Herr Kunkel, Ihr Roman „Welt unter“ ist ein Klimathriller, der den Klimawandel von einen völlig neuen Blickwinkel betrachtet …
Stimmt. Mich haben immer erzählerische Perspektiven gereizt, die ein anderes Licht auf kollektive Wahrheiten werfen. Ja, der Klimawandel ist eine Tatsache, aber Gaia, die schöpferische Natur, ist nicht so hilflos wie man uns glauben machen will.
Sie hat Millionen Jahre auch ohne die Hilfe des Menschen überlebt …
Und auf jede globale Katastrophe mit der Entwicklung neuer Arten reagiert. Die Paläontologie ist sich weitgehend einig, dass das Verschwinden der Dinosaurier mit dem Einschlag eines riesigen Meteoriten, nahe der Yucatán-Halbinsel in Mexiko, koinzidiert. Dichte Staubwolken, die den Himmel verdunkelten, schufen damals widrige Lebensbedingungen für Reptilien, eine andere, bisher irrelevante Spezies, die Säugetiere, traten nun auf den Plan.
In „Welt unter“ geht es um eine ähnliche Ablösung?
Ja, allerdings innerhalb des menschlichen Stammbaums. Wir wissen heute, dass neben dem modernen Menschen auch andere Menschenarten parallel existierten, seien es nun die robusten Neandertaler oder die „Zwergenmenschen“ von der indonesischen Insel Flores. In meinem Roman geht es um eine schon immer existierende, aber dämonisierte Form des Menschen – den Homo aquaticus.
Was hat es mit ihm auf sich?
Er taucht nicht nur in unzähligen Mythen und Legenden der Menschheit auf, sondern ist auch das – wenn ich so sagen darf – Kreuz-Ass im Ärmel der Evolution, denn Gaia dürfte das Überleben ihres wohl intelligentesten, aber auch leichtsinnigsten Lebewesens – des Menschen – abgesichert haben. Selbst wenn der Meeresspiegel immer weiter steigt, eröffnet das der Evolution neue Spielräume. Wenn die Natur uns nun wirklich wegwischen wollte, – wie viele Panikmacher behaupten –, hätte sie das längst getan.
Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Buch?
Ich habe mich immer für Biologie interessiert, vor allem für das Phänomen der Evolution. Als Embryos durchlaufen wir sämtliche Phasen der Evolution, also auch ein fischähnliches Stadium. Dabei werden Kiemen gebildet und wieder zurückentwickelt, – wenn alles gut geht. Werden aber Babys geboren, bei denen die Rückbildung der Kiemengänge nicht vollständig war, bilden sich daraus Zysten, die operativ entfernt werden müssen. Glaubt man den staatlichen Fehlbildungsregistern, gibt es seit den 1980er Jahre eine steigende Tendenz von – Zitat –„großen Fehlbildungen“. Dieses Hintergrundwissen hat lange in mir gearbeitet, weil es auf organische Veränderungen des Menschen hinweist.
Warum haben Sie sich Grönland zum Schauplatz gewählt?
Die Idee, die Handlung auf Grönland spielen zu lassen, hängt mit der Abgelegenheit des Landes, seiner außerirdisch anmutenden Schönheit und eben seiner Geschichte zusammen. Schon der Name bedeutet ja in der Sprache der Wikinger „Grünes Land“. Tatsächlich waren die Küsten Grönlands im Mittelalter grün und bewaldet, was seine alte Bezeichnung erklärt. Davon schien nichts geblieben zu sein, doch nun – begünstigt von der Erderwärmung – erlebt Grönland eine Art Wiederauferstehung.
Es wird immer wärmer, angeblich wurde diesen Sommer erstmals die 30-Grad-Celsius-Marke geknackt.
Man baut jetzt erstmals wieder Kartoffeln und Erdbeeren an. Zudem ist Grönland immer noch das Land mit der geringsten Bevölkerungsdichte der Erde. Trotz Google Maps hat das Land noch immer etwas von einem unentdeckten Kontinent am Rande Europas. In meinem Roman ist Grönland eine neue Welt und der sichere, weil noch unentdeckte Hafen der „neuen“ Menschen.
Wie sehen Sie persönlich die Klimakrise? Glauben Sie, dass uns die Natur wirklich einen Ausweg aufzeigt?
Der Klimawandel ist Realität, aber es hat auch früher schon klimatische Veränderungen des Planeten gegeben, denken wir nur an die „kleine Eiszeit“ im 14. und 15. Jahrhundert, die Grönland besonders hart traf. Persönlich glaube ich, dass Gaia – dieser große lebende Organismus, der alle Lebewesen der Erde vereint – anpassungsfähiger und „intelligenter“ ist als der Mensch denkt. Ernsthaft zu glauben, der Mensch sei Master of the Univers und könne nun durch den Verzicht auf Atomenergie und die Reduzierung von C02 eine bereits eingeleitete planetare Veränderung umkehren, ist naiv. Es hat hundert Jahre gedauert den Wandel auszulösen, und solange sich China und die USA – die größten Umweltverschmutzer der Welt – weiterhin sperren, sind die alljährlichen Klimakonferenzen nur Schall und Rauch.
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Der Inhalt von Thor Kunkels „Welt unter“ auf einen Blick:
Liegt im Klimawandel vielleicht die große Chance der Menschheit? Als die Naturaktivistin Freya Velden auf Grönland eintrifft, ahnt sie nicht, dass sie dort inmitten von Inuitsiedlungen die Entstehung einer neuen Welt miterleben wird. Denn während Eurasien im Hochwasser versinkt, hat die Natur längst eine Lösung parat: Menschen, die – mit Kiemen geboren –in der Lage sind, unter Wasser zu atmen. Auch der Hydrotechniker Frodo zählt zu den ersten Mutanten, seine Kiemen wurden allerdings chirurgisch entfernt. Auf der Bohrinsel Devon III, mitten im grönländischen Scorebysund, trifft er zum ersten Mal auf seinesgleichen und eine Sekte namens der “Devonische Zirkel”, die den steigenden Meeresspiegel als Waffe gegen die Landbewohner versteht …
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