Unser Antiheld ist ein Künstler mit Geld- und Alkoholproblem
Simon Bills Erzähler ist ein namenloser Künstler, dessen erfolgreichste Jahre längst vergangen sind. Seine Freundin, eine Kuratorin, hat ihn verlassen und obendrein hat der in London lebende Maler nicht nur ein Geld-, sondern auch ein Alkohol- und Drogenproblem. So treibt er sich auf Vernissagen herum, um sich an kostenlosen Drinks zu berauschen. Da kommt ihm der Hinweis eines Freundes auf ein ganz besonderes Stipendium entgegen: Ein Institut für Neurowissenschaften ist auf der Suche nach einem Künstler.
Ein Institut an der Schnittstelle zwischen Kunst und Forschung
Die Idee des Arbeitsstipendiums ist es, eine Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft zu schaffen. Für das Institut allerdings geht es in erster Linie darum, Fördergelder abzugreifen und sich in der Öffentlichkeit positiv darzustellen. Wider Erwarten wird unser Antiheld am Ende eines undurchsichtigen Auswahlverfahrens den Posten als Artist in Residence.
Es sind versehrte Menschen, die im Institut behandelt werden
Das Institut erforscht verschiedenste neurologische Störungen. Unter den Patienten befinden sich Synästhetiker, die Farben schmecken können, Menschen, die Bewegungsabläufe wie durch Stroboskoplicht sehen und solche, deren Persönlichkeit durch Parasiten oder Unfälle verändert wurde. Welche Aufgabe unser Künstler genau übernehmen soll, ist nicht definiert und es gibt auch keinerlei Erwartung an ihn.
Unser Künstler verguckt sich in die hübsche Amnesie-Patientin Emily
Doch schon bald ist der Held fasziniert von den Anomalien der Menschen, mit denen er nun in dem Krankenhauskomplex zusammenlebt. Er entwickelt Mitgefühl für die Leiden dieser Menschen und Interesse für die Momente, in denen sie Glück erleben. Besonders die hübsche, etwa 40-jährige Emily, die unter einem Gedächtnisverlust leidet, beflügelt seine Phantasie. Stimuliert von dieser neuen Umgebung entwirft er ein Kunst-Workshop-Programm für die Patienten und besucht zahllose Vernissagen.
Simon Bill beschreibt die Absurditäten der Kunstszene so lustvoll wie böse
Hier zeigt Simon Bill seinen Sinn für Humor, denn wie er die Zusammenkünfte der Kunstszene beschreibt, ist nicht nur höchst realistisch, sondern auch außerordentlich witzig. Voller Lust an der Beschreibung der Abgedrehtheit der Kunst-Events und ihrer Protagonist*innen nimmt uns der Schriftsteller mit zu polyfonen Schrei-Installationen, Sturzhelm-Kunstwerken aus Mürbteig und Video-Performances, die die Grenzen des guten Geschmacks mehr als ausloten. Außerdem schmiedet unser Antiheld Pläne für eine große Ausstellung.
„Und Sie sind also der Künstler?“ ist auch ein Roman über das Gehirn
Simon Bills „Und Sie sind also der Künstler“ ist ein so origineller wie abgedrehter Roman, der höchst unterhaltsam die mitunter verrückten Ausformungen der Kunstwelt, ihrer Ökonomie und der Besessenheit ihrer Akteur*innen zeichnet. Es ist ein Buch über Kreativdrogen und Exzess, über den Wert von Kunst und ihre Geschichte – und über unser unberechenbarstes Organ: das Gehirn. Der Schauspieler Hans Löw ist eine feine Wahl für die Hörbuchfassung dieser Satire, denn mit seinem angenehmen Bariton fängt er das Bissige der Vorlage ebenso elegant ein wie das Einfühlsame. Auf faszinierende Weise macht er die in der Hauptfigur wachsende Sympathie für die Patienten auch stimmlich hörbar.