Bruschette mit gehackten Datteltomaten, Oliven und Peperoncini
Es wird viel gegessen und getrunken in diesem Roman. Blanc de Noir, Cognac, Ouzo, Armagnac, Sherry, Grande Cerzito, Martell Cohiba Extra. Pennette alla Norma, Orata forno con patate, Ravioli aus hauchdünnem Teig, gefüllt mit Sellerie, übergossen mit Olivenöl und großzügig bestreut mit Parmesan, Linsen mit kleinen Karottenstückchen, Stangensellerie und Zucchini, gebratene Jakobsmuscheln, Bruschette mit gehackten Datteltomaten, Oliven, Peperoncini und verschiedenen Kräutern, Hackbraten mit gedünsteten Zwiebeln und feinen Zitronenschalenstreifen.
Die Rezepte entstammen Patrizia Fontanas Kochbuch „La Mia Cucina“
Würde man alle Gerichte, die in Martin Suters „Melody“ verzehrt werden, aufschreiben, käme vermutlich eine ganze Seite zusammen. Im Nachwort erklärt der Schriftsteller, dass er die meisten Rezepte aus Patrizia Fontanas Kochbuch „La Mia Cucina“ entnommen habe. Man sollte dieses Buch nicht mit leerem Magen lesen.
Hauptfigur von „Melody“ sind ein junger Anwalt und ein alter Millionär
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der 34-jährige Anwalt Tom Elmer, der sich auf eine Stellenanzeige bewirbt. „Gesucht: Vertrauenswürdiger, gebildeter jüngerer Mann für Nachlassordnung. Juristische Vorkenntnisse erwünscht. Vollzeit. Faire Bezahlung.“ Beim Vorstellungsgespräch lernt Tom den betagten Dr. Peter Stotz aus Zürich kennen. Der Mann wohnt, umsorgt von einem Butler und einer exzellent kochenden Haushälterin, in einer kostbar und gediegen eingerichteten Villa, in der es nach „Tabakpfeife, Kaffee und Vergangenem“ riecht. Dr. Stotz sitzt gerne in einem Ledersessel vor dem Kaminfeuer und trinkt bei diesen Gelegenheiten teure Getränke in rauen Mengen.
Ist Melody tot? Ist sie untergetaucht? Wurde sie entführt?
Es stellt sich heraus, dass Dr. Stotz schwerreich ist, als einstiger Nationalrat, Kunstmäzen und Vorstandsmitglied großer Unternehmen zur Schweizer High Society zählt und lebenslänglich unter dem Trauma einer verschwundenen Liebe leidet: Die Buchhändlerin Melody, in die er sich als jüngerer Mann unsterblich verliebte, ist kurz vor der gemeinsamen Hochzeit spurlos verschwunden. Die Umstände des Verschwindens deuten auf eine Entführung durch Melodys muslimische Familie hin. Man hatte nach religiöser Tradition bereits einen Mann für sie ausgewählt. Seither hat Dr. Stotz sein Leben lang versucht, Melody zu finden. Ist sie tot? Oder untergetaucht? Hat sie sich das Leben genommen? Oder wurde sie entführt?
Martin Suter beschreibt den gediegenen Kosmos des Dr. Stotz sehr gelungen
Der Alte bietet Tom einen üppig dotierten Jahresvertrag an – 12.000 Franken im Monat, inklusive Kost und Logis. Tom soll aber nicht nach Melody suchen, sondern lediglich Dr. Stotz‘ privates Archiv ausmisten; Unbrauchbares vernichten und Interessantes sortieren. Dr. Stotz deutet an, nicht mehr lange zu leben zu haben. Die Arbeit lässt sich für den jungen Juristen angenehm an. Er kann sein Tempo frei einteilen; allein die vielen Mahlzeiten mit Dr. Stotz, bei denen stets Alkohol in großzügigen Mengen konsumiert wird, dies auch tagsüber, schaffen ihn. Martin Suter beschreibt den Lebensstil des Millionärs sehr gekonnt. Es macht Freude, in diesen so altehrwürdigen wie teuren Kosmos einzutauchen.
Erzählt der betagte Züricher Millionär vielleicht gar nicht die Wahrheit?
Bei seinen Recherchen in Dr. Stotz‘ Archiv stößt Tom auf immer mehr Widersprüche. Und so wächst nach und nach in ihm der Verdacht, dass die Geschichten, die er Alte ihm über sein Leben und seine große Liebe zu Melody erzählt, vielleicht doch nicht ganz stimmen. Im Laufe der Entwicklungen tritt auch noch Laura, die Nichte des Seniors, auf. Eine junge Frau, für die Tom Gefühle entwickelt.
Mit der Zeit wächst bei der Lektüre von „Melody“ die Ungeduld
Beginnt man mit Begeisterung zu lesen, weil Martin Suter auf seine unnachahmliche Art – es sei auch an Martin Suters fluffig zu lesenden Roman „Elefant“ erinnert – eine schöne, gediegen-reiche Welt entwirft, in der man sich sofort wohlfühlt, so wird man mit der Zeit ein wenig ungeduldig, weil die Geschichte nicht so recht in Gang kommen will.
Zum Schluss serviert Martin Suter eine Auflösung mit Mehrfach-Twist
Der Alte erzählt und trinkt, der Junge hört zu und stöbert nach den Gelagen, benommen vom Alkohol, in den alten Unterlagen. Je deutlicher wird, dass die Dramaturgie in „Melody“ nicht so gelungen ist, umso mehr fallen die klischeehaften Details auf, mit denen Martin Suter Figuren und Gegenstände klassifiziert. Immerhin gibt es am Ende eine doch überraschende Auflösung. Allerdings kann diese nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Melody“ ein eher durchschnittlicher Roman dieses Martin Suter ist, der uns schon mit so vielen herausragenden Lektüren beschenkt hat. Kochen wir einige der köstlichen Rezepte aus „Melody“ nach, hoffen wir auf den nächsten.