ISBN 978-3-8052-0029-5

544 Seiten

€ 24,00

Jojo Moyes spricht über ihre Leidenschaften, Ängste und feministische Aspekte in ihrem Roman „Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“, der um die legendären Packhorse Librarys der späten 1930er kreist.

Jojo Moyes im Interview über ihren Roman „Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“

Mrs. Moyes, im Zentrum Ihres Romans „Wie ein Leuchten in tiefer Nacht“ stehen sechs mutige Frauen, die in der Satteltaschenbücherei – der Packhorse Library – von Baileyville arbeiten. Ist das ein feministisches Statement?

Das ist es wohl – obwohl ich mir das nicht explizit vorgenommen hatte. Ich wollte ein Buch schreiben, in dem Frauen handlungsfähig und einfallsreich sind und tolle Sachen zustande bringen, anstatt mich auf ihre Beziehungen und ihr Äußeres zu konzentrieren. Zudem wollte ich, dass sich die Frauen gegenseitig unterstützen; im Gegensatz zum gängigeren Narrativ, dass wir stets miteinander konkurrieren müssten. Das entspricht auch nicht meiner Erfahrung. Aber ich bin sehr einverstanden, wenn mein Roman als feministisches Statement betrachtet wird. Ich hoffe, dass es genau das ist – und eine gute Geschichte! Übrigens enthält der Roman auch ausgezeichnete Männerfiguren …

Bislang galten Sie ja als Spezialistin für sogenannte Frauenliteratur, die schwierige Themen wie Behinderung, Armut, Selbstmord eher ausklammert. Dieses Buch ist anders: Wie sind Sie auf Ihren Stoff gestoßen – die dramatischen Geschehnisse rund um die Packhorse Library in den späten 1930er-Jahren in Kentucky?

Durch einen Online-Artikel in dem Magazin The Smithsonian, der außergewöhnlich bebildert war: Fotos von Frauen auf Pferden, die sich bereitmachten, in diese gewaltige, raue Natur zu reiten, um isoliert lebenden Familien Bücher zu bringen. Im Grunde geht es um all meine Lieblingsdinge: Pferde, starke Frauen, Bücher, wilde Landschaften. Ich wusste sofort, dass ich darüber schreiben wollte. Ich hatte dieses brennende Bedürfnis und sah den Plot quasi unmittelbar vor mir.

Vieles, was Sie beschreiben, ist historisch verbürgt: das Packhorse Library Project, das 1935 bis 1943 als Teil der Works Progress Administration stattfand, das starke Engagement der First Lady Eleanor Roosevelt. Gibt es auch ein Vorbild für Ihre eigenwillige Bibliothekarin Margery O’Hare?

Nicht im Speziellen. Ich habe viel über Kentucky und die damaligen Lebensbedingungen gelesen. Es gab unglaublich toughe Frauen – was sie häufig auch sein mussten, um zu überleben. Und es gibt viele Berichte darüber, wie schwer es Frauen in dieser Männerwelt hatten, wie groß die Brutalität war, unter der sie oft litten – aber es gibt eben auch Beispiele von Frauen, die das mit gleicher Münze heimzahlten. Ich liebe solche Figuren in Romanen, das Packhorse Library Project war der ideale Anlass, selbst so eine Figur zu erschaffen. Ich wollte über die Art von Charakter schreiben, die dich inspiriert, als junge Frau loszulegen und zu sagen: „Oh ja, ich werde alles machen, was ich will!“

Neben Gewalt gegen Frauen geht es um Bigotterie im ländlichen Kentucky, um Rassismus, katastrophale Arbeitsbedingungen und gnadenlose Ausbeutung der Natur. Dafür haben Sie sicher viel recherchiert?

Ich recherchiere immer gründlich, weil ich nicht glaube, dass ein Roman sonst wirklich zum Leben erwacht. Doch diesmal hat sich das auf einem ganz anderen Level abgespielt. Ich habe dreimal die Gegend bereist, musste dafür jeweils zwei Flugzeuge nehmen und eine lange Autofahrt überstehen. Zudem habe ich wissenschaftlich recherchiert: über Bergbau, bewaffnete Kohlekonflikte, über die damaligen Zustände in Gefängnissen, Todesstrafe und Gerichtsverhandlungen. Ich musste die Bibliothekarinnen kennen und die Landschaft. Die Landschaft ist alles entscheidend: Ich bin die damaligen Routen der Bibliothekarinnen abgeritten, was sehr hilfreich war: die Stille in den Wäldern, mir zu Pferd einen Weg durch ebendieses Gelände zu bahnen … all das sickert in das geschriebene Wort.

Es ist sehr leicht, sich mit ihren Heldinnen Alice und Margery zu identifizieren. Ihr Kampf um Glück, Freiheit, Unabhängigkeit und das Recht, den eigenen Weg zu gehen – all das beschäftigt uns auch heute. Bücher und Bildung sind für die Frauen der Packhorse Library essenziell. Spielen Bücher heutzutage eine vergleichbare Rolle?

Sicherlich müssen Bücher in einer Zeit, in der es so viele andere Medien gibt, bisweilen um Aufmerksamkeit kämpfen. Doch mein Eindruck ist, dass viele Menschen spüren, wie gut Lesen der psychischen Gesundheit tut – es gibt dir eine Auszeit von deinen Gedanken, wie es Smartphones oder Computer nicht leisten können. In Großbritannien zeichnet sich gerade ein immenser Trend zum Hörbuch ab. Ich glaube also, dass Geschichten nach wie vor beliebt sind. Eher mache ich mir Sorgen über die Rolle des Internets bei der Verbreitung von Fake News.

Apropos Fake News: Nach Ihren Recherchen hatten Sie bei Begriffen wie Dixie, Hillbilly, Kentucky vermutlich sofort Bilder im Kopf. War es dort wie erwartet – oder gab es Überraschungen?

Tatsächlich hat es mich überrascht. Was ich vor meiner ersten Reise in diesen Teil der Cumberland Mountains online fand, war nicht gerade ermutigend. Es wurde da ein Bild gezeichnet von einer Gegend mit gewaltigem Drogenproblem, voller Armut, ohne ordentliche Hotels – eine Art allgemeiner Missstand. Ich bat eine Freundin, mich auf der ersten Reise zu begleiten, weil ich allein schlicht Angst hatte. Und ja, manches aus den Artikeln stimmt. Es gibt Armut und ein Drogenproblem. Aber die Landschaft ist wunderschön, und die Leute sind bezaubernd – das Geschichtenerzählen scheint in ihren Genen zu liegen. Sie waren charmant, hilfsbereit, vielfältig, interessant. Ich habe mich in die Gegend verliebt und Freundschaften geschlossen, von denen ich glaube, dass sie mein Leben lang halten werden.

Und gab es ordentliche Hotels?

Tatsächlich bin ich in einem winzigen Bed and Breakfast gelandet, zu dem eine etwa sieben Meilen lange Schotterstraße führt – und immer wieder dorthin zurückgekehrt. Ich habe dort Erfahrungen gemacht, die in keiner Hotelkette möglich wären.

An einer Stelle im Roman geht es um die „Erkenntnis, was es in Wahrheit bedeutet, eine Frau zu sein“: Egal, wie klug eine Frau sei – Männer könnten sie mit ihrer Faust immer zum Schweigen bringen. Das passiere allerdings nur, „bis man gelernt hat, noch härter zurückzuschlagen“ …

Ich wollte über Frauen schreiben, die nicht machtlos waren, zumindest nicht die ganze Zeit. Bisweilen fühlen wir uns so, besonders in Momenten, wenn uns viel im Weg steht. Genau dann ist es wichtig, die eigene Stärke und Solidarität von anderen zu finden. Ich habe festgestellt, dass ich, je älter ich werde, desto mehr dazu tendiere, mich zu wehren. Ich habe in meinen Vierzigern mit dem Boxen angefangen – das hilft!

Sie haben noch einiges mehr begonnen, zum Beispiel den Tauchschein und den LKW-Führerschein für 7,5-Tonner erworben – Dinge, vor denen Sie früher eine Heidenangst hatten. Gibt es neue Herausforderungen?

Das Beängstigendste, was ich während des Schreibens an diesem Roman getan habe, war, in einer Hütte in einer abgelegenen Bergschlucht zu schlafen. Ich habe erst bei Einbruch der Dämmerung gemerkt, dass es keine Türschlösser gab. Zuerst dachte ich, ich würde kein Auge zutun. Aber an Tag drei habe ich Schlangen mit Stöcken gepikst, bin bei Morgengrauen gewandert und hatte weitestgehend vergessen, dass ich auf mich allein gestellt war. Das war so befreiend! Kentucky ist zu dem Ort geworden, wo ich hingehe, wenn meine Seele eine Notreparatur braucht. Wenn ich nicht mutig genug gewesen wäre, in der Hütte zu wohnen, hätte ich nichts davon je erfahren. Welche Herausforderungen als Nächstes kommen, weiß ich nicht. Aber ich werde sicherlich mutiger, wenn es darum geht, mich ihnen zu stellen. Ich glaube, dass man sich mit zunehmendem Alter glücklicher schätzt, einfach nur hier zu sein. Wenn ich schon das Glück habe, dass sich mir Gelegenheiten für Abenteuer bieten, sollte ich sie auch wahrnehmen!

ISBN 978-3-8052-0029-5

544 Seiten

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