Das Lied des Propheten Paul Lynch

ISBN 978-3-608-98822-2

320 Seiten

€ 26,00

Die Geheimpolizei regiert, Gewalt gehört zum Alltag. Paul Lynchs dystopischer Roman „Das Lied des Propheten“ wurde mit dem Booker Prize ausgezeichnet.

In „Das Lied des Propheten“ beschreibt Paul Lynch ein Irland, in dem die Demokratie abgeschafft wurde

Das Lied des Propheten bestseller check

Keine Meinungsfreiheit, keine Reisepässe, kein legales Verlassen der Insel

In einem dystopischen Irland ist die Demokratie Vergangenheit und eine radikale Regierung und die Geheimpolizei unterdrücken die Bevölkerung mit Gewalt. Meinungsfreiheit existiert nicht mehr, Proteste werden zurückgedrängt und viele Menschen werden ohne Begründung inhaftiert und gefoltert. Das Ausreisen wird verboten und es werden keine Reisepässe mehr ausgestellt. Den Bürger*innen ist das legale Verlassen der Insel unmöglich. In der Folge breitet sich eine Massenflucht nach Kanada, USA, Großbritannien und Australien aus, doch viele Flüchtige werden gefasst, inhaftiert oder hingerichtet.

Im Zentrum von „Das Lied des Propheten“ steht eine normale Familie

Eilish und Larry leben mit ihren vier Kindern in Dublin und versuchen das Beste aus der schwierigen Situation zu machen. Eilish hat bereits versucht mit ihrer Familie zu ihrer Schwester nach Kanada auszureisen, doch sie erhält keine Reisepässe. Als Larry verhaftet wird und ihm nicht einmal ein Anwalt zur Verfügung gestellt wird, gibt Eilish sich alle Mühe ihre Kinder vor der Regierung zu beschützen. Sie kann aber nicht verhindern, dass ihr ältester Sohn sich der Rebellion anschließt und sein Leben aufs Spiel setzt, um die demokratische Ordnung zurückzubringen. Die Mutter versucht verzweifelt, ihre Familie zusammenzuhalten und sie in Sicherheit zu bringen. Dabei hat sie mit den familiären und politischen Verhältnissen stark zu kämpfen.

Warum Paul Lynch keine Anführungszeichen und Absätze verwendet?

Das Erste, was einem an Paul Lynchs Roman „Das Lied des Propheten“ auffällt, ist die stilistische Wahl, keine Anführungszeichen oder Absätze zu verwenden. Vielleicht zeigt diese schnelle Aneinanderreihung, dass für die Demokratie die Zeit davonläuft. Der Text fließt nur so dahin, als wäre der Fluss aus Wörtern gar nicht mehr aufzuhalten und wird bald zu einem Meer aus autoritären Regimen. Dieser deutliche Aufruf zu Rettung der Demokratie lässt sich nur unschwer überlesen, während andere subtile Hinweise, zum Beispiel wie man die Demokratie denn retten könnte, fehlen.

Bleibe ich in meinem Heimatland oder wage ich die Flucht?

Paul Lynch fokussiert sich auf eine Familie, die sich bewusst ist, dass ihr Land unsicherer wird und dennoch bis zum Schluss die Hoffnung hat, dass alles vorübergeht und ihnen schon nichts passieren wird und sie glücklich zusammenleben können. Dabei wird auch die Verantwortung deutlich, die Eltern gegenüber ihren Kindern haben. Natürlich verurteilt man als Leser*in die unverantwortlichen Eltern, die zu lange gewartet haben, ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Doch man versteht auch den Zwiespalt, die Entscheidung treffen zu müssen: Bleibe ich im Heimatland oder flüchte ich an einen Ort, den ich nicht kenne?

„Das Lied des Propheten“ ist inspiriert von Syrien und der Flüchtlingskrise

Sicherlich herrschen in Irland derzeit keine so katastrophalen Zustände wie sie Paul Lynch beschreibt. Irland ist ein souveräner demokratischer Staat, dem man nicht zutraut, verletzte Minderjährige zu töten und friedliche Proteste mit brutaler Gewalt aufzulösen, während das in anderen Ländern bittere Realität ist. Paul Lynch sagt, dass ihn der syrische Bürgerkrieg und die Flüchtlingskrise, zu seinem Roman „Das Lied des Propheten“ inspirierten. Doch es lassen sich auch Parallelen zum Nordirlandkonflikt, der NS-Zeit sowie zu allen anderen kriegerischen Auseinandersetzungen ziehen.

Ausgezeichnet mit dem renommierten Booker Prize – zurecht?

Paul Lynchs Werk wurde zurecht mit dem Booker Prize ausgezeichnet. Allerdings gibt es auch einige Ungereimtheiten, etwa dass Nordirland, immerhin ein Teil von Großbritannien, trotzdem als unsicher gilt und kein sicherer Zufluchtsort ist. Auch scheint, dass nur Irland ein Problem mit einem unterdrückenden Regime hat, während der Rest der friedlichen Welt zuschaut. Um diese Dystopie als mögliches Zukunftsszenario zu sehen, fehlen Hintergrundinformationen.

ISBN 978-3-608-98822-2

320 Seiten

€ 26,00

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/johanna-wimmer/" target="_self">Johanna Wimmer</a>

Johanna Wimmer

Geboren 2005 in Starnberg, interessiert sich Johanna Wimmer für Literatur und internationale Politik. 2020 veröffentlichte sie eine Kurzgeschichte in der Anthologie „Das wird man jawohl noch sagen dürfen“. In ihrem Literaturkanon müssten Brantenbergs „Die Töchter Egalias“ und Süßkinds „Der Kontrabaß“ zu finden sein.

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