Eigentlich ist TJ Klunes Hauptfigur ein grandioser Langweiler
Linus Baker ist vierzig und führt ein vorhersehbares und langweiliges Leben. Er ist alleinstehend, hat kaum soziale Kontakte und teilt seine Wohnung mit einer Katze. Linus verbringt den Großteil seines Tages in der Arbeit. Er ist im Jugendamt in einer Sonderabteilung für Kinder mit magischen Fähigkeiten beschäftigt. Linus‘ Aufgabe ist es die Waisenhäuser zu überprüfen und herauszufinden, ob die Kinder gut untergebracht und von der restlichen Bevölkerung ausreichend distanziert sind. Seine Aufgaben erledigt er äußerst gewissenhaft, strukturiert und mit der nötigen emotionalen Distanz. Linus ist soweit zufrieden mit seinem Leben, er schätzt die tägliche Routine.
Der charismatische Waisenhauschef verbirgt ein Geheimnis
Eines Tages jedoch bekommt Linus sehr überraschend einen Sonderauftrag mit hoher Geheimhaltungsstufe vom allerhöchsten Management: Er soll für mehrere Wochen auf eine weit entfernte Insel, um das dortige Waisenhaus zu überprüfen. Für Linus fühlt sich dieser Auftrag zwar unbehaglich an, aber – gewissenhaft wie er ist – macht er sich gemeinsam mit seiner Katze sofort auf den Weg zu dieser geheimnisvollen Insel. Dort begegnet er nicht nur dem charismatischen Waisenhausleiter Mr. Parnassus, der scheinbar ein Geheimnis verbirgt, sondern auch einer Menge unterschiedlicher Kinder. Jedes hat eine ganz besondere magische Fähigkeit und Linus schließt die Kinder mit zunehmender Dauer seines Aufenthalts immer mehr ins Herz. Bald muss Linus feststellen, dass er nicht mehr in der Lage ist seine Arbeit objektiv zu verrichten. Damit beginnt für ihn ein magisches Abenteuer, das sein weiteres Leben nachhaltig verändern wird.
Gesellschaftskritik und Bodypositivity, Liebe und die Suche nach Glück
Kaum hat man zu lesen begonnen, ist man bei TJ Klunes Roman „Mr. Parnassus‘ Heim für magisch Begabte“ auch schon tief in der Handlung drin. Gleich auf den ersten Seiten lernt man den liebenswürdigen Linus kennen und schließt ihn sofort ins Herz. Daher verfolgt man seine wunderbare Reise auf die Insel mit viel Freude. Die Handlung ist ergreifend, herzerwärmend und beeindruckt nachhaltig – sie hat Tiefgang. Daneben ist sie aber auch mit einem feinen Humor gespickt. Der Roman liest sich locker und kurzweilig. TJ Klune gelingt es, auf sehr zauberhafte Weise, Magie und eine fremde Welt mit zahlreichen aktuellen Themen zu verbinden, ohne dass die Handlung überladen oder gar konstruiert wirkt. Neben Gesellschaftskritik und Bodypositivity prägen auch Themen wie gleichgeschlechtliche Liebe und die Suche nach Glück diesen Roman. All dies ist verpackt in ein außergewöhnliches Setting, das vor Einfallsreichtum nur so strotzt, und in eine Menge Humor, der mich stellenweise Tränen lachen ließ.
Alle treibt sie der Wunsch nach gesellschaftlicher Akzeptanz
Aber auch die kreativen Charaktere überzeugen auf ganzer Linie. Es sind fantasievolle Figuren, wie ich sie aus keinem anderen Buch kenne. So gibt es unter anderem einen stets um Gerechtigkeit bemühten Phönix, einen gärtnernden Gnom in Gartenzwergoptik, einen Knöpfe sammelnden Lindwurm sowie den herzensguten Sohn des Teufels, der nach außen ganz hart wirken will. Trotz dieser magischen Aspekte hat ausnahmslos jede Figur Tiefe und eine authentische und liebenswürdige Art. TJ Klune entwirft das Bild einer Gruppe Außenseiter, die kaum unterschiedlicher sein könnten und dennoch verbindet alle der Wunsch nach gesellschaftlicher Akzeptanz, die Suche nach dem eigenen Glück und die Ausgrenzung durch die nicht magische Bevölkerung. TJ Klune ist ein Buch geglückt, das auf ganzer Linie begeistert und lange nachhallt.