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Eine Kolumne über Sportmoden, Eltern als Vorbilder und Kollegen, die einen als ‚Vollpfosten‘ bezeichnen. Sie glauben nicht, wie die eigenen Kinder auf derlei Attacken gegen den Vater reagieren!

Jörg Steinleitner erzählt, wie schwierig es ist, seinen Kindern ein Vorbild zu sein

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Mein hellblauer Ballonseide-Trainingsanzug

Es ist ja so, dass die eigenen Kinder einen manchmal gut finden und oft eher nicht. Zweiteres geschieht dann, wenn Leonhard, Elsa und Isabella mich beim Sport sehen. Meine Kinder behaupten, ich sähe in meinem hellblauen Ballonseide-Trainingsanzug aus den 80er-Jahren – er wurde seinerzeit für unsere Tischtennis-Herrenmannschaft angeschafft – nicht gut aus. Womöglich haben sie Recht.

Ich vertrete jedoch die Auffassung, dass es beim Sport nicht darauf ankommt, wie man aussieht, sondern was man leistet. Gerne zitiere ich das geflügelte Wort „Auf den Inhalt kommt es an, nicht auf die Verpackung“. Hören sie das, verdrehen die Kinder derart die Augen, dass ich gesundheitliche Folgen für sie befürchte. Bin ich eigentlich der einzige, der findet, dass die meisten zeitgemäßen Sportkleider ihre Träger in peinliche Papageien verwandeln?

Eine neue Turnhose – meine Kinder schleppten mich ins Sportgeschäft

Dennoch habe ich mich kürzlich dazu breitschlagen lassen, in ein Sportgeschäft zu gehen und eine neue Turnhose samt Jacke zu erstehen sowie ein Paar Fußballschuhe. Ich trainiere sonntags eine gemischte Fußballmannschaft von Sieben- bis 15-Jährigen. Einmal wurden wir vom Trainer einer anderen Mannschaft beobachtet und der fragte meine Kinder nach dem Training, was das eigentlich für ein Vollpfosten sei, der sie trainiere. Dabei nahm er ausdrücklich Bezug auf meinen Bekleidungsstil. Mir war das eigentlich egal, aber ich spürte die Empörung der Kinder: Sie wollen erstens nicht von einem Vollpfosten trainiert werden, sondern von einem geilen Typen und zweitens wollen sie nicht, dass man ihren Vater als Vollpfosten bezeichnet.

Ich sehe in den meisten Trainingsanzügen wie eine Streichwurst aus

Ich nahm Leonhard, Elsa und Isabella mit in den Sportladen und zunächst war es schwierig, weil ich fand, dass ich in den meisten Trainingsanzügen wie ein Stück Streichwurst aussah. Aber dann entdeckten wir einen Trainingsanzug, mit dem sich leben lässt. Jedenfalls versicherten die Kinder mir, ich sähe darin aus wie ein richtiger Trainer. Der Kauf der Fußballschuhe war schwieriger. Denn es gibt fast nur noch diese neonfarbenen Plastikschuhe in rosa, grün oder gelb – mit Rennstreifen an den Seiten oder psychedelischer Musterung. Irgendwann fragte ich den Verkäufer geradeheraus, ob er denn nicht auch so einen richtigen Fußballschuh im Angebot hätte, so einen in schwarz mit weißen Streifen?

So wie Beckenbauer damals – und Rummenigge?, fragte er. Ich nickte. Er verschwand hierauf ziemlich lange im Lager. Was er zurückbrachte, war der Fußballschuh meiner Kindheit. Ich war begeistert. Es gibt sie noch, die Fußballschuhe.

Mein Sohn hat mich als Vorbild nun vollständig verinnerlicht

Seit ich beim Training wie ein richtiger Fußballlehrer aussehe, herrscht glänzende Stimmung zwischen den Kindern und mir. Ich tauge gerade mal wieder ein bisschen mehr zum Vorbild. Vor allem für Leonhard. Gestern erklärte er mir mit unüberhörbarem Stolz, dass er Rückenschmerzen habe. Wie?, fragte ich. Du hast Rückenschmerzen? Das ist aber doch nicht gut! Doch, Papi, du hast doch auch Rückenschmerzen!, antwortete er. Ich habe gestern beschlossen, nicht mehr so viel über mein Rückenleiden zu klagen.

Sandwich JörgNach dem Sandwich wird bald auch ein Recycling-Hof nach mir benannt

Heute möchte ich die Kinder noch mit einer ganz besonderen Vorbildhaftigkeit überraschen. Mein Freund Richard mailte mir nämlich aus Norddeutschland die Information, dass dort ein köstliches Sandwich nach mir benannt worden ist: Die Ficelle „Jörg“ mit Senf-Honigcreme und Kochschinken kostet satte 3,49 Euro. Darauf – da bin ich ganz optimistisch – kann man aufbauen. Bald wird es sicher auch das Jörg-Schnitzel, den eVibrator „Jörg“ und vielleicht irgendwann sogar einen Recycling-Hof geben, der meinen Namen trägt. Ich meine, dass ein Vater, der auf derlei Benchmarks verweisen kann, kein Vollpfosten ist.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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