Ein Massai-Medizinmann ohne Nachfolger. Ein schwedischer Ausländerfeind und Kunsthändler mit schwarzem Sohn. Jonas Jonassons „Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte“ im Bestseller-Check.

In „Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte“ beweist Jonas Jonasson viel Gespür für Komik

Titelbild Der Massei in Schweden, der noch eine Rechnung offen hatte

©costas anton dumitrescu shutterstock-ID 421019422

Ole ist Massai und Medizinmann, seinen Reichtum legt er in Ziegen an

Jonas Jonassons Geschichte beginnt mit einem Massai und Medizinmann in der afrikanischen Savanne. Ole Mbatian der Jüngere ist Nachfahre einer Medizinmänner-Dynastie und verfügt über ein großes Vermögen, welches in einer riesigen Herde Ziegen und Kühe krisenfest angelegt ist und ihm drei Hütten und zwei Frauen ermöglicht. Sein medizinisches Spezialgebiet ist es, Frauen, die bereits fünf Kinder geboren haben, vor weiteren Geburten zu schützen. Einzig sein eigenes „medizinisches“ Problem bekommt Ole Mbatian nicht in den Griff: Seine Frauen gebären nur Mädchen. Ole aber hätte gerne einen Sohn, der dann Medizinmann werden kann wie er.

Victor ist ein geldgieriger und ausländerfeindlicher Kunsthändler

Die andere Hauptfigur in „Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte“, ist Victor, ein ausländerfeindlicher, nationalistischer und rücksichtloser Kunsthändler. Sein Hauptziel ist es, reich zu werden. Sein Nebenziel: Schweden vor fremden Kulturen zu retten. Mit einem fiesen Erbschleicher-Trick gelingt es Victor, sich die renommierte Kunstgalerie Alderheim unter den Nagel zu reißen. Jetzt könnte Victor am Zenit seines Glücks sein. Doch da „schlug aus heiterem Himmel der Blitz ein, und zwar in Gestalt einer früheren Nutte! Plötzlich tauchte sie in der Kunsthandlung auf, neben sich einen pubertären Knaben.“

Eines Tages steht Victors schwarzer Sohn Kevin vor der Tür

Es stellt sich heraus, dass der Junge Kevin heißt und Victors Sohn ist. Letzteres ist dabei nicht Victors größtes Problem. Nein, Victor ist erschüttert, weil sein Sohn Kevin schwarz ist. Kurzentschlossen fliegt der widerwillige Vater mit dem unerwarteten Sohn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Afrika und setzt den Teenager mitten in der kenianischen Savanne aus. Auf diese unwahrscheinliche Weise landet Kevin bei dem wohlhabenden Medizinmann Ole Mbatian, für den sich damit sein größter Wunsch erfüllt: endlich ein Sohn! Es könnte nun alles in bester Ordnung sein – Kevin wird sogar zum Massaikrieger ausgebildet. Doch am Ende dieser Ausbildung steht traditionell die Beschneidung. Kevin lehnt des Tradition für sein Genital ab, weshalb er kurzfristig beschließt, in sein eigentliches Heimatland Schweden zu fliehen.

Ein skrupelloser Werber und die Gemälde der Künstlerin Irma Stern

Auf diese Weise und viele absurde Verwicklungen später kommen der ausländerfeindliche Victor und der zum Massaikrieger ausgebildete Kevin wieder zusammen. Im Rahmen dieser Verwicklungen spielen die südafrikanische Malerin Irma Stern, eine historische Person, die von 1894 bis 1966 lebte, einige sehr teure Gemälde und der durchtriebene Werbefachmann Hugo Hamlin zentrale Rollen. Letzterer gründet nämlich die „Rache ist süß GmbH“. Ihr Angebot ist so schlicht wie überzeugend: „Möchten Sie eine Kränkung rächen, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen? Wir haben die Lösung! Tausendzweihundert Kronen die Stunde.“

Jonas Jonasson macht das Unwahrscheinliche möglich

Die Rache ist süß GmbH bringt Kevin sowie Victors, um ihr Vermögen betrogene Ex-Frau, und Hugo Hamlin zusammen. Ihr gemeinsames Ziel ist es, sich am bösen Erbschleicher Victor zu rächen und so für ein bisschen Gerechtigkeit auf Erden zu sorgen. Ob sie dieses Ziel erreichen wird hier nicht verraten. Jedenfalls gibt es am Ende von „Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte“ mindestens einen Toten. Wie immer in seinen Romanen (u.a. „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, „Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind“) lässt Jonas Jonasson auch in diesem Werk Gegensätze aufeinanderprallen und das Unwahrscheinliche möglich werden.

Was Jonas Jonassons Roman bieten kann und was nicht

Die ersten beiden Drittel des Romans lesen sich rasant, herrlich witzig und überraschend. Mit bewundernswerter Leichtigkeit und geradezu nebenbei enttarnt Jonas Jonasson die niedrigsten menschlichen Instinkte und die sich in aktuellen Phänomenen wie Populismus und Nationalismus verbergenden Widersprüchlichkeiten und Absurditäten. Und natürlich geht es auch um Kunst. Um die Seite 81 herum sind sogar drei ganzseitige, sehr schöne farbige Drucke von Irma-Stern-Gemälden abgebildet. Gegen Ende verliert das verrückte Handlungsgeplänkel ein wenig das Ziel aus den Augen, aber irgendwie gelingt es Jonas Jonasson dann doch noch, die vielen unwahrscheinlichen Fäden zusammenzubinden. „Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte“ ist eine leichte, intelligente Lektüre. Ein Buch, das man nicht gelesen haben muss, aber dessen Lektüre einem doch etliche Lächeln auf die Lippen zu zaubern vermag.

ISBN 978-3-570-10410-1

400 Seiten

€ 22,00

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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