Frau Fölck, auf Ihrer Homepage bezeichnen Sie „Die Rückkehr der Kraniche“ als Ihr „Herzensprojekt“. Was ist Ihnen daran so wichtig?
Schon seit Jahren trage ich mich mit dem Gedanken, einen Roman über zwei Schwestern mit unterschiedlichen Lebensentwürfen zu schreiben, in dem auch die Natur einen großen Platz einnimmt. Nach einem Spaziergang mit meiner Lektorin Lisbeth Körbelin, die mich befeuerte, endlich damit anzufangen, schrieb ich die ersten Sätze und konnte nicht mehr aufhören.
„In diesem Haus schien jede Hansen etwas zu verheimlichen“, denkt Gretes Tochter Anne. Einverstanden, dass Nähe und Distanz sowie Sprachlosigkeit in der Familie Ihre zentralen Themen sind?
Jede der vier Frauen hat ihr Geheimnis. Sie sind nicht offen miteinander zerstritten, aber im Inneren lodern ihre Verletzungen, die eine der anderen zugefügt hat, immer wieder auf. Nun, da sie alle unter einem Dach vereint sind, braucht es geraume Zeit, bis sie damit herausrücken können, weil sie gelernt haben, Einzelkämpferinnen zu sein. Erst langsam erkennen sie, dass nur Offenheit ihre Wunden schließt.
Sie haben Ihren Roman abwechselnd aus den Perspektiven der vier Frauen geschrieben. War Ihnen eine von ihnen besonders nahe?
Freya ist mein jüngeres Alter Ego, als ich in der Großstadt lebte und Karriere machen wollte. Seit ich in den Norden aufs Land gezogen bin, entwickle ich mich immer mehr zu Grete, deren Sehnsuchtsort die Natur ist, die gern Brot bäckt und ihren Nutzgarten liebt. Ich wechselte die Pumps gegen die Gartenlatschen und finde es herrlich!
Ob Krickente, Tüpfelsumpfhuhn, Himmelsziege oder Sandregenpfeifer – die Vogelwartin Grete (er-)kennt jeden Vogel. Der Kranich ist ihr der liebste. Ihr Lieblingsvogel?
Die Elbmarschen sind reich an verschiedensten Vögeln, die hier nisten oder rasten. Ich mag es, wenn die Gänse über das Haus ziehen und wenn die Teichhühner am Teich hinter unserem Haus ihre Jungen großziehen. Aber der Kranich löst bei mir pure Gänsehaut aus. Letztens schreckte ich beim Laufen in der Marsch ein Kranichpaar auf, das am Feld stand. Ich war den ganzen Tag beseelt von dieser Begegnung.
Zucker im Tee verursacht bei Freya „Heimatgeschmack“ auf der Zunge, daher hat sie zuletzt darauf verzichtet: „Ihr ungesüßtes Leben in Berlin war ein Teil des Abnabelungsprozesses gewesen.“ Wie trinken Sie Ihren Tee?
Schwarztee, gern die Ostfriesenmischung, trinke ich immer schon mit Zucker.
Und was verursacht bei Ihnen Heimgefühle oder -geschmack?
Heimatgefühle entstehen, wenn ich im Frühjahr Flieder rieche, dann denke ich an meine leider sehr früh verstorbenen Großeltern, denen ich meinen Roman gewidmet habe. Oder wenn ich Porridge, wir nannten es Haferflockensuppe, esse. Dieser Geschmack ist ganz stark mit meiner Kindheit verknüpft.
Ohne zu viel zu verraten: Mir gefällt, dass es kein klassisches Happy End gibt. Sehen Sie das auch so?
Grete und Freya sind am Ende zufrieden und auf dem richtigen Weg. Und das ist doch auch eine Art Happy End, weil es Hoffnung für sie gibt, dass das Leben sich nun zum Besseren wendet.
Gretes großer Traum ist es, sieben Monate ganz allein auf der Vogelinsel im Greifswalder Bodden zu leben und dort Vögel zu beobachten. Wäre das auch etwas für Sie?
Ich bin viel zu ängstlich, um auf einer einsamen Insel allein leben zu können. Aber die Sehnsucht, aus dem Alltag auszubrechen, kenne ich auch. Die Pandemie hat uns viele Einschränkungen auferlegt, ich möchte wieder frei reisen können, anderswo die Schönheit der Natur entdecken und ein wenig auf Gretes Spuren wandeln.
Der Inhalt von Romy Fölcks Roman „Die Rückkehr der Kraniche“:
Vier Frauen aus drei Generationen der Familie Hansen treffen im Resthof, einem alten Reetdachhaus in der Elbmarsch, nach Jahren wieder aufeinander: Die Mutter Wilhelmine hat einen Schwächeanfall erlitten, daher reisen ihre Tochter Freya aus Berlin und ihre Enkelin Anne aus Bremen an. Annes Mutter Grete hat das Elternhaus nie verlassen und arbeitet als Vogelwartin im Naturschutzgebiet an der Elbe. Alle vier sind alleinstehend, sie haben verschiedene Lebensentwürfe – und jede von ihnen trägt ein (Familien-)Geheimnis mit sich, das viel zu lange verschwiegen wurde …