ISBN 978-3-492-70501-1

416 Seiten

€ 17,00

Im Paris des Jahres 1823 wird eine Schwester verkauft und zur Zwangsprostitution gezwungen. Kann Nina sie retten? Frau Bluhm liest Kester Grants „Der Hof der Wunder“ und trifft ein hartes Urteil.

Kester Grants Roman „Der Hof der Wunder” ist das literarische Debüt der britisch-mauritischen Autorin

Titelbild Der Hof der Wunder

©Richard A. Mcguirk shutterstock-ID 32507635


Frau Bluhm liest „Der Hof der Wunder“: 2 von 5 Blu(h)men

 


Ein Vater verkauft im Paris von 1823 seine Tochter

Paris, 1823. Nina muss miterleben, wie ihr Vater ihre geliebte Schwester verkauft. Um sie aus der Zwangsprostitution zu befreien, würde sie alles tun, selbst sich dem gewissenlosen Gildenführer Kaplan in den Weg stellen. Doch Nina ist ein junges Mädchen und völlig allein. Sie braucht Fähigkeiten und Verbündete. Daher schließt sie sich der Gilde der Diebe an, trainiert, raubt, betrügt und beugt das Gesetz. Als alles nichts hilft, beschließt sie dem Gildenführer einen Bluttausch vorzuschlagen: ihre Schwester gegen das Mündel ihres Vaters Ettie. Als Ettie zu einer hübschen und in jeglicher Hinsicht bezaubernden jungen Frau heranwächst, steht Nina unerwartet vor einem großen Problem: Soll sie die liebgewonnene neue Schwester wirklich gegen die alte eintauschen?

„Der Hof der Wunder“ ist eine Mischung aus Fantasy und historischem Roman

Kester Grants Debüt „Der Hof der Wunder“ ist eine Mischung aus Fantasy und historischem Roman. Verwoben mit realen Fakten, ist die Handlung spannend und die verwendete Sprache lebhaft und authentisch. Die Autorin macht zwei bedeutende Werke der Weltliteratur zur Grundlage ihres Werks: Paris wird zu einer Art Urwald, in dem alle à la Dschungelbuch ums Überleben kämpfen. Außerdem durchsetzt Kester Grant ihren Roman mit bekannten, aber verfremdeten Handlungselementen, in denen vor allem Namen aus „Die Elenden“ von Victor Hugo auftauchen. Kann man ja alles machen, aber nur, wenn man eine gewisse Sorgfalt anwendet. Leider ist das bei „Der Hof der Wunder“ nicht unbedingt der Fall.

An Kester Grants Roman gibt es allerhand zu kritisieren

Die Geschichte bleibt in ihrer Komplexität zu wenig ausgeschmückt. Oft fehlen Orts- und Personenbeschreibungen. Das erschwert es Leser und Leserin, in die Handlung hineinzufinden. Auch die Beweggründe, wegen derer die Protagonisten handeln, bleiben oftmals im Dunkeln. Eigentlich könnte man die Handlung in einem kurzen Satz zusammenfassen: Nina rettet Ettie. Das ist mir zu wenig. Insbesondere, weil keine der zahlreichen Personen, die auftauchen – mit Ausnahme von Ettie – einen glaubwürdigen Charakter verpasst bekommt.

Die Handlung weist verstörende Widersprüche auf

Nina selbst ist dabei das größte Problem. Ganz zu Anfang wird sie als unscheinbar und hässlich beschrieben. Auch sie selbst beschreibt sich später so. Wie kommt es dann, dass jeder männliche Protagonist sofort und unwiderruflich von ihr eingenommen ist? Vom Anführer der Studentenrevolte über den Verbrecher Jean Valjean bis hin zum Prinzen von Frankreich: Alle Männer hängen an Ninas Lippen und riskieren ihr Leben für sie. Warum das so ist? Ich habe keine Ahnung, denn die Autorin liefert hierzu keinerlei Anhaltspunkte. Vielleicht liegt es daran, dass Nina einfach alles kann und als einzige Figur der Geschichte so schlau ist, dass sie das große Ganze begreift? Auch hier macht Kester Grant aber nichts aus ihrer Grundidee. Ninas Pläne bleiben geheim und am Ende kommt stets die Erklärung, dass alles genau so geplant war. Es ist einfach merkwürdig, wenn man beim Lesen ständig das Gefühl hat, dass diese Hauptfigur einfach drauf los agiert, ohne jemals nachzudenken.

Am meisten stört mich aber etwas ganz anderes

Die Anlehnung an das Victor Hugos „Les Miserables“ stört mich aber am allermeisten. Was ich zunächst als Zufall wahrnahm, weil aus dem Literaturklassiker bekannte Namen auftraten, verfestigte sich später in der Handlung; teilweise zitiert Kester Grant ganze Passagen. Zum Beispiel singt einer von Ninas Verehrern, nachdem er auf der Barrikade angeschossen wird, „der Regen bringt die Blumen zum wachsen“. Das wirkt angesichts der anrührenden Original-Szene, in der Eponine ihren eigenen Tod beweint, lächerlich.

Mein Fazit über „Der Hof der Wunder“ ist ernüchternd

Alles in allem weiß dieses Buch einfach nicht wirklich, was es sein möchte. Eine Neuerzählung bekannter Romane? Jugendfantasy? Ein historischer Roman? Kester Grant hätte sich entscheiden sollen, denn ihre Grundidee ist ja noch nicht mal schlecht. Schade.

ISBN 978-3-492-70501-1

416 Seiten

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Frau Bluhm

Geboren 1984 in Aschaffenburg, studierte Katharina Bluhm Psychologie und arbeitet seither als Erzieherin. Sie liebt Bücher und Filme. Seit 2017 bewertet sie in ihrer Kolumne „Frau Bluhm liest“ für BUCHSZENE.DE mit Begeisterung, aber auch kritisch Bücher jeden Genres. Sie lebt mit ihrer Familie in Aschaffenburg.

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