Können wir unserer eigenen Erinnerung glauben?
„Lächeln“ enthält alle Besonderheiten, für die der Booker-Preisträger Roddy Doyle berühmt geworden ist: geschliffene Dialoge, einen hintergründigen Humor und eine Verneigung vor der Kindheit. Und doch zeigt dieser Roman auch eine überraschende neue Seite des Autors. Nachdem man die letzten Seiten gelesen hat, fragt man sich, ob man seiner eigenen Erinnerung trauen kann.
Ein Mann in einem rosa Hemd setzt sich im Pub neben Victor
Gerade in eine neue Wohnung gezogen und zum ersten Mal seit Jahren allein, geht Victor Forde in Donnelly’s Pub auf ein Bier. Dort bekommt er Gesellschaft. Ein Mann etwa in seinem Alter, in Shorts „mit großen, aufgesetzten Taschen für Schrotpatronen und tote Kaninchen“, und einem rosa Hemd, stellt sich als Fitzpatrick vor und setzt sich zu ihm.
Mit den Christlichen Brüdern verbindet Victor ungute Erinnerungen
Fitzpatrick kennt Victors Namen und erinnert sich an ihre gemeinsame Schulzeit. Victor mag ihn nicht. Auch mag er die alten Geschichten über ihre Zeit bei den Christlichen Brüdern nicht, die Fitzpatrick hervorkramt: „Der Französisch-Bruder, der war scharf auf deinen Arsch. Hab ich recht?“
Victor denkt an seine schöne und berühmte Ex-Frau – und an die Schule
Angeregt durch die Gespräche steigen auch andere Erinnerungen in Victor hoch – an Rachel, seine schöne Ex-Frau und Berühmtheit, an seinen eigenen Anspruch, etwas im Leben zu erreichen. Aber es sind die Erinnerungen an die Schule, an die Lehrer, vor allem an den einen Christlichen Bruder, die ihm am meisten Unbehagen bereiten.
Roddy Doyles Held grübelt und kommt zu einer schockierenden Erkenntnis
Mit der Zeit suchen Victor die lange verdrängten Ereignisse in immer kürzeren Abständen heim, sie verstören ihn und scheinen ihm schließlich fast den Verstand zu rauben. Bis er zu einer schockierenden Erkenntnis gelangt, die alles verändert. Dies alles löst Fitzpatrick in ihm aus, ein Mann, der von Anfang an etwas leicht Unheimliches an sich hat.
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Stephan Schad liest berührend und mit großer Eindringlichkeit
Der Roman des Booker-Preisträgers Roddy Doyle stellt auf faszinierend eindeutige Weise dar, was es bedeutet traumatisiert zu sein und welches Misstrauen Opfer häufig lebenslang gegenüber ihren Mitmenschen hegen. Zugleich ist „Lächeln“ eine couragierte Auseinandersetzung mit dem brisanten und tragischen Thema des Kindesmissbrauchs in der Katholischen Kirche. Rasant im Tempo, schockierend in seinen Szenen und berührend in seiner Menschlichkeit leistet „Lächeln“ einen Beitrag dazu, das Schweigen zu brechen und das Leid spürbar und sichtbar zu machen. Stephan Schad liest diesen bewegenden Text mit genau der richtigen Eindringlichkeit, die er verdient.
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