Frau Bluhm liest „Der fürsorgliche Mr. Cave“: 2 von 5 Blu(h)men
Wie weit geht ein Vater, um seine Tochter vor der Welt zu schützen?
Wie weit geht ein Vater, um seine Tochter vor der Welt zu schützen? Diese Frage stellt sich der Antiquitätenhändler Terence Cave, der schon dreimal den plötzlichen Verlust eines lieben Menschen verkraften musste: Seine Mutter verlor er als Baby bei einem Unfall, seine Frau wurde bei einem Raubüberfall auf das Antiquitätengeschäft der Familie tödlich verletzt und nun stirbt sein Sohn Reuben bei einer aus dem Ruder gelaufenen Mutprobe. Nun bleibt ihm nur noch Byrony, Reubens Zwillingsschwester. Sein „Herzblatt“, wie er sie nennt, wird Terence Cave beschützen. Koste es, was es wolle.
Matt Haig schreibt wortgewandt, es entsteht ein beklemmendes Gefühl
Matt Haigs neuer Roman ist in Briefform gehalten. Auf 256 Seiten berichtet Terence seiner Tochter von seinen eigenen Gedanken und Gefühlen und schont dabei weder sich, noch sie. Besonders die immer stärker, fast schon manisch ausgeprägten Beschützerinstinkte rauben nicht nur Byrony die Luft zum Atmen, sondern lassen beim Lesen ein regelrecht beklemmendes Gefühl entstehen. Man wird hineingezogen in die inneren Kämpfe, die Terence als Vater ausstehen muss, was von Matt Haig einerseits schriftstellerisch sehr wortgewandt und eindringlich gelöst wird, allerdings auch so belastend beim Lesen ist, dass ich ein paar Mal kurz davor war, die Lektüre abzubrechen.
Wie sympathisch sind die Hauptfiguren von „Der fürsorgliche Mr Cave“?
Unterstützt wird diese eher negative Einstellung gegenüber „Der fürsorgliche Mr Cave“ noch dadurch, dass beide Protagonisten, Vater und Tochter, nicht wirklich sympathisch sind. Byrony verhält sich ihrem Vater gegenüber wirklich ganz furchtbar, er sich ihr gegenüber nicht minder. Wenn ich etwas wirklich ausschließlich Deprimierendes hören will, dann kann ich mir dieser Tage auch einfach die Nachrichten ansehen.
Der Vater verhält sich seinen Söhnen gegenüber ungerecht
Verstärkt wird meine Abneigung gegen Matt Haigs Roman noch durch den Umstand, dass Terence schon gegenüber seinem Sohn sehr ungerecht war, als er noch lebte. Ich kann verstehen, dass der Autor die nach dem Tod des Jungen entstandenen Schuldgefühle des Vaters aufgreifen will; aber er tut es auf eine Art und Weise, die mir sowohl unlogisch, als auch schon fast grotesk erscheint, lässt er doch Terences Körper in von ihm genannten „Blackouts“ von Reubens Geist kontrollieren. In diesen Zeiten tut er dann Dinge, die seiner Schwester schaden, weil er schon immer in Konkurrenz zu ihr stand.
Würde ich Matt Haigs „Der fürsorgliche Mr Cave“ zur Lektüre empfehlen?
Mir ist bewusst, dass dies als sinnbildliches Stilmittel für die Trauer des Vaters stehen soll, es ist nur einfach nicht gut gelöst und scheint mir vollkommen an den Haaren herbeigezogen. So kann ich als Fazit nur meinen Respekt für Matt Haig aus der Lektüre seiner früheren Werke „Die Mitternachtsbibliothek“ finde ich großartig! Und die wunderschöne Sprache, in der er schreibt, in die Waagschale zu Gunsten dieses Buchs werfen. Grundsätzlich würde ich vom Kauf von „Der fürsorgliche Mr Cave“ tatsächlich eher abraten.
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