Frau Bluhm liest „Die Bücher, der Junge und die Nacht“: 3 von 5 Blu(h)men
Der Sohn eines Buchbinders flieht aus dem zerbombten Leipzig
Die Liebe zu Büchern wurde Robert in die Wiege gelegt. Als Sohn eines Buchbinders und einer Verlegertochter flüchtet der damals Zehnjährige während der Bombenangriffe im Dezember 1943 aus Leipzig. Hilfe bekommt er dabei von einem geheimnisvollen Mann, den er danach aus den Augen verliert. Mehr als 30 Jahre später wird Robert durch eine Verkettung von Ereignissen gezwungen, sich mit seiner Vergangenheit und seinem Erbe auseinanderzusetzen. Die Reise zu sich selbst führt ihn zurück in die Stadt der Bücher.
Der Besitzer der Bibliothek möchte die Herkunft der Bücher verheimlichen
Kai Meyers neuer Roman „Die Bücher, der Junge und die Nacht“ wird auf drei Ebenen erzählt. Einmal begegnen wir Robert im Jahr 1971, als er mit seiner Kollegin Marie in einer Bibliothek auf Bücher trifft, die in der Buchbinderei seines Vaters entstanden sind. Dieser kam während der Bombenanschläge in der Nacht zum 4. Dezember 1943 ums Leben. Die Bücher wurden aber weit nach diesem Datum gefertigt. Der Besitzer der Bibliothek ist überhaupt nicht von der Vorstellung begeistert, dass Robert herausfinden könnte, woher diese Bücher stammen.
Ein mysteriöser Mann führt Robert durch die brennende Stadt
Die zweite Storyline bezieht sich auf Roberts Flucht aus Leipzig. Im Jahr 1943 lebt Robert seit zehn Jahren versteckt in einem Keller. Er kennt nichts anderes und weiß weder wie er dort hinkam, noch wer der mysteriöse Mann ist, der ihn, als die Wände seines Gefängnisses während des Bombenanschlages einstürzen, mit durch die brennende Stadt in die Freiheit nimmt.
Eine Diktatur, ein Rechtsstreit und eine hübsche Juli
Eine weitere Erzählebene führt uns in die Zeit von 1933, als Roberts Vater Jakob unter der entstehenden faschistischen Diktatur eine kleine Buchbinderei in Leipzig betreibt. Dort lernt er die hübsche Juli kennen, die Tochter des Verlegers, mit dem Jakob sich seit Jahren im Rechtsstreit befindet.
„Die Bücher, der Junge und die Nacht“ ist eine Hommage an Leipzig
Mit seinem Roman „Die Bücher, der Junge und die Nacht“ führt Kai Meyer seine Leser durch mehrere Jahrzehnte deutscher Buchgeschichte und verknüpft das Ganze mit interessanten Fakten über die Geschichte eines von Unterdrückung, Krieg und Teilung gebeutelten deutschen Staates. Die Liebe, die er der Bücherstadt Leipzig entgegenbringt, ist dabei jederzeit spürbar. Die Lektüre gefällt mir so gut, dass ich gerne mal wieder einen Ausflug nach Leipzig machen würde.
Kai Meyers Protagonisten bleiben mitunter blass
Kai Meyer nimmt sich fast 500 Seiten Zeit für drei gewaltige Geschichten. Leider ist dabei deutlich spürbar, dass für keine der drei Storylines genügend Raum bleibt. Die Protagonisten bleiben blass, die Motivationen ihrer Handlungen oft im Unklaren. Ich hätte mir da mehr Raum für Entwicklung gewünscht. Gerade Robert legt in manchen Situationen eine Gewaltbereitschaft an den Tag, die der Autor nicht nachvollziehbar macht. Das lässt mir Robert als Protagonisten sehr unglaubwürdig zurück.
Dieser eigentlich spannende Roman hätte mehr Seiten verdient
Grundsätzlich ist der Roman sehr interessant und spannend aufgebaut. Gerade die Ereignisse im Jahr 1933 sind gut recherchiert und glaubwürdig vom Autor dargestellt. Leider entstehen auch hier Lücken, die die spätere Erzählung auch mithilfe von Rückblenden nicht füllen kann. Es werden einfach zu viele Elemente auf zu wenigen Seiten untergebracht. Fazit: Dem Roman hätten 200 Seiten mehr gutgetan.