ISBN 978-3-944936-53-6

390 Seiten

€ 14,90

Mord, Totschlag und Intrigen – und mittendrin der Märchenkönig Ludwig! Ex-Schloss-Kastellan Markus Richter im Interview über seinen Krimi „Ohne Herz“ und das wahre Mysterium, das sich in ihm verbirgt.

Markus Richter, Autor von „Ohne Herz“, im Interview über König Ludwig und ein Geheimnis, das er aufgedeckt hat

Titelbild Ohne Herz

Herr Richter, mit „Ohne Herz“ legen Sie Ihren zweiten Neuschwanstein-Thriller vor. Die Geschichte handelt von einem gefährlichen Komplott gegen König Ludwig, von einer brutalen Kindesentführung, von Sprengungen am legendären Schloss und von allerlei Hofintrigen. Bis wohin reicht bei diesem Plot die Wahrheit und wo beginnt Ihre Phantasie?

Ich würde sagen, Wahrheit und Fiktion verschmelzen ineinander. Von Lesern, die sich gut mit der Materie rund um Ludwig II. auskennen, wurde sogar schon angeregt ein Begleitbuch zu erstellen, damit es dem einen oder anderen leichter fällt Historisches und Erfundenes auseinanderhalten zu können. Ich möchte mich zum einen unbedingt an historische Fakten halten, die Epoche authentisch darstellen. Neben meinen eigenen Recherchen arbeite ich deshalb eng mit einem Historiker zusammen. Andererseits schreibe ich ja auch Unterhaltungsliteratur –und gerade das spannende Leben von Ludwig II., die Mystifizierung seiner Person, die wunderbaren Schauplätze seines Lebens und die zahlreichen Gerüchte rund um sein Wirken und seinen Tod bieten doch den idealen Nährboden dafür. Und dann noch mein Fund in einer beinahe vergessenen Dorfchronik: Es verschwand beim Bau von Neuschwanstein ein kleines Seitengebäude, es stürzte einfach so in die Schlucht … Steilvorlage!

Das mit dem abgestürzten Schlossteil müssen Sie bitte etwas genauer erklären.

Bereits während meiner Zeit auf Neuschwanstein hatte ich gehört, dass irgendwann einmal ein Gebäudeteil abgestürzt sei. Keiner wusste etwas genaueres darüber. Bei meinen Recherchen zum ersten Neuschwanstein-Thriller „Ins Herz“ bin ich über einen Eintrag in der Chronik des Schwangauer Dorflehrers gestolpert, dass sich 1883 und 1885 seitlich vom Torbau ein Felssturz in die Pöllatschlucht ereignete. Dazu gibt es in der Chronik ein Blatt mit historischen Fotografien und einer unscheinbaren Notiz, dass dabei ein Seitengebäude beim Torbau 1883 in der Schlucht verschwand. An einer anderen Stelle in der Chronik heißt es dagegen, dass sich der Absturz erst 1885 ereignete. Ich fand diese Diskrepanz sehr interessant und verwunderlich, vor allem auch, dass es dazu keine näheren Informationen gibt. Beispielsweise in lokalen oder überregionalen Zeitungen der damaligen Epoche. Immerhin verschwand ein Gebäude am neuen Königsschloss. Und das zu einer Zeit, als die finanzielle Lage des Königs immer prekärer wurde und die Stimmen wegen einer Absetzung des Monarchen lauter wurden. Der ideale Aufhänger für eine spannende Geschichte.  

Lassen Sie uns noch über die Intrigen sprechen: Beinahe jede zweite Figur scheint ihre eigenen Interessen zu verfolgen, loyal zum Monarchen verhalten sich wenige. War das wirklich so, damals?

Ein Paradebeispiel ist für mich Karl Hesselschwerdt, den der König schon aus seiner Kronprinzenzeit kannte und ihn kurz nach seiner Thronbesteigung in den königlichen Marstall beorderte. Hesselschwerdt genoss das volle Vertrauen des Monarchen und beerbte schließlich den Stallmeister Richard Hornig als Ludwigs Privatsekretär. Hornig hatte es nicht geschafft dem König neue Gelder für seine Schlossbauten zu beschaffen und fiel Ende 1885 in Ungnade. Hesselschwerdt nahm Hornigs Stelle als engster Vertrauter ein und gaukelte dem König mehr oder weniger vor, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis er ihm von privater Seite ein größeres Darlehn besorgen könne. Als die Lage der königlichen Kasse im Frühjahr 1886 immer hoffnungsloser wurde und Hesselschwerdt wahrscheinlich nicht mehr viel von Ludwig erwarten konnte, ließ er sich wegen einer vorgetäuschten Krankheit Woche für Woche beim König entschuldigen. Schließlich war er im geheimen Entmündigungsverfahren der Regierung einer der ersten, der gegen seinen König aussagte.  

Welche der weniger prominenten Figuren sind historisch und welche haben Sie dazu erfunden?
Eine wichtige Rolle im Roman spielt das Dienstmädchen Marianna Rieger. Sie war Hirtin auf der Schachenalpe im Wettersteingebirge. Als sich Ludwig II. für den Bau eines Bergschlosses dort entschied, wurde sie als Dienstmagd eingestellt. Ihre Nachfahren leben noch immer in Partenkirchen. Von ihnen erfuhr ich mehr über ihre ungewöhnliche Geschichte, die ich in meinen Roman eingeflochten habe. Frei erfunden habe ich dagegen den Kastellan von Hohenschwangau, Lorenz „Lenz“ Baumgartner, der im ersten Teil, also in „Ins Herz“, noch Kastellansgehilfe war. Auch ich habe auf Neuschwanstein den Weg vom stellvertretenden Kastellan zum Kastellan beschritten. Vielleicht ist er ja so etwas wie mein Alter Ego. Schließlich verarbeite ich in meinen Büchern auch Erfahrungen und Erlebnisse aus zwanzig Jahren Neuschwanstein.

Wie Sie sagen, waren Sie selbst Kastellan auf Neuschwanstein. Deshalb verwundert es wenig, dass Sie alle örtlichen Details so genau beschreiben können. Aber woher kommt es, dass Sie auch Schloss Linderhof und das Schachenhaus so präzise darstellen? Woher wissen Sie das alles? Dieser Detailreichtum ist wirklich beeindruckend.

Vielen Dank! Dahinter steckt zum einen akribische Recherche. Glücklicherweise besitze ich eine Fülle an Literatur über die Schlösser von Ludwig II. von Bayern. Besonders wichtig sind dabei die zeitgenössischen, meist raren, Veröffentlichungen aus dem 19. Jahrhundert. Die neueren Werke sind für meine Bücher kaum brauchbar, da sich nach Ludwigs Tod vieles verändert hat. Ich möchte aber unbedingt authentisch bleiben. Zum anderen wohne ich nicht weit entfernt von Linderhof und dem Schachen, und konnte während des Schreibprozesses immer wieder vor Ort sein. Das war auch das Schöne beim Entstehen von „Ohne Herz“: die vielen Ausflüge.

Auch sonst erfährt man in Ihrem Roman viel über das Leben König Ludwigs – seinen Alltag, seine Gewohnheiten und seine Marotten. Woher haben Sie diesbezüglich Ihre Informationen?

Meine Frau Vanessa und ich teilen dieselbe Leidenschaft. Sie ist eine ausgesprochene Kennerin des Hauses Wittelsbach und mein Spezialgebiet sind Ludwig II. und seine Bauten. Mit unserer Heirat vereinigten sich also auch die Bibliotheken. Noch dazu war Vanessas Großvater viele Jahre Schlossverwalter auf Neuschwanstein, ein ausgesprochener Kenner von Ludwig II. und hat uns seine umfangreiche Bücher- und Dokumentensammlung vermacht. Besonders interessant sind dabei die nahezu unbekannten Lebenserinnerungen der einfachen Dienerschaft, die einen Einblick in das tägliche Leben am Hof geben. Ein wahrer Schatz für mich und meine Romane, da ich gerne aus der Perspektive dieser Menschen erzähle.

Meinen Sie, Sie hätten König Ludwig gemocht?

Definitiv! Ein Mensch mit Ecken und Kanten. Völlig unangepasst löste er sich von beinahe sämtlichen Konventionen seines Amtes und schenkte der Nachwelt ein imposantes Vermächtnis. Schlösser, Kunst und Musik waren seine Leidenschaft. Beinahe rücksichtlos, auch gegen sich selbst, versuchte er diese Interessen durchzusetzen. Dabei zeigte er auch ein beeindruckendes staatsmännisches Verständnis, was allerdings bislang nur unzureichend erforscht ist. Er war aber auch ein Träumer und Fantast. Das ist nicht negativ gemeint! Zuletzt unterschätzte er die Macht des bayerischen Beamtenapparates und ignorierte die finanziellen Interessen seiner nächsten Angehörigen. Er vertraute den falschen Menschen.

In Ihrem Roman geht es auch um das Gerücht, König Ludwig könnte einen Nachfolger gezeugt haben. Was ist da dran?

Es gibt tatsächlich mehrere solcher Gerüchte, jedoch fand ich die Geschichte von Marianna und Johann Rieger aus Partenkirchen am spannendsten. Noch zu Lebzeiten des Königs war es in Partenkirchen ein offenes Geheimnis, dass Ludwig II. Johanns Vater sein soll. Ich möchte an dieser Stelle jedoch nicht zu viel verraten und auf das Buch verweisen …

Wie modern war König Ludwig? Gibt es Prominente, die Sie an ihn erinnern?

Ludwig II. wird immer wieder als „Technik-Freak“ bezeichnet. Tatsächlich war er sämtlichen technischen Neuerungen der industriellen Revolution gegenüber sehr aufgeschlossen, vor allem wenn sie seinen Bau- und Theaterprojekten dienlich sein konnten. Nehmen wir mal die Venusgrotte im Schlosspark von Linderhof, die größte künstliche Grotte seiner Zeit. In einer nahegelegenen „Gasfabrik“ wurde jahrelang nach der passenden Färbung der Gläser für die künstliche Beleuchtung in der Grotte geforscht. In einem Kraftwerk erzeugte man mit Dynamos Elektrizität und leitete diese via Stromleitungen zur Grotte, aber auch zur Beleuchtung des Schlossparkes weiter. Oder der Telefonapparat in Neuschwanstein, der zwar so gar nicht in das mittelalterliche Ambiente passte, jedoch zweckdienlich war, um ins nahegelegene Alte Schloss Hohenschwangau telefonieren zu können. Diese Begeisterung fürs Neue und weitere Visionen, flossen schließlich in das ärztliche Gutachten der Regierung ein und sollten Ludwigs Wahnsinn belegen. Ein Vergleich zu anderen Prominenten lässt sich schwer ziehen, aber zu Menschen, die man in ihrer Epoche auch verkannte.

Sie schreiben ziemlich actionreich und auch blutig. Da spaltet schon mal eine Axt einen Schädel oder es wird jemand die Steilwand von Schloss Neuschwanstein hinabgestürzt. Haben Sie literarische Vorbilder?

Ich muss gestehen, dass ich mein letztes belletristische Werk vor etwa zehn Jahren gelesen habe: „Tod und Teufel“ von Frank Schätzing. Dieser historische Krimi bzw. Thriller hat mich schwer beeindruckt und auch beeinflusst. In meiner Jugend mochte ich die Werke von Stephen King, das erklärt vielleicht den gespaltenen Schädel. Einige der Szenen habe ich leider so ähnlich selbst erlebt, während meiner Tätigkeit auf Neuschwanstein. Das fließt also gewissermaßen in meine Geschichten ein.

Wenn Sie das heutige Neuschwanstein anschauen: Finden Sie es gut, dass es nun ein derart überlaufener Touristenort geworden ist?

Ludwig II. hätte das verabscheut. Nur auserwählte Menschen durften seine Schlösser betreten. Für ihn waren sie Rückzugsorte und private Schauplätze vergangener Epochen und aus der Opernwelt von Richard Wagner. Nach seinem Tod zögerte man nicht, die Schlösser für das Publikum zu öffnen, wohl auch um den Menschen zu demonstrieren, dass der König tatsächlich verrückt war. Doch den Leuten gefiel, was sie da sahen. Im ersten halben Jahr nach Ludwigs Tod zählte man bereits 18.000 Besucher auf Neuschwanstein. Mitte der 1980er Jahre stiegen die Besucherzahlen gewaltig an und steigerten sich auf über eine Million pro Jahr. In meiner Anfangszeit als Schlossführer war ich sehr beeindruckt von der Begeisterung der Menschen aus allen Herren Länder. Irgendwann haben mich die Massen eher abgeschreckt. Der jahrelange Massentourismus hat natürlich seine Spuren im Gebäude hinterlassen. Die Räume waren ja nur für einen Bewohner geplant und nun drängen sich seit Jahrzehnten täglich tausende Menschen hindurch. Vielleicht müsste man hier regulierend eingreifen.

Ihre Geschichte ist ganz schön vertrackt. Hatten Sie all die feinen Verästelungen bereits vor Beginn Ihrer Arbeit vor Augen oder sind da auch viele während des Schreibprozesses entstanden?

Tatsächlich hatte ich bei beiden Büchern jeweils den Einstieg und das Ende im Kopf. Ich habe mich dann einfach treiben lassen. Ein Storyboard oder ähnliches hatte ich nie. Meine Notizen beschränkten sich auf drei bis vier Seiten. Die Schwierigkeit lag eigentlich darin, sich nach einer längeren Schreibpause wieder in die Geschichte einzufinden. Irgendwann war ich so tief drin, dass ich ein wenig traurig war das Wörtchen „Ende“ unter das Manuskript zu setzen. Ich habe meine Protagonisten tatsächlich vermisst.

Passiert es manchmal, dass eine Figur sich in Ihrer Geschichte anders verhält, als Sie dies eigentlich geplant hatten?

Eine der „Nebenhauptfiguren“, der Geheimpolizist Herr Schilling, führt gewissermaßen ein Eigenleben. Für ihn hatte ich ursprünglich eine ganz andere Rolle in „Ohne Herz“ vorgesehen. Er ist auch ziemlich undurchsichtig für mich. Mal sehen, ob er im dritten Teil, das macht, was ich mit ihm vorhabe.

Sie haben eine Weile lang auch auf dem Schloss gewohnt. Haben Sie manchmal Heimweh danach?

In ganz seltenen Momenten fehlt mir das Schloss. Schließlich habe ich nicht nur zwanzig Jahre dort gearbeitet, sondern auch fünf Jahre darin gewohnt. Mein erster Sohn Noah wäre fast im Schloss zur Welt gekommen, ich habe meine große Liebe Vanessa dort kennengelernt, deren Großvater dreißig Jahre Schlossverwalter war. Neuschwanstein hat also mein Leben maßgeblich geprägt.

Im Jahr 2012 geriet ich in einen „Skandal“ um schwarze Kassen und Mobbing, landete schließlich auf der Anklagebank und wurde 2014 freigesprochen. An eine Rückkehr war nicht zu denken. In dieser schweren Zeit habe ich begonnen „Ins Herz“ zu schreiben. Mittlerweile genieße ich die Distanz zum Schloss. Meiner Ansicht nach lastet auf dem Ort ein Unheil und ich habe meinen Kopf gerade noch aus der Schlinge gezogen.

Was machen Sie jetzt im Hauptberuf?

Inzwischen bin ich bei uns im Landratsamt und arbeite im Verwaltungsmanagement. Das Recherchieren, das Schreiben und alles was dazugehört, nimmt jedoch einen immer größeren Zeitanteil in Anspruch. Und ich liebe es Lesungen zu geben. Was gibt es Schöneres, als seine Geschichten Live zu präsentieren.

Über Markus Richter

ISBN 978-3-944936-53-6

390 Seiten

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Bernhard Berkmann

Geboren 1982, studierte Bernhard Berkmann Kommunikationswissenschaften, Psychologie und Romanistik. Als Autor interessiert er sich vor allem für Kriminalromane und Wirtschaftsthemen. Bernhard Berkmann pendelt zwischen Berlin und dem schwedischen Båstad. In seiner Freizeit geht er gerne schwimmen.

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