ISBN 978-3-463-00023-7

496 Seiten

€ 20,00

Anja Baumheiers „Die Erfindung der Sprache“ erzählt von Familie und und Liebe. Es ist ein Roman der das Herz erwärmt und dessen Protagonisten Frau Bluhm am liebsten persönlich kennenlernen würde.

Frau Bluhm liest Anja Baumheiers „Die Erfindung der Sprache“ und ist begeistert

Titelbild Die Erfindung der Sprache


Frau Bluhm liest „Die Erfindung der Sprache“ : 4 von 5 Blu(h)men

 


Ein Leuchtturmwärter verschwindet spurlos von der Ostfrieseninsel

Adam und seine Familie führen ein idyllisches Leben auf der kleinen Ostfrieseninsel Platteoog, als sie von einem jähen Schicksalsschlag getroffen werden: Kurz nach 13. Geburtstag verschwindet Adams Vater Hubert, der Leuchtturmwärter, von einem auf den anderen Tag spurlos. Jahre später, Adam lebt längst schon als erwachsener Mann in Berlin, holt das Schicksal die kleine Gemeinde wieder ein, als Adams Mutter Oda in der Buchhandlung das Buch „Die Erfindung der Sprache“ entdeckt, und in ihm Hinweise darauf, dass Hubert noch leben könnte. Adam und die Autorin des Buches Zola Hübner begeben sich auf eine lange Reise von Platteoog über Bad Kissingen bis Prag und schließlich Frankreich. Sie folgen den Spuren des Mannes, der ihnen beiden aus unterschiedlichen Gründen eine ganze Menge bedeutet.

Einige der sympathischsten Protagonisten der Literaturgeschichte

Man kann wohl ohne Zweifel behaupten, dass Anja Baumheier ihren Roman „Die Erfindung der Sprache“ mit ein paar der sympathischsten Protagonisten der Literaturgeschichte ausgestattet hat. Zunächst natürlich der Sprachwissenschaftler Dr. Adam Riese selbst. Als absolutes Wunschkind geboren, wurde er in seiner Kindheit nicht nur von einer liebevollen Familie, sondern von einer ganzen Insel erzogen. Das Sprichwort „Zur Erziehung eines Kindes braucht es ein Dorf“ ergibt hier eine ganz neue Bedeutung. War Adam schon immer ein besonderes Kind, so verändert das Verschwinden seines Vaters während seiner Jugend sein ganzes Leben. Vorher schon exzentrisch und mit allerlei Zwängen geschlagen, entwickelt der hochintelligente Adam bereits in frühen Jahren seines erwachsenen Lebens viele Marotten, Ticks und fast schon soziophobische Züge. Bis zu dem Tag, an dem er für seine Familie einstehen und seinen Vater finden muss.

Die Reise mit Adam regt dazu an, über sich selbst nachzudenken

Es ist herzerwärmend Adam auf seinem Roadtrip zu begleiten, und seiner eigenen Weiterentwicklung zu folgen. Diese geht mir in manchen Teilen aber zu schnell und nahtlos vonstatten. Wenn er doch in vielen Bereichen so große Anpassungsschwierigkeiten hat, so überwindet er sie während der Suche sehr schnell und mühelos. Das kam mir oft unrealistisch und unauthentisch vor. Gleichzeitig regt die Reise mit Adam dazu an, selbst über eigene Unzulänglichkeiten, über die man im Alltag oft so mühelos leicht wegtäuschen kann, nachzudenken.

Gutes und regelmäßiges Essen macht das Leben aus, findet Leska

Aufgezogen wird Adam von seinen Eltern Oda und Hubert, gemeinsam mit den Großeltern Ubbo und Leska. Leska, aufgewachsen in der Tschechei, wird vom Urlauber Ubbo vom Fleck weg geheiratet und nach Ostfriesland entführt. Für Leska ist das gute und regelmäßige Essen das, was das Leben ausmacht. Nicht selten ergeben sich aus ihrem Drang, immer und überall kulinarisch für ihre Familie sorgen zu wollen, urkomische Situationen, die mich während der Lektüre oft lauthals lachen ließen.

Ubbo und Leska sind zwei urkomische und liebenswerte Menschen

Ubbo andererseits, ist passionierter Bergsteiger – ein eher schwierig auszuführendes Hobby in der platten Landschaft Ostfrieslands. Die beiden zusammen ergeben eine urkomische und absolut liebenswerte Mischung. Da „Die Erfindung der Sprache“ in zwei unterschiedlichen Zeitebenen geschrieben ist, sind viele Kapitel, die in der Vergangenheit spielen, diesem Ehepaar gewidmet. Diese Passagen haben mir bei der Lektüre viel Freude gemacht.

Adams Phobie gegen Katzen führt zu einem heillosen Durcheinander

Die Kapitel, die die Gegenwart betreffen, schildern die Vorkommnisse aus der Perspektive des erwachsenen Adam. Der mit allerlei Problemen belastete Sprachwissenschaftler ist eigentlich am liebsten für sich und hat große Probleme mit unvorhersehbaren Situationen. Ausgerechnet er muss jetzt für seine Familie stark sein und seinen Vater suchen. Dabei begleitet wird er von zwei Zolas. Einmal der Autorin des titelgebenden Buches im Buch, und später dann von Zola-die-Katze. Wie es dazu kommt, findet man am besten bei der eigenen Lektüre heraus, nur so viel: Eine der größten Phobien, an denen Adam leidet, richtet sich gegen Katzen. Man kann sich in etwa vorstellen, was das für ein Durcheinander gibt.

Die Menschen in Anja Baumheiers Roman sind nicht perfekt – das ist schön

Die Tatsache, dass Adam quasi von einer ganzen Insel von Menschen aufgezogen wurde, ist das, was mir am neuen Roman von Anja Baumheier am besten gefällt. Zwar gestaltet die Autorin jeden einzelnen Charakter stereotyp und eindimensional, ich begreife das aber als bewusst gewähltes Stilmittel. Jede Figur entstammt einer liebevollen und fantasievollen Feder, das merkt man genau. Ich wäre sehr froh, diese tollen Menschen bei der Erziehung meines Kindes an meiner Seite zu haben, gerade auch, weil sie alle alles andere als perfekt sind.

„Die Erfindung der Sprache“ ist ein modernes Märchen über Familie und Liebe

Anja Baumheiers „Die Erfindung der Sprache“ ist ein modernes Märchen über Freundschaft, Familie und Liebe. Es macht das Leben selbst zum Thema, kann begeistern und hinterlässt ein wohliges Gefühl nach dem Lesen. Ein schöner Roman für alle, die keine Scheu davor haben, auch mal einen Blick auf die eigene Unvollständigkeit zu werfen.

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Frau Bluhm

Geboren 1984 in Aschaffenburg, studierte Katharina Bluhm Psychologie und arbeitet seither als Erzieherin. Sie liebt Bücher und Filme. Seit 2017 bewertet sie in ihrer Kolumne „Frau Bluhm liest“ für BUCHSZENE.DE mit Begeisterung, aber auch kritisch Bücher jeden Genres. Sie lebt mit ihrer Familie in Aschaffenburg.

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