ISBN 978-3-86820-339-4

ca. 432 Seiten

€ 5,95

Er liebte die Natur und schlug sich trotz Harvard-Abschluss als Tagelöhner durch. Anlässlich von Henry David Thoreaus 200. Geburtstag taucht Frank Schäfers Biographie tief ein in das Leben des „Walden“-Autors.

Frank Schäfers Biographie über den „Walden“-Schöpfer und Rebellen Henry David Thoreau

Berühmt ist Henry David Thoreau vor allem wegen seines Hauptwerks „Walden“

Er war Harvard-Absolvent und Gärtner, Abenteurer und Landvermesser, Bleistiftproduzent und Schulmeister, Anstreicher und Vortragsreisender, Überlebenskünstler und Bergsteiger, Landwirt und Zimmermann, Tagelöhner und Schleifpapierhersteller. Er saß im Gefängnis, weil er sich weigerte Steuern zu bezahlen und riskierte sein Leben für die Freiheit von Sklaven. Bis heute zählt er – vor allem wegen seines Hauptwerks „Walden“ – zu den wichtigsten Schriftstellern der amerikanischen Literaturgeschichte. Am 12. Juli wäre er 200 Jahre alt geworden: Henry David Thoreau, dessen Leben und Werk seit kurzem von der sich nach Originalität und „back to nature“ sehnenden Hipster- und Vollbartträger-Fraktion wiederentdeckt wird.

Anlässlich dieses Geburtstags hat der Schriftsteller, Kritiker und Essayist Frank Schäfer eine Biographie verfasst, die man allein schon wegen ihrer kunstvoll-natürlichen Covergestaltung unbedingt lesen möchte. Die Bilder im Buch aus der Frühzeit der Photographie sind übrigens auch sehr schön.

Henry David Thoreau passt in keine Schublade

Allerdings stand Frank Schäfer mit der Abfassung dieser Biographie vor keiner leichten Aufgabe, denn Henry David Thoreau hinterließ eine gigantische Menge an Schriften – allein seine Tagebücher füllen Regale. Ordnung in diese unordentliche Lebensgeschichte zu bringen, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Henry David Thoreau passt in keine Schublade und sein Leben in kein Buch. So liest sich die Biographie zunächst auch eher wie ein wissenschaftlicher Aufsatz. Doch Seite für Seite findet Frank Schäfer zu einem geschmeidigeren Erzähl-Beat, erlaubt sich beim Formulieren mehr Freiheiten und schafft es schließlich den Leser mit Henry David Thoreaus unerhörter Lebensgeschichte in seinen Bann zu ziehen.

Seine größte Angst galt dem Verlust der Freiheit

Es gelingt Frank Schäfer sehr gut, das Außergewöhnliche an Henry David Thoreaus Persönlichkeit herauszukehren: die Tatsache, dass er trotz eines Harvard-Abschlusses auf eine Karriere verzichtete und sich stattdessen in die Wälder schlug, um dort die Natur auf ganz praktische Weise zu entdecken und zu erleben; Henry David Thoreaus unglaublichen Freiheitsdrang; seine Bescheidenheit einerseits, die sich etwa darin äußerte, dass er sich für einfachste Arbeiten nicht zu schade war – und seine Überheblichkeit andererseits: Wieviele Angebote schlug er aus, weil im widerstrebte, Erwartungen zu erfüllen oder er fürchtete, von Menschen oder Institutionen in seiner Freiheit beschnitten zu werden. Freiheit, das war sein Lebensding.

Henry David Thoreau war ein realistischer Träumer

Henry David Thoreaus Glaube an den eigenen, individuellen Weg, war unerschütterlich: „Wenn jemand vertrauensvoll in der Richtung seiner Träume vorwärtsschreitet und danach strebt, das Leben, das er sich einbildete, zu leben, so wird er Erfolge haben, von denen er sich in gewöhnlichen Stunden nichts träumen ließ.“ Der Waldgänger und Rebell war ein realistischer Träumer. So notiert er eines Weihnachtsabends in sein Tagebuch: „Es ist an der Zeit, dass ich anfange zu leben. Ich möchte so sein wie meine Wälder, und werde nicht eher ruhen, bis ich eure Unschuld erlangt habe.“

„Walden“ ist ein zivilisationskritisches Pamphlet, eine Aussteigerfibel

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In den beiden Jahren, die er am Waldensee nahe seiner Heimatstadt Concord verbrachte, auf einem Grundstück, das ein Freund gekauft hatte, begründete er seinen Weltruhm. In seinem Schlüsselwerk „Walden“ berichtet er von dieser Zeit, in der er zum Vorbild für alle Aussteiger, Ökofreaks und Natur-Eremiten wurde: wie er eine Hütte errichtete und sich als Selbstversorger zu behaupten versuchte. „Walden“ erschien im Jahr 1854. Henry David Thoreau hatte an seinem Hauptwerk jahrelang gearbeitet. Es strotzt vor Details und liest sich deshalb mitunter etwas zäh. Frank Schäfer bezeichnet „Walden“ ganz richtig als „lyrischen Panegyricus auf die Natur, Glaubensbekenntnis, lebensphilosophischen Ratgeber, zivilisationskritisches Pamphlet, Aussteigerfibel mit praktischen Überlebenstipps, fundierte Naturkunde des Sees, als bis in die Mythologie zurückgehende Lokalhistorie, autokratische Erzählung und als einen ökonomischen Rechenschaftsbericht seines wissenschaftlichen Experiments“.

Henry David Thoreau starb mit nur 44 Jahren

Henry David Thoreau wollte zurück zur Natur. Im Laufe seines Lebens legte er ein Privatmuseum mit naturhistorischen und indianischen Artefakten an. Er machte Drogenerfahrungen beim Zahnarzt, er entdeckte einen Zusammenhang zwischen Blütenstaub und saisonalen Krankheitserscheinungen beim Menschen und tat damit einen ersten Schritt in Richtung einer modernen Allergologie. Er rettete zahllosen Sklaven das Leben und beschrieb sehr präzise die Defizite der Zivilisation und die Gründe der Unzufriedenheit des Menschen. Defizite und Gründe, die noch heute genau so vorhanden sind wie er sie vor beinahe 200 Jahren erkannt hatte.
Wie sehr sein Leben und Werk bis in die heutige Zeit hinein wirken, lässt sich auch daran erkennen, dass vor nicht allzu langer Zeit eine ziemlich hippe Zeitschrift aus der Taufe gehoben wurde, die einen Titel trägt, der dem am 6. Mai 1868 nur 44-jährig an Tuberkulose gestorbenen Henry David Thoreau gefallen hätte: „Walden“.

ISBN 978-3-86820-339-4

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Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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