Der Ruf des Eisvogels

ISBN 978-3-7857-2813-0

464 Seiten

€ 22

eBook: € 14,99

Von (Mutter-)Liebe, Schuld, Verlust und dem Mut, sich der Wahrheit zu stellen: Anne Prettin im Gespräch über die Frauen in ihrem Roman „Der Ruf des Eisvogels“.

Anne Prettin im Interview über ihren Roman „Der Ruf des Eisvogels“

Frau Prettin, Ihr Roman „Der Ruf des Eisvogels“ ist geprägt von starken, mutigen Frauen. Woher kommt deren Kraft?

Aus der Liebe und dem Leid, denke ich. Zu wissen, dass es jemanden gibt, der bedingungslos für einen da ist und an einen glaubt, hat Olga die Kraft gegeben, sich durchzubeißen und für das Richtige zu kämpfen. Und die Fähigkeit, diese Liebe und Kraft an ihre Mädchen weiterzugeben. Dann das Leid. Die Schmerzen, die Olga und Becki erlebt haben, während sie durch dunkle Täler marschiert sind, haben ihnen Tiefe und Stärke verliehen. Sie haben gelernt, dass das Leben auch wieder gut werden kann.

Olga ist die Mutter von Becki und die Großmutter von Sara. Sie erzählen deren gemeinsame Geschichte. Worum ging es Ihnen dabei?

Im Zentrum steht Olga, die sich nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs entscheiden muss. Will sie tatenlos zusehen oder etwas tun und damit alles riskieren? Auf ihrer Flucht und Reise entlang des tiefen gesellschaftlichen

Wandels im Nachkriegsdeutschland findet sie zu sich selbst. Es geht um Fragen nach Moral, nach Zugehörigkeit und Identität und um den Kampf um persönliche Freiheit, gerade als Frau jener Zeit. Und nicht zuletzt geht es um die sich immer wieder erneuernde Kraft bedingungsloser Liebe.

Beschreiben Sie uns Olga bitte näher.

Olga ist kämpferisch, lebenstüchtig, robust, dann auch wieder verletzlich und naturverbunden. Aufgewachsen in einem Männerhaushalt, ist sie schon als kleines Mädchen Feministin, ohne das Wort dafür zu kennen. Als in der Nachkriegszeit die alten Gewissheiten nicht mehr gelten, gibt sie ohne Zögern ihre Ziele auf und kämpft bis zur Verleugnung darum, ihrer Tochter eine gute Mutter zu sein.

Was zeichnet die Tochter aus?

Becki ist impulsiv, mutig, neugierig, traut sich viel zu. Doch sie ist auch wie ein rastloser, heimatloser Vogel. Ihren Vater nicht zu kennen, hat eine Leere hinterlassen. Vergeblich hofft sie, inneren Frieden an wechselnden Orten zu finden. Aber sie beginnt zunehmend, ihr Unvermögen infrage zu stellen, sich zu binden – an Menschen oder Orte.

Und die Enkelin?

Sara ist klug, geradeaus, sie weiß, was sie will. Das ist im Gegensatz zu ihrer Mutter Becki vor allem Struktur, Planbarkeit, familiäre Bindung. In ihr spiegeln sich die unterschiedlichen Wesenszüge, das Durchdachte, Abwägende, Zupackende auf der einen, das Unerschrockene, Leichte auf der anderen Seite.

Jede von ihnen definiert den Begriff von Freiheit anders. Was können wir von den dreien lernen?

Jede Generation hat ihre eigenen Sorgen, Krisen, Beschränkungen und Aufgaben. Olga hat noch erlebt, dass freie Meinungsäußerung mitunter mit dem Tod bestraft wurde und dass sich eine verheiratete Frau eine berufliche Tätigkeit von ihrem Ehemann genehmigen lassen musste. Freiheit ist also nichts Selbstverständliches, man muss sie sich erkämpfen. Insofern war Olgas Leben ein Kampf um Freiheit …

… und zwar um äußere und innere Freiheit.

Das stimmt. Von Olga können wir lernen, dass äußere Freiheit verteidigt werden muss und innere Freiheit mit Sinn gefüllt werden sollte, damit sie nicht als Leere empfunden wird. Von Becki und Sara können wir uns abschauen, mehr Güte für uns selbst zu haben und nachsichtiger zu werden mit den eigenen Mängeln und Fehlern. Und vor allem, dass wahre innere Freiheit nur mit dem Mut einhergeht, sich der Wahrheit zu stellen.

Gab es in Ihrem Schreibprozess etwas besonders Eindrückliches für Sie?

Ja, die Szenen in Kühlungsborn: Was Olga dort erlebt hat, erleben derzeit viele Frauen in der Ukraine und anderswo. Das ging mir beim Schreiben noch mal ganz anders an die Substanz.

Der Inhalt von Anne Prettins „Der Ruf des Eisvogels“:

Olga wächst in einer beschaulichen Kleinstadt inmitten von Wäldern, Feldern und Seen ohne Mutter in einer wohlhabenden Arztfamilie auf. Von ihrem Vater kaum beachtet, vermittelt ihr der Großvater die Wunder der Natur und Medizin. Als der Zweite Weltkrieg die Idylle der Uckermark zerreißt, steht die 18-Jährige vor einer schwerwiegenden Entscheidung. Erst 50 Jahre später kehrt sie mit Tochter Becki und Enkelin Sara zurück. Anne Prettin folgt ihren Figuren durch die Jahrzehnte und zeigt, was Frausein im sich wandelnden Deutschland bedeutet.

ISBN 978-3-7857-2813-0

464 Seiten

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/tina-rausch/" target="_self">Tina Rausch</a>

Tina Rausch

Geboren 1970, studierte Tina Rausch in München Neuere Deutsche Literatur und Erziehungswissenschaften. Seither ist sie freiberufliche Redakteurin, Lektorin und Literaturvermittlerin – unter anderem mit dem Ziel, (junge) Menschen für Literatur zu begeistern.

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