelmäßig vor Augen, dass es sich nicht um eine erfundene Geschichte handelt, sondern um etwas, das tatsächlich so passiert ist. So geht einem die Geschichte wirklich unter die Haut.
Der Epilog rührte mich zu Tränen – das Buch beschäftigte mich tagelang
Dieser Roman hallt lange nach und beschäftigte mich noch Tage später. Spätestens im Epilog erfahren wir, welches Schicksal die liebgewonnenen Protagonisten ereilt hat. Gerade jenes der Großeltern hat mich zutiefst berührt. Das Schicksal der Familie Aretz, die sich den politischen Vorgaben nicht gebeugt und die jüdische Familie Meyer trotz eigener Lebensgefahr immer unterstützt hat, brachte mich zum Weinen. Familie Meyer, allen voran Ruth, sind unfassbar faszinierende Persönlichkeiten, die stets auf ihre Mitmenschen achteten und an ihren Erlebnissen nicht zerbrachen. Ulrike Renks Roman „Träume aus Samt“ setzt ein starkes Zeichen gegen Rassismus und für eine multikulturelle Gemeinschaft. Seine klare Aussage: Kein Mensch, egal welcher Hautfarbe, Staatszugehörigkeit oder Religion, sollte politisch verfolgt werden. Nur wenn wir die grauenvollen Taten des Nationalsozialismus nicht vergessen, können wir derartige politische Entwicklungen auch in Zukunft verhindern.