Mr. Brook, Ihr Roman „Niemandsland” wurde in absoluter Starbesetzung – eine der Hauptrollen spielt Keira Knightley – verfilmt. Was bedeutet Ihnen das?
Es ist schmeichelhaft. Es spricht für eine gute Story. Diese hochkarätigen Schauspieler nehmen nur Projekte an, die sie für erstrebenswert erachten. Für jede zugesagte Rolle müssen sie schließlich fünf andere Rollen absagen.
Haben Sie die Schauspieler oder den Regisseur kennengelernt?
Ja, ich habe sie in Prag und in Hamburg am Set getroffen. Sie waren alle reizend. Sie haben sich die Zeit genommen mit meiner Familie und mir zu sprechen, obwohl sie mitten in den Aufnahmen steckten und sehr intensive Szenen drehten. Jason Clarke, der den von meinem Großvater inspirierten Charakter Lewis spielt, wohnte während der Dreharbeiten im gleichen Hotel wie mein Vater und ich. Mein Vater und er haben sich direkt gut verstanden, was wirklich schön war. Man könnte sagen, dass mein Vater seinen Vater getroffen hat! Alexander Skarsgård war auch sehr daran interessiert, meinen Vater zu treffen, um zu erfahren, was er zum Hintergrund der Geschichte zu sagen hat. In der Tat fühlten sich alle Schauspieler, die ich getroffen habe, persönlich mit der Geschichte verbunden.
„Niemandsland. The Aftermath“ – ab 11. April 2019 im Kino!
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Die Geschichte spielt im Nachkriegsdeutschland des Jahres 1946. Könnten Sie bitte kurz umreißen, worum es geht?
Im Mittelpunkt steht Oberstleutnant Lewis Morgan. Er wird 1946 mit dem Wiederaufbau des zerstörten Hamburgs sowie der Entnazifizierung beauftragt. In dieser Zeit wird er in einem herrschaftlichen Anwesen in der Nähe der Elbe untergebracht. Dort erwartet er die Ankunft seiner Frau Rachael, welche um ihren ältesten Sohn, eines der vielen Opfer des Krieges, trauert. Statt die Besitzer, einen Deutschen Witwer und dessen rebellische Tochter, aus deren Haus zu vertreiben, besteht Lewis darauf, dass die beiden Familien gemeinsam unter einem Dach leben. In dieser aufgeladenen Situation wird Feindschaft zu Freundschaft, Trauer zu Leidenschaft, Liebe zu Betrug und schließlich sieht sich jeder gezwungen, sich mit seinem wahren Selbst und seinen tiefen Sehnsüchten zu konfrontieren.
Erkennen Sie Ihren Roman im Film wieder? Wurden für die Verfilmung Akzente verschoben?
Ja, das tue ich. Es fühlt sich ein wenig so an, als ob man sein Kind zum ersten Mal trifft, welches bei anderen Eltern aufgewachsen ist. Es hat eine familiäre Ähnlichkeit, kleidet sich jedoch anders und redet auch anders. Zudem hat es einige Verhaltensprobleme, die es womöglich nicht hätte, wenn man es selbst großgezogen hätte!
Und wurde etwas verändert?
Teile wurden schon verändert. Eine komplexe Geschichte mit vielen verschiedenen Blickwinkeln wurde vereinfacht und fokussiert sich alleinig auf den Blickwinkel von Rachael, die von Keira Knightley gespielt wird. Die wilden Kinder, die im Roman so wichtig sind, spielen in dem Film keine Rolle. Bei Rachael und Lewis geht es nur um ihren gestorbenen Sohn. Im Buch jedoch gibt es einen weiteren Sohn, er ist elf Jahre und lebt mit ihnen in Hamburg.
Sie sind gebürtiger Waliser. Wie kamen Sie auf die Idee zu „Niemandsland“, eine ziemlich deutsche Geschichte?
Die Grundkonstellation, dass sich eine walisische Familie das Haus mit einer deutschen Familie teilt, und dies nur ein Jahr nach dem Krieg, basiert auf den Erlebnissen meiner eigenen Familie. Diese einzigartige und radikale Entscheidung traf mein walisischer Großvater, Walter Brook. Der Roman wurde durch etwas inspiriert, was mein Großvater getan hatte, während er als britischer Gouverneur in einem Viertel in der Nähe von Hamburg diente. Im August 1946 kamen britische Familien nach Deutschland, um mit Soldaten der britischen Zone wieder vereint zu sein. Es gab einen Mangel an Unterkünften, so dass die Briten Häuser beschlagnahmten und die deutschen Besitzer in Quartieren unterbrachten. Mein Großvater schaute sich ein Haus an, welches für ihn beschlagnahmt wurde. Aber anstatt die deutsche Familie zu bitten, das Haus zu verlassen, entschied er sich für den radikalen und – soweit meine Recherche zeigte – einzigartigen Weg, die Familie bleiben zu lassen. Die beiden Familien lebten letztendlich sechs Jahre gemeinsam unter einem Dach. Ich habe diese wahre Geschichte übernommen und sie zu meiner eigenen gemacht. Die Charaktere in meinem Roman sind jedoch Fiktion. Zudem benötigte es im Hinblick auf die Geschehnisse ein wenig poetische Freiheit.
Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von Rhidian Brook
Was an Wunderbarem kann Ihr Roman, kann Literatur, was der Film nicht leisten kann?
Ein Roman kann sich auf eine Art und Weise mit dem „Unsichtbaren“ auseinandersetzen, mit dem Innenleben der Charaktere. Ein Film ist im Wesentlichen ein visuelles und „äußeres“ Medium.
Und was kann ein Film, was einem Buch nicht glücken kann?
Ein Film kann eine Geschichte komprimieren sowie intensivieren und liefert mit allen Elementen – den Bildern, dem Ton, der Musik – ein verstärktes Erlebnis, welches, wenn es funktioniert, anderweitig kaum erreicht werden kann. Aber ich glaube, dass ein Film nicht die gleiche Vorstellungskraft erzeugen kann, wie es das Lesen eines Buches ermöglicht.