Frau Bluhm liest „Hank Grave – Genesis“: 5 von 5 Blu(h)men
Nach einem Kampfeinsatz ist Hank Graves Erinnerung ausgelöscht
Hank Grave, der seinen Namen (absolut zu Recht) nicht leiden kann, erwacht nach einem Kampfeinsatz in Afghanistan zuhause in seinem Bett, bei seiner Frau, in der beschaulichen Kleinstadt Elmfield. Er weiß nicht, wie er dort hinkam, was genau passiert ist und auch sonst fehlen ihm viele Erinnerungen. Allerdings merkt er ziemlich bald, dass etwas Merkwürdiges um ihn herum vorgeht; und schon bald soll sich herausstellen, dass das Leben, in dem Hank sich einzurichten versucht, viel mehr ist, als das, was es zu sein scheint. Als Leser lässt uns Alex DeLorean Hanks Qualen hautnah miterleben und entführt uns gemeinsam mit ihm auf eine packende Identitätssuche, in deren Verlauf alles vermeintlich Reale radikal in Frage gestellt wird.
Man fühlt sich auf unglaublich direkte Weise mit Hank verbunden
„Hank Grave – Genesis“ ist Alex DeLoreans Debütroman. Da die Erzählperspektive zwar allwissend, Autor DeLorean allerdings mit Informationen zunächst sehr sparsam umgeht, fühlt man wirklich direkt und unmittelbar mit dem Protagonisten Hank mit. Besonders im ersten Teil der Geschichte weiß man genauso wenig, was vorgeht, wie Hank selbst. Alex DeLoreans Held ist ein obersympathischer Kerl, liebt die Musik von Johnny Cash (wer nicht?) und steht auf Clint-Eastwood-Filme. Gemeinsam mit ihm erleben wir allerlei Irritierendes, wir erschrecken genauso wie er über die unglaublichen Entwicklungen und wenn wir denken, dass es jetzt nicht mehr dicker kommen kann, dann serviert Alex DeLorean schon auf der nächsten Seite eine neue Überraschung.
Sehr gut gelungen sind Alex DeLorean auch seine Nebendarsteller
Auch die anderen Charaktere werden detailliert und authentisch eingeführt. Alle Personen, bis hin zum letzten Nebencharakter, sind so gut beschrieben, dass man denkt, sie würden ins Zimmer kommen, sobald die Tür sich öffnet. Mir persönlich gefallen diese Nebencharaktere ganz besonders gut. Allen voran der selbsternannte, alternde Alien-Experte Jerry, der mich in seiner Extravaganz daran denken lässt, dass Agent Mulder gewiss genauso geworden wäre, hätte er Scully nicht gehabt. Da dieses Buch als Auftakt einer Reihe gedacht ist, ist diese Art der Charaktereinführung ein sehr guter schriftstellerischer Schachzug, um den Nährboden für eventuell späteres Wiederauftauchen einer liebgewonnenen Figur zu bereiten.
Für mich ist „Hank Grave – Genesis“ ist ganz großes Kino!
Überhaupt hatte ich von der ersten bis zur letzten Seite des sprachlich sehr ansprechenden Debütromans stetig das Gefühl, mitten in einem guten Film zu sein. Oder mitten in einer meiner favourite Serien ever: Akte X. Alex DeLorean zeichnet seine Figuren, Schauplätze und Handlungen derart eindringlich und bilderreich, dass ich ein paar Mal die Pausetaste gesucht habe. Allerdings hätte ich sie wahrscheinlich sowieso nicht gedrückt, um diesen spannenden, fesselnden Film nicht zu unterbrechen.
Starke Bilder, komplexe Handlung und jede Mengen Überraschungen
Die Leistung, einen Text so voll mit Bildern zu packen, ohne ins Schwafeln zu kommen; eine dermaßen komplexe Handlung, die nie konstruiert wirkt, so zu verpacken, dass man sie gut verstehen, aber zu keiner Sekunde vorhersagen kann; für Überraschung zu sorgen, aber dennoch Charaktere an den Start zu bringen, die authentisch, lebendig und echt wirken; das Ganze dann auch noch einzubetten in eine nett geschriebene Prosa, zwischen deren Zeilen immer wieder wunderbarer, ironischer Humor hervorblitzt … je länger ich schwärme, umso mehr habe ich das Gefühl, das es für mich nur eine Möglichkeit gibt: Ich muss „Hank Grave – Genesis“ gleich noch einmal lesen.