Dr. Hoffmann ist Klinikarzt. Wegen zweier Leichen wird er zum Ermittler. Arzt und Autor Christoph Spielberg über den Helden seines Krimis „Die russische Spende“.

Arzt und Autor Christoph Spielberg im Interview über seinen Kriminalroman „Die russische Spende“

Die russische Spende. Interview

Herr Spielberg, Ihr Kriminalroman „Die russische Spende“ blickt auf eine Entwicklung zurück, die selbst schon eine erzählenswerte Geschichte ist: Erstmals ist Ihr Buch 2001 im Piper Verlag erschienen. Zehn Jahre später wurde es ins Englische und Japanische übersetzt. Fast 20 Jahre später wurde es für die ARD verfilmt. Jetzt legt es der HELLER VERLAG neu auf. Was bedeutet es Ihnen, dass Ihr Werk noch einmal neu starten darf?

Selbstverständlich freut mich diese Wiederauferstehung: Ich bin dem HELLER VERLAG dankbar dafür und habe Respekt vor seinem Mut. Der Verlag und ich haben gemeinsam entschieden, die Handlung des Werkes nicht in die Gegenwart zu verpflanzen. Und sind nun überrascht, wie unverändert aktuell es in fast allen Aspekten trotzdem ist.

Die Themen, um die es in „Die russische Spende“ geht, sind tatsächlich brandaktuell: defizitäre Krankenhäuser, Privatisierungen, zwielichtige Geldbeschaffungsmaßnahmen, Russenmafia. Ändert sich in unserem Gesundheitssystem nichts zum Besseren?

Patienten – also potentiell wir alle –, die Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte, alle klagen, manchmal sogar die Pharmaindustrie. Aber würden Sie lieber in England mehr als ein Jahr auf eine Operation warten? Oder einen Kredit aufnehmen, um in den USA behandelt zu werden? Letztlich haben wir in Deutschland, bei aller berechtigten Kritik, eine der besten Patientenversorgungen der Welt auf höchstem medizinischem Niveau. Und zwar für jeden, nicht nur für Privatpatienten. Auch wenn meine Hauptfigur Dr. Hoffmann weiterhin auf Missstände aufmerksam machen wird. Und wie sein Autor froh ist, dass er nicht für die Gesundheitspolitik verantwortlich ist – ein höchst undankbarer Job!

Gab es eine Initialzündung, ein Schlüsselerlebnis, weshalb Sie sich die Geschichte von „Die russische Spende“ ausgedacht haben?

Na ja, ich habe in einem Großkrankenhaus im Lande Brandenburg beobachtet, wie viele der Dienstleistungen „outgesourced“ wurden und der kaufmännische Geschäftsführer offenbar immer wohlhabender wurde.

Das heißt Ihre Geschichte hat einen sehr realen Hintergrund. Im Mittelpunkt der Handlung von „Die russische Spende“ steht der Arzt Dr. Felix Hoffmann, der einen Toten in die Notaufnahme bekommt. Sie sind selbst Arzt und haben an mehreren Krankenhäusern gearbeitet. Passiert es häufiger, dass Tote angeliefert werden?

Es passiert jedenfalls, bedingt durch unser segensreiches System der Notarztwagen und Rettungshubschrauber. Da kommt es schon vor, dass der Patient das Krankenhaus trotz aller Bemühungen und mobiler Hightech nicht mehr lebend erreicht. DOA, also „Dead on arrival“, heißt das international.

Der Tote war Reinigungskraft im Krankenhaus und er war auch mal Patient von Dr. Hoffmann. Verstörend ist die Sache mit dem Totenschein …

Was mich immer wieder wundert: Jeder approbierte Arzt, egal welcher Fachrichtung oder tatsächlicher Kompetenz, darf in Deutschland einen Leichenschauschein ausstellen. Ein Präsident des Bundeskriminalamts hat einmal sinngemäß formuliert: „Wenn auf jedem Grab eines Ermordeten, der angeblich eines natürlichen Todes gestorben ist, eine Kerze brennen würde, wären nachts alle Friedhöfe hell erleuchtet.“

Während Dr. Hoffmann versucht, das Rätsel um den zweiten Totenschein aufzuklären, verschwindet die Leiche und es gibt einen zweiten Toten.

Den gibt es tatsächlich – es handelt sich um den Verwaltungsdirektor der Klinik, den man erhängt auffindet. Wobei ich sagen möchte, dass ich eher sparsam mit Todesfällen umgehe. Ich finde Krimis, in denen alle paar Seiten Menschen umgebracht werden, langweilig und menschenverachtend.

Ihr Krimi hat einen ziemlich komplexen Plot. Haben Sie die Geschichte vor der Niederschrift komplett durchgeplant und durchdacht oder sind Sie eher der Autor, der Geschichte und Figuren im Laufe des Schreibens sich entwickeln lässt?

Ich gehöre zur zweiten Gruppe: Ich stelle mir eine Ausgangssituation vor und überlege dann, wie es dazu gekommen sein könnte und mit welchen „unerwünschten Nebenwirkungen“, wie wir in der Medizin sagen. Deshalb musste ich über einen Kommentar „ich wusste spätestens auf Seite 50 die Lösung“ oder so ähnlich lächeln und dachte „schön für Sie, ich nicht!“

Dr. Hoffmann ermittelt nicht allein – ihm zur Seite steht seine Geliebte Celine, eine Lehrerin. Die beiden genießen gerne gemeinsam Wein, gutes Essen und auch Sex. Wobei Felix Hoffmann es mit der Treue nicht so genau nimmt. Da Sie wie Ihre Hauptfigur Arzt sind, überlegt man natürlich schon: Wie viel hat Dr. Hoffmann mit seinem Erfinder Dr. Spielberg gemeinsam. Verraten Sie es uns?

Es gehört zu den vielen lustigen Erfahrungen mit der Dr.-Hoffmann-Serie: Immer wieder treffe ich Kollegen, die sagen „Toll, wie du den Kollegen XY beschrieben hast. Habe ihn sofort erkannt!“ – ich aber beim Schreiben überhaupt nicht an diesen Kollegen gedacht habe. So hat Dr. Hoffmann bestimmt einiges mit seinem Schöpfer gemeinsam. Wahrscheinlich mehr, als mir bewusst ist. Auf jeden Fall gilt, was die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer kommentiert hat: „Dr. Hoffmann ermittelt auch in unserer eigenen Sache.“

Was bringt Dr. Hoffmann auf die Hypothese, in dieser ganzen Angelegenheit könnten mafiöse Strukturen eine Rolle spielen?

Letztlich ist es die clevere Celine, die ihn auf diese Spur bringt. Felix Hoffmann ist ein ausgezeichneter Arzt, als Mensch jedoch manchmal etwas naiv.

In welcher Beziehung stehen Celine und Dr. Hoffmann zueinander?

Das Schöne finde ich, dass es sich um eine Beziehung auf Augenhöhe handelt, in die jeder seine Stärken einbringt. Dementsprechend wichtig ist Celine mit ihrer Paarung aus Intelligenz und Cleverness. Sie ist daneben die Tatkräftigere und Entschlossenere von den beiden, wenn es um die Lösung der Kriminalfälle des Dr. Hoffmann geht.

Im Laufe seiner Recherchen wird es auch für Dr. Hoffmann unangenehm: In seine Wohnung wird eingebrochen, sein Auto wird demoliert. Gerät er auch in Lebensgefahr?

Soll ich das verraten? Es stört mich jedenfalls in Krimis, wenn diesem Spannungselement zu viel Raum eingeräumt wird, denn Leser und Leserinnen wissen doch: Das Buch hat noch über 100 Seiten und ist außerdem Teil einer Reihe, da wird der Autor seinen Protagonisten schon nicht sterben lassen!

Arbeiten Sie derzeit auch wieder an einem Kriminalroman?

Na klar. An Nummer neun in der Dr.-Hoffmann-Serie. Zum Glück weiß ich wenigstens schon die Ausgangssituation: Hoffmanns guter Freund, der Laborarzt Michael, ruft ihn mitten in der Nacht an und verlangt, dass Hoffmann bei einer toten Laborantin (Genickbruch) eine „natürliche“ Todesursache auf dem Leichenschauschein bescheinigt. Ist Hoffmanns Freund ein Mörder? Will er einen Unfall vertuschen? Unser Doktor weigert sich, das zu glauben, aber sein Freund macht ihm das nicht leicht. Ich bin gespannt, was da tatsächlich gelaufen ist!

Das Börsenblatt des deutschen Buchhandels stellt Sie in eine Reihe mit schriftstellernden Arztkollegen wie Alfred Döblin, Gottfried Benn und Uwe Tellkamp. Was motiviert gerade Ärzte recht häufig zum Schreiben und was speziell Sie? Fühlen Sie sich als Mediziner unterfordert?

Genau! [lacht]. Ein zweites Argument dürfte der Ausgleich zur beruflichen Belastung sein. Viele meiner Kollegen musizieren oder malen. Für Ärzte als Schriftsteller spricht ihr berufsbedingter Einblick in viele verschiedene Schicksale und menschliche Eigenarten.

Und warum schreiben Sie gerade Krimis?

Ich denke, das Vorgehen des Arztes beim Suchen nach der richtigen Diagnose ist ähnlich der eines Kriminalisten: Es gibt die körperliche Untersuchung, die entspräche der Tatortanalyse. Es gibt Laborwerte, das sind die Indizien. Und in der Medizin gibt es sogar immer mindestens einen Zeugen, den Patienten. Wobei der Arzt, wie der Kriminalbeamte, diesen Zeugen vorsichtig steuern und seine Aussage richtig einordnen muss. Und wie beim Kriminalisten kann man auch auf eine falsche Spur kommen.

www.heller-verlag.de

ISBN 978-3-929403-74-9

348 Seiten

€ 14,9

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