Frau Bluhm liest „Vorstadtgeflüster“: 5 von 5 Bluhmen
Frances ertappt versehentlich die Nachbarin im Bett mit einem Fremden
„Das Leben ist, wie es ist, man tut, was man kann und dann belohnt man sich mit Eiscreme“. Dies ist das sympathische Motto von Frances. Es hilft der Heldin von Abbi Waxmans Roman „Vorstadtgeflüster“ dabei, den nicht immer ganz einfachen Alltag ihrer Familie zu managen. Ehemann Michael stört sich nicht an den überflüssigen Pfunden, die ihr dieses Motto und die drei Kinder eingebracht haben. Frances geht in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter vollkommen auf, sogar so sehr, dass sie bereitwillig auch die Kinder der anderen Nachbarn in drei verschiedene Schulen fährt. Doch genau diese Nächstenliebe wird ihr zum Verhängnis, als die Nachbarstochter Kate ihre Bastelutensilien zu Hause vergisst. Frances, die genau weiß, welche Seelenqualen vergessene Bastel-Klorollen bei Sechsjährigen auslösen können, eilt sofort los, um diese zu holen. Doch dabei spaziert sie völlig unvorbereitet in das Schäferstündchen ihrer Nachbarin Anne – mit einem Mann, der nicht ihr Ehemann ist.
Der Skandal nimmt seinen Lauf und Frances plagt das Gewissen
Zunächst versuchen Anne und Frances den Vorfall totzuschweigen, doch aller guten Vorsätze zum Trotz kommt die Geschichte durch einen dummen Zufall ans Tageslicht und der Skandal nimmt seinen Lauf. Ehemann Charlie schmeißt Anne aus dem Haus, Frances macht sich Vorwürfe, und alle anderen lieben Nachbarn sehen dabei zu.
„Vorstadtgeflüster“ bildet die verlogene Doppelmoral der USA ab
Abbi Waxman gibt uns mit ihrem neuen Buch „Vorstadtgeflüster“ einen Einblick in die bigotte Realität der amerikanischen Suburbs. Obwohl Frances eindeutig die Hauptfigur des Romans ist, gewährt uns Abbi Waxman auch Einblick in die Köpfe der anderen Beteiligten. Die stetig wechselnde Erzählperspektive funktioniert und verleiht dem Roman Ganzheitlichkeit und Tiefe. Dies nicht zuletzt auch durch Abbi Waxmans hervorragendes Gefühl für Timing. „Vorstadtgeflüster“ gleicht der Folge einer Seifenoper, mit schnellen Szenenwechseln und immer wieder humoristischen Cliffhangern. Wir dürfen beim Lesen die Fliege an der Wand sein, und besuchen alle Haushalte der Nachbarschaft. Wir erleben Anne und Charlie während ihrer Ehekrise; Bill und Sohn Lucas, die versuchen, sich nach dem Verschwinden von Ehefrau und Mutter Julie durch ihren Alltag zu schlagen; die Mütter Iris und Sara, die Kommunikationsprobleme haben, und natürlich immer wieder Frances, Michael, Alexandra (4), Milo (10) und Ava (14), deren illustre Alltagsgeschichten uns allen wohl nicht unbekannt sind, aber dennoch zum Lachen, Schmunzeln und gerührtem Naseschniefen animieren.
Ist das Gras in Nachbars Garten wirklich grüner als in meinem?
Alles in allem ist „Vorstadtgeflüster“ ein Roman, der die alltäglichen Freuden und Probleme des Lebens schildert. Ohne großartige Handlung, denn die Handlung stellt das Leben selbst dar. Wir beobachten diese unterschiedlichen Menschen, die allein durch die Wahl ihres Wohnortes zur „Zwangs-Interessens-Gemeinschaft“ und teilweise sogar zu Freunden werden. Der größte Genuss, den man beim Lesen, abgesehen von den vielen, vielen Lachern, hat, ist die wunderbare Erkenntnis, dass die meisten Menschen das Gras in Nachbars Garten für grüner halten als jenes in ihrem eigenen Garten. Dass sie aber am Ende des Tages feststellen müssen, dass wohl auch das Gras des Nachbarn nur so grün ist wie das eigene.
An manchen Stellen ist „Vorstadtgeflüster“ besser als jeder Ratgeber
Abbi Waxmans „Vorstadtgeflüster“ ist zudem ein Buch über Menschen, über Kommunikation und über Beziehungen. Gute, schlechte, und alles dazwischen. Es ist ein unterhaltsames und doch nachdenkliches Buch, durchsetzt von wunderbar schwarzem Humor, und dennoch getragen von einem knallhart ehrlichen und rührenden Ton. In den Buchhandlungen findet man ja viele Ratgeber zum Thema Schwangerschaft, doch für die Zeit danach existiert kaum Literatur. Meiner Meinung nach könnte jeder Mutter, die ihren Leidensgenossinnen in der Krabbelgruppe zum zehnten Mal gesteht, dass der Kleine noch nicht durchschläft und jedem Vater, dem andere Erzeuger souveräner vorkommen, ein Blick in Abbi Waxmans Geschichte guttun. Zumindest wüssten sie dann mit Sicherheit, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine sind.
Lustig, erfrischend, traurig – beide Daumen hoch für Abbi Wawman
Das, was jeder kennt und worüber niemand spricht, ist der Inhalt dieses Romans. Es ist lustig, erfrischend, traurig und rührend davon zu lesen. Noch schöner wird es, darüber zu sprechen, weshalb die Autorin im Anhang von „Vorstadtgeflüster“ sogar noch einige Impulsfragen angehängt hat. Beide Daumen hoch!