Die schöne Star wird von Männern umflattert wie das Licht von Fliegen
Duchess ist dreizehn und lebt in einem Kaff in Kalifornien. Ihre Mutter Star ist eine Schönheit, die von den Männern des Orts umflattert wird wie das Licht von den Fliegen. Doch seit vor Jahren Duchess‘ Schwester ermordet wurde, ist Star ein gefallener Stern, sie landet in den falschen Betten und trinkt zu viel. Je mehr sie die Kontrolle über das Familienleben verliert, umso schwerer lastet die Verantwortung auf Duchess‘ jungen Schultern. Denn es gibt noch Robin, den sechsjährigen Bruder, der der intensiven Fürsorge bedarf.
Die Freilassung des verurteilten Mörders Vincent steht an
Für den Mord an Duchess‘ und Robins Schwester Sissy wurde seinerzeit ein Mann verurteilt, der ebenso fest zum engen Jeder-kennt-jeden-Gefüge der kleinen Stadt Cape Haven gehörte wie der gutherzige Ortspolizist Walk, der geldige Immobilienhändler Darke und der grobschlächtige Metzger Milton. Alle kennen sich seit Kindheitstagen, alle haben ihre Schwächen und Geheimnisse. Doch nun steht die Freilassung des einstigen Freunds und verurteilten Mörders Vincent King an. Und die ganze Stadt hat Angst: In welcher Verfassung wird Vincent zurückkehren?
Es geschieht ein zweiter Mord – eine Dreizehnjährige bewaffnet sich
Prompt geschieht ein weiteres Verbrechen: Star, die gelegentlich in einer heruntergekommenen Kneipe als Sängerin auftritt, wird eines Nachts Opfer einer schrecklichen Gewalttat und stirbt. Nun sind Duchess und Robin ganz allein auf sich gestellt. Duchess, die schon vor dem Tod der Mutter eine Trotzhaltung gegen alle und jeden außerhalb der Familie entwickelt hat, vertieft diese Einstellung noch. „Ich bin ein Outlaw“, sagt sie. Das Jugendamt und der der Familie sehr verbundene Polizist Walk sorgen dafür, dass Duchess und Robin zu ihrem Großvater nach Montana übersiedeln. Im weiteren Verlauf der Geschichte wird Duchess in den Besitz einer Pistole kommen und sich als talentierte Schützin erweisen. Diese Heldin weiß sich zu wehren.
Der kleine Bruder saß während der Tat im Schrank – was sah er?
Derweil nehmen die Ermittlungen im Mordfall Star ihren Lauf. Es stellt sich heraus, dass Robin während der Tat im Schrank saß und eigentlich den Täter gesehen haben müsste. Doch der Sechsjährige schweigt. Vincent King gilt als Hauptverdächtiger. Walk, der an Parkinson erkrankte, etwas dickliche Polizist, seit kleinster Kindheit mit Vincent befreundet, hält diesen für unschuldig und sammelt Beweise zu seinen Gunsten. Auch kontaktiert er die Familienrechtsanwältin Martha und bringt sie dazu, sich der Verteidigung Vincents anzunehmen. Zwischen Walk und Martha deutet sich die Chance auf eine Verbindung an, die über das reine Berufliche hinausgeht.
Am Ende geht es in Chris Whitakers Roman um drei Fragen
Zum Ende von Chris Whitakers Roman hin spitzt sich alles auf drei Fragen zu: Wer hat Star ermordet? Werden die beiden verlorenen Kinder eine neue, eine friedliche Heimat finden? Und: Wird die Sehnsucht des sympathischen Walk nach emotionalem Halt ein Ziel finden?
Wie gut ist Chris Whitakers Roman „Von hier bis zum Anfang“?
„Von hier bis zum Anfang“ zählt zweifellos zu den starken Romanen des Jahres. Chris Whitaker entwirft ein vielfältiges Personaltableau, dessen einzelne Charaktere er glaubwürdig und facettenreich gestaltet. Die Enge der Kleinstadt Cape Haven, die lebenslängliche Verbundenheit der einzelnen Protagonisten miteinander und die damit verknüpfte Ausweglosigkeit beschreibt er gekonnt. Weil Chris Whitaker zunächst die einzelnen Geschichten der Figuren sorgfältig erzählt, dauert es ein wenig, bis der Roman seine Sogkraft entfaltet. Sobald man jedoch den Überblick über die Schicksale gewonnen hat, nimmt die Story Fahrt auf.
Eine Hypothek muss „Von hier bis zum Anfang“ leider schultern
„Von hier bis zum Anfang“ ist ein guter Unterhaltungsroman mit Crime-Elementen. Die größte Hypothek, die er zu tragen hat, ist die Tatsache, dass vom Verlag bereits auf dem Cover der Eindruck erweckt wird, er könne von seiner Qualität her mit Delia Owens‘ Meisterwerk „Der Gesang der Flusskrebse“ mithalten. Dies ist nicht der Fall. Im Vergleich zu Delia Owens‘ facettenreicher Protagonistin Kya bleibt Chris Whitakers Duchess in ihrer Teenager-Trotzigkeit doch etwas eindimensional. Auch ist der von Delia Owens gewählte Schauplatz „Urwald“ wesentlich malerischer als die Kleinstadt Cape Haven aus „Von hier bis zum Anfang“. Dennoch garantiert Chris Whitakers Bestseller etliche Stunden absolut solider Unterhaltung. Und das ist doch schon mal was.