Verheißung und Dekadenz

ISBN 978-3-910228-07-8

228 Seiten

€ 24,00

Turgenjew, Dostojewski, Gogol und viele andere Meistererzähler zog es im 19. Jahrhundert nach Baden-Baden. Marion Voigt sucht in „Verheißung und Dekadenz“ nach den Gründen.

In „Verheißung und Dekadenz“ spürt Marion Voigt russischen Literaten in Baden-Baden nach

Verheißung und Dekadenz buchtipp

Warum liebten russische Schriftsteller im 19. Jahrhundert Baden-Baden?

Warum zog der deutsche Kurort Baden-Baden im 19. Jahrhundert russische Schriftsteller in seinen Bann? Welche Schlüsse kann man aus den soziopolitischen Umwälzungen auf den heutigen Ost-West-Konflikt in Europa ziehen? In „Verheißung und Dekadenz“ tastet sich die deutsche Slawistin Marion Voigt an diese Fragen heran.

Baden-Baden changiert zwischen russischer Kolonie und verführerischer Spielhölle

Pro Kapitel widmet sich Marion Voigt einem russischen Schriftsteller und untersucht, welchen Stellenwert Baden-Baden in seinem Leben und Werk einnahm. Als hilfreich erweist sich die Skizzierung der ersten Aufzeichnungen, die eine Verbindung zwischen dem Russischen Reich und dem deutschen Kurort verbürgen. Den Weg zur kulturellen Aufwertung Baden-Badens zu einer Sommerresidenz der gehobenen russischen Schichten ebneten die Feier des Zarenpaars und die territorialen Expansionsbestrebungen des Russischen Reichs während der Napoleonischen Kriege. Mit seinen Casinos schlägt sich der Ort zudem im Roman „Der Spieler“ des dauerverschuldeten Fjodor Dostojewski nieder. Dem in der Heimat untersagten Glücksspiel wurden im Kurort keine gesetzlichen Schranken auferlegt.

Anhand von Iwan Turgenjew behandelt Marion Voigt die russische Nationalitätenfrage

Einen besonderen Platz räumt die Autorin dem adeligen Ivan Turgenew ein, der seine Privilegien dazu nutzte, um für Reformen wie die Aufhebung der russischen Leibeigenschaft zu plädieren und als ‚Brückenbauer‘ zwischen Ost und West zu vermitteln. Auch wenn er an der festgefahrenen Eigenwahrnehmung des orthodoxen Russlands, nicht zu Europa zu gehören und im Vergleich zu diesem politisch nicht rückständig zu sein, kaum rütteln konnte, hinderte ihn dies nicht daran, den Vaterlandskonflikt in seinem in Baden-Baden verfassten Roman „Rauch“ aufzugreifen. Auch thematisiert Marion Voigt, wie Turgenjew, der slawophilen Russen wie Dostojewski ‚zu deutsch‘, aber so manchem deutschen Übersetzer ‚zu russisch‘ war, Rivalen und Freunden gleichsam Respekt zollte. Ebenso, wie seine Freundschaft zum politisch ähnlich gesinnten Ivan Gontscharow, dem Erfinder des russischen Müßiggängers Oblomow, an einem Plagiatsvorwurf zerbrach, und wie Turgenjew seine Karriere an der Liebe zu einer Opernsängerin orientierte.

Dank einer Frau wissen wir: Gogols Manuskripte brennen nicht

Dass Nikolai Gogol an einer Fortsetzung für „Tote Seelen“ werkelte und diese den Flammen zum Opfer fiel, ist bekannt. Weniger, dass wir seiner platonischen Freundin und der gelehrten Hofdame Alexandra Smirnova, mit der der gebürtige Ukrainer auch im Kurort Quartier bezog, Informationen zum Inhalt zu verdanken haben. Gogol, der mit der Verarbeitung des Kosakenmythos in seiner Erzählung „Taras Bulba“ die Frage nach der politischen Unabhängigkeit der Ukraine verarbeitet, hatte – das impliziert Marion Voigt zumindest – einen Publizisten im Kurort zu einer Übersetzung der Erzählung ins Deutsche bewegt.
An dieser Stelle wird die Frage in den Raum gestellt, ob Gogol als russischer oder ukrainischer Autor qualifiziert werden kann. Da Marion Voigt diese interessante, aber abschweifende Frage nur kurz anspricht, liest sie sich wie ein unbefriedigender Exkurs. Trotzdem ist er sinnvoll, da es auch diese Frage ist, die die ebenfalls gebürtige Ukrainerin, von der mehrere Memoiren und Erzählungen überliefert wurden, und den Dichter verbindet. Als Gogols Mäzenin setzte sich Smirnova dafür ein, dass seine Texte von der Zensur verschont blieben.

Zwischen philosophischem Reiseführer und literarischer Spurensuche

Zwischen philosophischem Reiseführer und literarischer Spurensuche lässt „Verheißung und Dekadenz“ den Leser die Korrespondenzen zwischen den literarischen Größen, darunter auch den Zarenerzieher Wassili Schukowski und Dichter Pjotr Wjasemski, nachverfolgen, ohne politische Parteiergreifung der Autorin. Ihr Input wird nur dann spürbar, wenn sie ihre persönlichen Eindrücke, die die Stadt mit ihren Schriftsteller-Denkmälern hinterlässt, sowie die liberale und für den gelehrten Russen so attraktive Badener Atmosphäre rekonstruiert. Das macht die Lektüre lebendig und verflechtet die Kapitel auf elegante Weise.

ISBN 978-3-910228-07-8

228 Seiten

€ 24,00

Das Produkt können Sie bei einem unserer Partner* erwerben:

<a href="https://buchszene.de/redakteur/christina-janousek-2/" target="_self">Christina Janousek</a>

Christina Janousek

Geboren und aufgewachsen in Wien, studiert Christina Janousek, Jahrgang 1993, Vergleichende Literaturwissenschaft. Nachdem sie praktische Erfahrungen in Verlagen, einem Literaturverein und in einer Zeitungsredaktion sammeln konnte, hat sie ihre Liebe für das Schreiben entdeckt, mitunter auch creative writing für englischsprachige Zeitschriften. Zu ihren Interessen zählen in Vergessenheit geratene Autoren sowie moderne Interpretationen von Texten und Filmen im Theater.

Das könnte Sie auch interessieren: