
Ein bewegender Briefwechsel über Grenzen, Mut und Menschlichkeit
Was passiert, wenn eine israelische Autorin und ein iranischer Fotograf beginnen, sich persönlich auszutauschen – mitten in einem geopolitischen Spannungsfeld? „Über den Hass hinweg. Briefe zwischen Tel Aviv und Teheran“ ist ein Buch, das nicht nur literarisch beeindruckt, sondern auch ein eindrucksvolles menschliches Zeugnis von Mut, Dialogbereitschaft und Hoffnung ist. Es erzählt von einem Dialog, der politisch verboten ist, aber emotional berührt und Hoffnung macht.
Ein Dialog, der nicht sein darf – und doch geschieht
Als die deutsch-israelische Autorin Katharina Höftmann Ciobotaru im September 2022 eine Nachricht auf Instagram erhält, glaubt sie zunächst an einen Exil-Iraner. Doch der Absender lebt tatsächlich in Teheran. Sein Name: Sohrab Shahname – ein Pseudonym, das ihn schützen soll. Denn im Iran könnte für ihn dieser Kontakt das Todesurteil bedeuten.
Was folgt, ist ein intensiver Briefwechsel über Literatur, Alltag, Familie, Politik und Geschichte. Besonders nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 wird der Austausch tiefgründiger. Shahname bekundet in einer Nachricht seine Anteilnahme – empathisch und offen. Für Höftmann Ciobotaru ein Schlüsselmoment: „Selbst einige meiner deutschen Freunde haben es nicht geschafft, so eine Nachricht zu schreiben.“
Menschlichkeit im Schatten der Weltpolitik
In ihrem Gespräch mit radio3 schildert Katharina Höftmann Ciobotaru eindrücklich, wie aus einer vorsichtigen Kontaktaufnahme eine Freundschaft wurde. Sie fragt: “Was ist dein Lieblingsort in Teheran – und warum?” und trifft damit den Ton des Buches: Es geht um Menschen, nicht um Regime. Um das, was verbindet, nicht um das, was trennt.
Shahname gewährt Einblick in eine Welt, die von Zensur und Repression geprägt ist. Gleichzeitig teilt er seine Liebe zu Kultur und die Erinnerung an das vorrevolutionäre Teheran. Seine Beobachtungen sind differenziert, seine Sehnsucht nach Freiheit greifbar.
Auch Höftmann Ciobotaru bringt ihre eigene Geschichte ein – die ihrer DDR-Vergangenheit, ihrer jüdischen Identität und ihres Lebens in Israel. Beide Seiten erkennen Parallelen in ihren Erfahrungen von Überwachung und Freiheit. “Wir wissen beide, dass man für Freiheit kämpfen muss,” sagt sie im Interview.
Ein literarisches Zeitzeugnis
„Über den Hass hinweg“ ist mehr als ein Buch. Es ist ein mutiger, aufrichtiger Versuch, Brücken zu bauen, wo Mauern errichtet wurden. Die Sprache ist persönlich, aber nie pathetisch. Die Briefe dokumentieren einen wachsenden Respekt, ein tieferes Verständnis und den Wunsch, sich trotz aller Umstände zu begegnen.
Das Werk findet Anerkennung bei Kritik und Publikum. Journalistin Düzen Tekkal bezeichnet es als „einen Ausblick darauf, wie sich Frieden anfühlen könnte, zwischen Israel und Iran“.
Für Sohrab Shahname war die Entstehung und Veröffentlichung des Buches ein persönliches Risiko – im Iran hätte der Kontakt zu einer israelischen Staatsbürgerin schwerwiegende Folgen haben können. Gleichzeitig eröffnete ihm der mutige Schritt einen Ausweg: Heute lebt er in Sicherheit – ein Weg, der ohne das Buch womöglich verschlossen geblieben wäre.
Quellen: radiodrei und penguin.de