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Würden Sie auf die Idee kommen, Grundschülern das Autofahren beizubringen?

Ich rege mich auf!

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Ich könnte mich so aufregen! Heute Morgen lese ich in der Zeitung, dass sich Forscher, Lehrer und Kinder einig darüber sind, dass auch Grundschüler spielerisch lernen können, wie man programmiert. Wollen die sich über uns lustig machen, oder was? Natürlich können das Grundschüler lernen – es sind ja schließlich unsere Kinder – und die sind nicht blöd. Die Frage ist doch vielmehr, ob es gut ist, wenn Kinder in der Grundschule das Programmieren lernen. Sollten sie nicht erst einmal Lesen, Schreiben, Konzentration und soziales Verhalten üben? Wer in deutsche Grundschulklassen – und auch höhere Jahrgangsstufen schaut – wird feststellen, dass da durchaus noch Luft nach oben ist.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe nichts gegen Programmieren. Ein Computer ist zweifellos eine Maschine mit phantastischen Möglichkeiten – ähnlich wie das Auto. Aber wer käme denn auf die Idee, Grundschülern das Autofahren beizubringen?

Diese Idee wirkt umso verrückter, wenn man sich die Ergebnisse der erst kürzlich veröffentlichten Vorlesestudie der Stiftung Lesen, der „Zeit“ und der Deutsche Bahn Stiftung ansieht. Diese Studie nennt mannigfaltige Gründe, Eltern noch mehr dazu zu motivieren, ihre Kinder fürs Buch zu begeistern. Die positiven Auswirkungen des Vorlesens gehen nämlich weit über das hinaus, was ein selbstverständlicher Umgang mit Buchstaben mit sich bringt. Dass Kinder, die gerne und viel lesen, weniger Rechtschreibfehler machen, sprachlich gewandter und tendenziell besser in der Schule sind, darauf würde man ja auch ohne wissenschaftliche Studie kommen.

Aber die Auswirkungen des Lesens reichen noch viel weiter: Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, denken sozialer, haben einen feineren Gerechtigkeitssinn und empfinden eher Mitleid mit Schwachen. Sie sind neu- und wissbegieriger, sie haben mehr Phantasie und ein besseres Gedächtnis. Sogar fröhlicher sind die Vorlesekinder: 93 Prozent der Grundschüler, denen täglich vorgelesen wurde, werden von ihren Müttern als fröhlich beschrieben; bei Kindern, denen nur selten oder nie vorgelesen wurde, sind es nur 59 Prozent. Ähnliche Zahlen finden sich zum Selbstbewusstsein und sogar zur Bereitschaft zu teilen. Kinder, denen viel vorgelesen wird, sind sozialer, jedenfalls sagt das die Statistik.

Daher mein Vorschlag: Lasst uns doch mit dem Führerschein und dem Computerprogrammieren warten bis die Kinder keine Grundschüler mehr sind und es gelernt haben, zu lesen, zu schreiben, sich zu konzentrieren und aufeinander Rücksicht zu nehmen. Wenn sie dann durch das Lesen und Vorgelesenbekommen so neu- und wissbegierig geworden sind, wie es die Studie verspricht, dann werden sie sich begeistert und ganz von selbst auf neue Herausforderungen wie Programmieren und Autofahren stürzen.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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