ISBN 978-3-550-08136-1

272 Seiten

€ 21,00

Mit ihrem Metaroman „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ veröffentlicht Sophie Divry erstmals auf Deutsch. Was ein Metaroman ist und wie Frau Bluhm das Buch gefällt? Hier erfahren Sie es!

Frau Bluhm liest Sophie Divrys „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“

Frau Bluhm liest „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“: 4 von 5 Blu(h)men


Kein Job und 17,70 Euro auf dem Konto – Sophie hat ein Problem

Gleich auf der ersten Seite fallen wir gemeinsam mit Sophie in den Kaninchenbau des Lebens. So wie Alice sich im Wunderland wiederfindet, landet Sophie am Ende ihres langen Falls allerdings in einem viel trostloseren und beängstigerendem Land: der Realität. Mitte des Monats hat sie nur noch 17,70 Euro auf dem Konto, außerdem sind weder Job noch Geld in Sicht.

Ob ein Teufel in dieser Situation der richtige Helfer und Berater ist?

Nach mehreren Tagen mit gekochten Nudeln mit Öl und Zwieback fühlt sich sogar der Espresso im Eck-Café wie verbotener Luxus an. Als nach mehreren Wochen durch einen bürokratischen Fehler auch noch die Sozialhilfe ausbleibt, muss Sophie alles zu Geld machen, was sie noch hat: Der Toaster muss dran glauben und auch die ausgelesenen Taschenbücher. Ab jetzt bestimmt die Suche nach einer warmen Mahlzeit den Tag, Sophies Abwärtsspirale beginnt. Und genau dann tritt er in Erscheinung: Der Teufel auf der Schulter, der schon längst nicht mehr mit solch profanen Dingen handelt, wie der Verpfändung einer Seele.

Er ist böse, schmutzig und ihm fehlt jeder Sinn für Anstand

Teufel Lorchus, wahrscheinlich einstmals beheimatet im siebten Kreis der Hölle, kommt direkt aus Sophies Badezimmer und verkörpert alles, was an dieser Welt so richtig schmutzig und böse ist. Er walzt ohne jedweden Sinn für Anstand und Benimm durch das Leben der jungen Journalistin und zeigt den leichten Weg auf: den Weg der Resignation, der doch immer wieder lohnenswert scheint, eben weil er vielleicht schmutzig und unanständig und widerwärtig scheint; zwar schwer zu verlassen, aber immerhin leicht zu bewältigen ist. Zumindest, wenn man die Welt durch seine Augen betrachtet.

Die Grenzen zwischen Leser, Autorin und Hauptfigur verwischen

Für mich ist „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ ein „Metaroman“. Man könnte auch sagen, Sophie Divry führt uns als Leser in einen luziden Traum (in diesem Fall wohl eher Alptraum). Einen Traum, in dem man sich während des Träumens bewusst ist, dass man träumt. Der Abstand zwischen Leser, Autor und Hauptfigur wird gedehnt, bewusst verschoben und zwischendurch auch immer wieder komplett gelöscht.

Sophie ist hin- und hergerissen zwischen Teufel und Gewissen

Sophie steht unter dem Einfluss zweier Einflüsterer: Da ist einmal der Teufel Lorchus auf ihrer Schulter, der Sophie die Vorteile des Lotterlebens nahebringt. Zum anderen ist da die innere, nervige Stimme von Sophies Gewissen, die zufälligerweise den gleichen Tonfall hat, wie Sophies Mutter.

Es ist eindringliches Buch, das unter die Haut geht

Stilistisch ist „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ ein anspruchsvolles Werk. Doch obwohl der Roman philosophisch ist, bleibt er unglaublich lebensnah. Und das, obwohl man weiß, dass es sich eigentlich nur um einen Traum handelt. Es ist ein eindringliches Buch, das unter die Haut geht.

Ein ernstes Thema, mit ironischem Unterton erzählt

Das Hauptthema der Autorin ist und bleibt dabei das liebe Geld. Oder eher das Fehlen desselbigen. Auf sehr lebensnahe und fast schon erschreckende Art und Weise, gibt uns Sophie Divry Einblick in den Kopf und die Seele ihrer Protagonistin. Bewusstseinsstromartig erleben wir ihre Gedanken und Gefühle mit. Immer mit einem Augenzwinkern, stets mit ironischem Unterton, aber dennoch brutal nah an der Realität. Die soziale Komponente des fehlenden Geldes wird dabei genauso präzise herausgearbeitet, wie die kulturelle und die mentale. Und man beginnt zu begreifen, wie diese Abwärtsspirale entsteht, die anfängt mit fehlendem Geld und ein ähnlich tiefes Ende hat, wie besagter Kaninchenbau. Was am Ende auf einen wartet, möchte man vielleicht gar nicht so genau wissen. Gerade die aufklaffende Schere zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und dem inneren Teufelskreis zieht den Leser in ihren Bann. Denn wer würde nicht stutzen, sähe er die arbeitslose Freundin im Café bei Zigarette und Espresso, wohl wissend, dass eigentlich kein Geld dafür vorhanden ist? Wer würde verstehen, dass es manchmal genau diese kleinen Dinge sind, die einen Menschen am Leben halten? Wohl niemand, der nicht erst mal ein paar Kilometer in Sophies abgetretenen Schuhen aus der Altkleidersammlung gelaufen ist.

Je länger ich über dieses Buch nachdenke, desto beeindruckter bin ich

Was mich besonders beeindruckt hat, war die schonungslose Ehrlichkeit, mit der die Sophie Divry in diese Thematik einsteigt. Es ist nun mal Realität, dass die meisten von uns die Phase „Nudeln mit Pesto“ schon mal erlebt haben (wer im Alter von 18 bis 22 Jahren noch keine fertige Ausbildung hatte, weiß genau wovon ich spreche); die wenigsten aber mussten vermutlich erleben, wie selbst Nudeln mit Pesto zum Luxusartikel werden.

Sophie Divry macht Schluss mit der romantischen Verklärung von Armut

„Pleite sein“ wird immer noch romantisch verklärt, als vorrübergehende Phase deklariert, und als „auszuharrende Dürreperiode“ in zukünftigen Possen für die Mitmenschen verarbeitet. Wie es am nackten und kalten Boden der Realität aussieht, an dem „kein Geld haben“ gleichgesetzt wird mit „kein Geld haben, keine Aussicht auf Geld haben und vor allem keine Hoffnung auf die Aussicht auf Geld zu haben“, darüber wird selten gesprochen und noch seltener geschrieben.
Sophie Divry hat es getan. Und zwar sehr berührend und – ich wiederhole mich: eindringlich. Je länger ich über dieses Buch nachdenke, umso beeindruckter bin ich. Das heißt: Heute gibt es vier Bluhmen, in einer Woche sind es vielleicht schon fünf.

ISBN 978-3-550-08136-1

272 Seiten

€ 21,00

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Frau Bluhm

Geboren 1984 in Aschaffenburg, studierte Katharina Bluhm Psychologie und arbeitet seither als Erzieherin. Sie liebt Bücher und Filme. Seit 2017 bewertet sie in ihrer Kolumne „Frau Bluhm liest“ für BUCHSZENE.DE mit Begeisterung, aber auch kritisch Bücher jeden Genres. Sie lebt mit ihrer Familie in Aschaffenburg.

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