ISBN 978-3-929403-72-5

ca. 208 Seiten

€ 16,90

Max Claro entwirft in seinem Roman „Der Mann, der aus dem 3D-Drucker kam“ eine erschreckende Vision. Ein Interview über die Zukunft der Menschheit.

Max Claro im Interview über seinen Roman „Der Mann, der aus dem 3D-Drucker kam“

Der Mann, der aus dem 3D-Drucker kam

Herr Claro, Ihr Roman „Der Mann, der aus dem 3D-Drucker kam“ handelt von einem 69-jährigen Münchner Schauspieler, der im Jahr 2060 den Traum vom ewigen Leben wahrmachen will.

Zunächst will sich Walter Fabricius, der Protagonist, eigentlich umbringen. Nach dem Tod seiner geliebten Ehefrau und dem Ausbleiben von Engagements verstärkt sich seine Altersdepression. Bis er von der Möglichkeit erfährt, sich in Zürich einscannen und in Bangkok, um 35 Jahre jünger, um zahlreiche Makel bereinigt, mit frischer Potenz ausgestattet, krankheitsresistenter und widerstandsfähiger in einem neu entwickelten 3D-Biodrucker ausdrucken zu lassen. Ich glaube dieser Gedanke hat für viele ältere Menschen, die es sich leisten könnten, seinen Reiz.

Sie beschreiben sehr genau, wie das Duplikat von Walter Fabricius hergestellt wird. Wieviel davon geht tatsächlich und was garantiert nicht?

Was jetzt schon geht: Unkaputtbare Gelenke und Zahnimplantate aus dem 3D-Drucker. Was 2060, im Handlungsjahr des Romans, mit hoher Wahrscheinlichkeit gehen wird: Ausdruck bestimmter Organe wie Haut, Niere, Herz und Lunge mit angezüchtetem Eigengewebe aus dem 3D-Biodrucker. Was garantiert nie gehen wird: 3D-Bioausdruck eines kompletten Gehirns mit all seinen neuronalen Vernetzungen und des Rückenmarks.

Obwohl einige Studien besagen, dass sich das Wissen der Menschheit jedes Jahr verdoppelt, dürfen wir nicht vergessen, dass die Entwicklung vom Einzeller bis zum Urmenschen rund 3,5 Milliarden Jahre gedauert hat. Diese enorme Zeitspanne erklärt viele Wunder der Natur. Die letzten und die nächsten 1.000 Jahre sind evolutionsgeschichtlich kürzer als die Dauer eines Wimpernschlags. Selbst die modernsten Quantencomputer und 3D-Biodrucker werden nie vollumfänglich das größte Wunderwerk der Natur erschaffen können: den Menschen. Es sei denn, man nimmt – wie im Buch – kleine Fehler mit großer Auswirkung in Kauf.

Ihr Protagonist gibt sich nicht mit seinem altersgemäßen Körper zufrieden – er lässt sich optimieren. Worauf legt er hierbei Wert?

Viele Frauen und Männer sind Dauergast beim Schönheitschirurgen. Der 69-jährige Walter Fabricius steht nackt vor einem großen Spiegel in seinem Züricher Hotelzimmer. Und was sieht er da? Schmerbäuchlein, faltige Haut, Schlupflider, schütteres Haar und sogar einen Pigmentfleck auf der rechten Schläfenseite. Wer würde da nicht gerne die Zeit um ein paar Jährchen oder sogar Jahrzehnte zurückdrehen? Und wenn dann, wie beim Mann aus dem 3D-Drucker, Zähne, Knochen und Gelenke lebenslang halten, der Alterungsprozess stark verlangsamt wird und man noch eine Portion Potenz oben drauf bekommt, würde kaum jemand ein solches Angebot ablehnen.

Weil Sie es gerade ansprechen: Warum haben Sie eine männliche Hauptfigur gewählt. Sind Frauen nicht noch häufiger auf die Optimierung ihres Körpers bedacht?

Richtig! Das wird auch im Buch thematisiert. Aber die Brieftasche der ungerechterweise im Jahre 2060 immer noch besser verdienenden Männer ist dicker und die Fortpflanzungsorgane der Frauen sind komplizierter. Es wird jedoch eine Lösung in Aussicht gestellt.

Bei der Fabrikation des 3D-Manns, die im NewLife Institute in Bangkok geschieht, geht leider etwas schief …

Ja. Etwas sehr Bedeutsames! Aber ich will hier die Spannung nicht vorweg nehmen. Das darf der Leser schrittweise selbst entdecken.

Kaum ist der neue Walter fertig, gerät er in große Schwierigkeiten …

Er beschließt eines Tages, als seine psychische und physische Aufbauphase noch nicht vollends abgeschlossen und er noch auf die Unterstützung eines Exoskeletts angewiesen ist, die Klinik zu verlassen. Da sind die Probleme in der Millionenmetropole Bangkok vorprogrammiert. Schließlich hat „der Mann, der gerade aus dem 3D-Drucker kam“ kein Geld und ist nur mit einem hinten offenen Krankenhaus-Flügelhemd bekleidet. Dazu drohen die Akkus seines Exoskeletts leer zu laufen und er bekommt, wie jeder normale Mensch, irgendwann Durst und Hunger.

Ihr Roman befasst sich nicht nur damit, wie ein Mensch nachgebaut werden kann, sondern er entwirft auch ein Bild unserer zukünftigen Welt. Sie schildern modernste Fortbewegungsmittel, Auswirkungen der Klimakatastrophe und zeigen Eingriffe ins menschliche Gehirn auf, die in naher Zukunft tatsächlich möglich sein könnten. Wie stehen Sie zu dieser von Ihnen erdachten Zukunftswelt?

In puncto Klimawandel ist die Technik auf dem richtigen Weg: weg von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien. Deshalb kann Walter 2060 auch mit einer wasserstoffbetriebenen Flugtaxi-Drohne von München nach Zürich fliegen. Allerdings werden Politiker und auf Gewinnmaximierung bedachte Firmenbosse – beides gehört irgendwie zusammen – die Anwendung der technischen Möglichkeiten länger als nötig hinauszögern. Der Klimawandel wird unumkehrbar und Hungersnöte, Überschwemmungen und andere furchtbare Katastrophen werden gewaltig zunehmen. Einen kleinen Vorgeschmack gibt der Killer-Monsun, den der „Mann aus dem 3D-Drucker“ erlebt.

Meine intensiven Recherchen haben mich zu der Überzeugung gebracht, dass gezielte Eingriffe ins Gehirn, inklusive Chip-Implantationen, deutlich mehr Nutzen bringen als Risiken bergen. Schwere Erkrankungen wie Parkinson und Epilepsie könnten beherrscht werden und entsprechend behinderten Menschen die Möglichkeit zu sehen, zu hören und sich auszudrücken zurückgeben. Als Foltermethode sind Eingriffe ins Gehirn völlig ungeeignet, da das Gehirn selbst schmerzfrei ist und bereits im Mittelalter deutlich effektivere Methoden entwickelt wurden, Menschen zu quälen. Die Möglichkeit, gegen den Willen des Betroffenen seine geheimsten Gedanken auszulesen, wird jedoch noch sehr lange ein unerfülltes Wunschdenken von Geheimdiensten und Diktatoren bleiben.

Man kann den Fortschritt nicht aufhalten und soll es auch gar nicht erst versuchen. Das meiste daran ist nach meinem optimistischen Weltbild gut, erleichtert und verlängert unser Leben. Einige Entwicklungen fallen uns jedoch früher oder später auf die Füße und wir sollten oder müssen zurückrudern.

 

Können Sie Beispiele nennen?

Gerne. Dazu muss ich aber nicht in die Zukunft blicken. Smartphones sollten so voreingestellt sein, dass sie sich nach zwei Stunden täglichem Gebrauch automatisch abschalten. Landminen, Vakuum-, Wasserstoff- und Atombomben sollten weltweit geächtet werden.

„Der Mann, der aus dem 3D-Drucker kam“ spielt in München, aber auch in Zürich, Bangkok und Pattaya. Haben Sie die Orte, die Hotels und Sehenswürdigkeiten, die Sie beschreiben, selbst besucht und bereist?

In München bin ich aufgewachsen, Zürich kenne ich gut, den Zürichsee, die Landiwiese, das Schauspielhaus, den Schweizerhof und die Kronenhalle. Allerdings habe ich nie im Schweizerhof übernachtet. Ein Ärztehaus, das der Beratungsklinik ähnelt und die Gartenlaube, die bei der Zyankaliproduktion eine Rolle spielt, gibt es dort auch. Die Locations in Bangkok wie Lumpini Park, Sukhumvit Road und den Sri Nakhon Park kenne ich von zahlreichen Besuchen dort ebenso gut wie die Soi Bukao und den Phra Tamnak-Berg in Pattaya.

Wo haben Sie Ihren Roman geschrieben?

Überwiegend in Bangkok und Pattaya, als mich die Kälte mal wieder aus Deutschland in das Land des Lächelns trieb.

Was inspirierte Sie zu dieser Science-Fiction-Story?

Die Diskrepanz zwischen dem latent vorhandenen Jugendwahn und der zunehmenden Überalterung unserer Gesellschaft beschäftigt mich schon lange. Ist „forever young“ wirklich erstrebenswert? Jeder, der sich auf einem Foto nicht gefällt, kann sich heute unschwer mit einem Bildbearbeitungsprogramm verjüngen, verschönern, vergrößern oder verschlanken. Da kam mir der Gedanke was wohl wäre, wenn das nicht nur zweidimensional, sondern auch in 3D und mit lebenden Menschen ginge? Eine weitere Inspiration gab mir ein Artikel über Elon Musks Unternehmen Neuralink, das daran forscht, eine Verbindung zwischen dem menschlichen Gehirn und Computern herzustellen. Last but not least hat mich die Lebens- und Wesensart eines Sprachschulinhabers aus Pattaya inspiriert, die in Teilen in die Figur des Dodo eingegangen ist.

Wie verlockend erscheint Ihnen persönlich die Vorstellung, sich per 3D-Druck duplizieren zu lassen?

Nach dem, was ich für das Buch alles recherchiert hatte: Gar nicht mehr verlockend! Man darf natürlich träumen. Aber letztlich geht es nur darum, das einmalige Gastspiel, das wir auf diesem Planeten haben, optimal zu gestalten und die Erde, soweit es in unserer Macht steht, auch für zukünftige Generationen zu erhalten.

Als CIA-Agent, Pilot und Rettungssanitäter haben Sie in Ihrem Leben viel erlebt. Wenn Sie die Chance hätten, als neuer Max Claro noch einmal zu starten – was würden Sie anders machen?

Wenn man die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich alles genauso wieder tun. Ich hatte ein tolles Leben und bereue nichts. Bei einem Neustart in der heutigen Zeit sieht das allerdings anders aus. Ich würde heute nicht mehr für einen westlichen Geheimdienst arbeiten wollen. Da ist nichts mehr geheim. Alles wird geleakt oder in Ausschüssen zerredet. Den Rest besorgen Datenschutzverordnungen. Das persönliche Geschick eines Agenten ist kaum mehr gefragt. Wer geleakt wird, ist tot. Viele östliche Geheimdienste sind da im Vorteil, weil ihre Arbeit weder von Datenschützern noch von Ausschüssen behindert wird. Aber für die würde ich auch nicht arbeiten wollen. Der Pilotenberuf ist ebenfalls nicht mehr das, was er mal war. IT-Kenntnisse und Programmierfähigkeiten sind wichtiger geworden, als Fingerspitzengefühl und die handwerkliche Kunst des Fliegens. – Vielleicht würde ich wieder Fallschirmsprunglehrer werden, oder Tauchlehrer, oder zu den wenigen Piloten gehören wollen, die auch in Zukunft auf Flugtagen noch Oldtimer fliegen können.

Am Ende überraschen Sie mit einer Pointe, die man als Leserin und Leser so nicht auf der Platte hatte. War Ihnen das schon zu Beginn der Arbeit an dem Roman klar, dass er so enden würde?

Es gab von Beginn an vier Möglichkeiten: der verjüngte Walter aus dem 3D-Drucker stirbt, der alte Walter, also die Druckvorlage, stirbt, beide sterben oder beide überleben. Nach etwa einem Drittel des Buches hat sich beim Schreiben herauskristallisiert, welche Möglichkeit ich wählen würde.

www.heller-verlag.de

ISBN 978-3-929403-72-5

ca. 208 Seiten

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Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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