Yasmin Polats Heldin nutzt die sozialen Medien und leidet unter ihnen
Was ist eine gute Mutter und wie wird man eine? Es wird immer nur davon gesprochen, wie erfüllend es sei, sich um das eigene Kind zu kümmern, doch so fühlt sich Miryams Leben gar nicht an. Seit ihr Kind auf der Welt ist, plagen sie Selbstzweifel und sie leidet an einer postnatalen Depression. Dabei spielen natürlich auch die sozialen Medien eine Rolle: Sich mit anderen zu vergleichen macht nicht immer glücklich, schon gar nicht, wenn der Druck groß ist, sich als permanent strahlendes Mutterwesen zu inszenieren.
Ihre eigene Kindheit war geprägt von belastenden Erfahrungen
Die Heldin von Yasmin Polats Roman „Im Prinzip ist alles okay“ ist eine moderne Frau um die 30, die nicht nur mit den ganz gewöhnlichen Schwierigkeiten kämpft, denen sich eine junge Mutter in unserer Zeit ausgesetzt sieht. Dies erfahren wir von der Ich-Erzählerin abschnittsweise, wenn sie zurückblickt in die eigene, belastete Vergangenheit.
Sie will nicht ihre eigene gewaltvolle Kindheit wiederholen
Das Muttersein bringt Miryam dazu, sich mit ihrer eigenen Kindheit und Familienvergangenheit auseinanderzusetzen. Und die war alles andere als behütet: Yasmin Polats Hauptfigur war schon als Kind Gewalt ausgesetzt, auch ihre Mutter und ihr Bruder litten unter den körperlichen und psychischen Angriffen des Vaters. Längst sind nicht alle Wunden vernarbt.
Auf wen kann sie sich verlassen? Und was heißt „selbstbestimmt“?
Ausgerechnet jetzt, da sie selbst Mutter geworden ist und ihre eigene Beziehung zum Vater ihres Kindes Sollbruchstellen zeigt, werden ihr diese Dinge schmerzhaft bewusst. Verbirgt ihr Mann etwas vor ihr? Auf wen und was kann sie sich noch verlassen? Und wird es ihr gelingen, ein selbstbestimmtes Leben zu erkämpfen?
Trotz der ernsten Themen gelingt Yasmin Polat ein humorvoller Ton
Obwohl „Im Prinzip ist alles okay“ von zutiefst ernsten Themen wie toxischen Beziehungen, Familiendynamiken und Depression handelt, gelingt Yasmin Polat ein positiver, mitunter humorvoller und ironischer Erzählton. Der so kluge wie niveauvolle Roman liest sich angenehm und unterhaltend. Man fühlt mit der Hauptfigur mit, schließt sie ins Herz, wünscht ihr, sie möge sich aus der gefühlten Fernsteuerung durch andere und die eigene Vergangenheit befreien.
„Im Prinzip ist alles okay“ ist brandaktuell und hat mit uns allen zu tun Auch die von Julia Meier interpretierte Hörfassung ist grandios geglückt. Ihre markante Stimme bringt genau die Ausdrucksstärke mit, die es für diesen weichen Text über harte Themen braucht. Die Schauspielerin bringt stets an den richtigen Stellen Yasmin Polats feinen Humor zum Klingen. „Im Prinzip ist alles okay“ ist ein Roman und Hörbuch, über das man noch lange nachdenkt, weil es so viel Wahrheit enthält und mit uns allen zu tun hat.