Anna Freud ist die Tochter des weltbekannten Psychoanalytikers
Anna Freud, Tochter des weltbekannten Psychoanalytikers Sigmund Freud, steht in seinem großen Schatten. Als jüngstes Familienmitglied wohnt sie noch bei ihren Eltern und arbeitet als Lehrerin, obwohl sie sich auch für die Studien ihres Vaters interessiert. Anna ist das letzte Kind der sechs Geschwister, das nicht verheiratet oder in den Krieg gezogen ist. Tag für Tag steht sie ihrer unliebsamen Mutter gegenüber, die ihr immer wieder verdeutlicht, dass sie Anna nicht haben wollte. Pünktlich zur Essenszeit taucht Sigmund Freud aus seinem Büro und Praxis auf, um danach wieder zu verschwinden und sich seiner Analyse zu widmen.
Sigmund Freud therapiert auch die eigene Tochter
Bei einem seiner Patienten lässt Freud seine Tochter mitanalysieren. Anna sieht den fiktiven Stadlober zwar nie, doch führen sie über ihn Gespräche und bald kennt sie seine Vergangenheit und seine Probleme besser als er selbst. Als Annas Neugier weiter wächst, trifft sie sich mit dem Patienten hinter dem Rücken ihres Vaters. Dabei lernt sie ihre eigenen Schwächen kennen und bittet ihren Vater sie zu therapieren – sie vermutet, irgendetwas stimme mit ihr nicht. Anna wächst in diesen Therapiestunden und kommt auch ihrem Vater näher. Am Ende muss die Familie Freud nach London fliehen, denn die Nazis schränken ihrer Freiheit ein und bedrohen ihr Leben.
Tom Sallers „Ich bin Anna“ wird aus zwei Perspektiven erzählt
Tom Sallers Roman „Ich bin Anna“ kann man einer Reihe von Analysen unterziehen. Man erfährt die Geschichte aus zwei Perspektiven: aus der Sicht von Sigmund Freud und aus der von Anna. Die Kapitel berichten vom selben Zeitraum, aber die Wahrnehmungen sind dabei ganz unterschiedlich.
Die Freud-Familie ist geprägt von Eifersucht, aber auch Liebe
Die Freud-Familie ist allgemein eine interessante Konstellation, geprägt von Eifersucht und Neid, aber auch Liebe und Hilfsbereitschaft. Anna redet ihre Mutter mit „Mutter“ an, ihren Vater mit „Papa“. Eine Anspielung auf ihre innerliche Nähe? Lesende in der heutigen Zeit bemerken die gewaltigen Unterschiede in der Denkweise und dem Bewusstsein einer freien Gesellschaft und der damals trüben, traurigen und auch hoffnungslosen Einstellung zum Leben.
„Ich bin Anna“ ist ein gehaltvoller und gefühlsbetonter Roman
Tom Saller ist es gelungen, einen gehaltvollen, tiefgründigen und gefühlsbetonten Roman zu schreiben. Da Sigmund Freud einen Großteil seiner Mitschriften und Aufzeichnungen vernichtete, ist es auch für Biographen schwer, sein Leben und Werk vollumfänglich zu erschließen. Umso eindrucksvoller ist Tom Sallers Erzählung, die einige Abweichungen von der verbrieften Geschichte aufweist, was für die Entwicklung des Romans ein Glücksfall ist. Schließlich ist „Ich bin Anna“ keine wissenschaftliche Biographie, sondern eine stimmungsvolle Lebensgeschichte. Das Buch ist für alle Freud-Freunde zu empfehlen, aber auch jedem, der sich für eine Analyse des Wiener Lebens im 20. Jahrhundert begeistern kann.