Sebastian Fitzek bearbeitet mit „Elternabend“ Jan Weilers Meisterdisziplin
Eltern und ihre Sorge um die lieben Kinder sind wunderbare Stoffe für Komödien. Der Bestsellerautor Jan Weiler hat aus seinen Beobachtungen aus den Untiefen der Familie einige unterhaltsame Bücher gemacht wie etwa „Und ewig schläft das Pubertier“ oder „Älternzeit“. Dass der vermutlich erfolgreichste deutschsprachige Thrillerautor Sebastian Fitzek dieses Genre auch mal bedienen möchte, geht in Ordnung. Jan Weiler bewegt sich seinerseits mit seinen Kühn-Krimis regelmäßig im Krimi-Genre.
„Elternabend“ ist kein Thriller, sondern eine Komödie
Allerdings wirkt Sebastian Fitzek – so wie er sich in „Elternabend“, also in diesem laut Coveraufschrift „Kein Thriller (Auch wenn es nach Horror klingt)“, präsentiert – irgendwie ein wenig aufgescheucht. Die Souveränität und Geradlinigkeit, mit der Sebastian Fitzek seine Thriller aufbaut und dann von Anfang bis Ende eiskalt heruntererzählt, die geht seinem Roman „Elternabend“ ab. Die Art, mit der er den „Elternabend“ vor unseren Augen entfaltet, wirkt verspannt und unlocker, ja auch ein wenig streberhaft. Es ist, als wollte er besonders witzig sein, es besonders gut machen; als hätte er sich vorgenommen keinen Satz ohne Wortspiel, Pointe oder irre Metapher abzuschließen. An vielen Stellen würde man sich wünschen, dass er weniger macht, weil es oftmals bemüht witzig wirkt und anstrengt.
Was in Sebastian Fitzeks „Elternabend” kritisiert werden muss
Es schmerzt, dies zu schreiben, denn Sebastian Fitzek ist ein großartiger Schriftsteller und es ist ihm zuzutrauen, dass er eigentlich auch eine Komödie wie „Elternabend“ so schreiben können sollte, dass ihre Lektüre die reine Freude ist. Aber dieser Versuch mit „Elternabend“ ist eher missglückt, weil er hinsichtlich des Pointenreichtums und der Witzdichte zu viel wollte, dafür aber bei seiner eigentlichen Stärke – dem Plot und der Hauptgeschichte, die uns durch den Roman tragen sollte, zu wenig liefert. Vielleicht hat er die Schwäche seiner Handlung während des Schreibens selbst erkannt und versucht, von ihr durch den etwas ungezielten Einsatz der Humorkanone auszugleichen?
Zwei Kriminelle, die einander nicht kennen, geraten auf einen Elternabend
Dabei ist die Ausgangssituation, in die Sebastian Fitzek seine beiden Hauptfiguren, den Ich-Erzähler Sascha Nebel und seine unfreiwillige Partnerin Christin stellt, brillant gewählt: Der lebensmüde Sascha ist gerade dabei, ein Luxus-SUV zu stehlen, als eine Gruppe Klimaaktivisten das Terrain stürmen. Unter ihnen eine junge Frau mit Baseballschläger, die ohne zu zögern auf das SUV, in dem Sascha sitzt, eindrischt. Als die Polizei anrückt, ergreifen Sascha und die unbekannte Frau gezwungenermaßen gemeinsam die Flucht und platzen in den Elternabend einer 5. Klasse. Um nicht als flüchtige Kriminelle aufzufliegen, geben sich die beiden als Eltern des elfjährigen Hector aus. Da dessen Eltern sich noch nie auf schulischen Veranstaltungen haben blicken lassen, funktioniert der Trick. Was Sascha und Christin nicht wissen: Hector und seine Eltern sind alles andere als beliebt in der Klasse, denn der Junge ist ein Flegel.
„Elternabend“ basiert auf einer prima Idee, ist aber nicht gut ausgearbeitet
Wer diese Kurzinhaltsangabe liest, dem ist klar: Das ist eine super Idee. Diese Geschichte gehört erzählt! Jeder, der schon einmal auf einem Elternabend war, weiß welch abwegige Richtungen Diskussionen unter Eltern nehmen können. Das Potential an absurdem Witz ist gigantisch. Aber bei Sebastian Fitzek findet der Elternabend auf einer Insel statt, was nun nicht so typisch für Elternabende ist; und genau genommen handelt es sich auch nicht um einen Elternabend, sondern um ein ganzes Wochenende und irgendwie geht es dann auch gar nicht unbedingt immer um Eltern und Kinder. Auch trägt die schöne Grundidee den Text dann auch nicht so richtig über die 320 Seiten, die uns Sebastian Fitzek zumutet. Wir bedauern, dies so festhalten zu müssen: Diesen humoristischen Roman komplett durchzulesen, hat uns wirklich Mühe gekostet. Wir glauben aber, dass Sebastian Fitzek bessere Komödien schreiben kann – wenn er sich die Handlung vorab genau überlegt und nicht versucht, in jedem Satz einen nur halbguten Scherz abzuladen.