Hakt man drei Dinge ab, dann ist „Ich war Bild“ eine interessante Lektüre
Sagen wir es mal so: Der Verfasser dieser Zeilen war noch nie ein Fan der Bild-Zeitung und auch nicht von Kai Diekmann. Auch hätte man sich von der Lektüre seines Buchs „Ich war Bild – Ein Leben zwischen Schlagzeilen, Staatsaffären und Skandalen“ zumindest einige Sätze über den (eingestellten) Prozess erwartet, in dem Kai Diekmann 2016 vorgeworfen worden war, eine Springer-Mitarbeiterin auf einer Tagung beim Baden belästigt zu haben; und vielleicht auch noch einige Worte über die Affäre um seinen Nachfolger als Bild-Chefredakteur, Julian Reichelt. Hakt man diese drei Punkte ab, so muss man festhalten, dass „Ich war Bild“ eine durchaus interessante Lektüre ist.
Kai Diekmann erzählt, wie Bundespräsident Christian Wulff sein Amt verlor
Das spannendste Kapitel setzt Kai Diekmann gleich an den Anfang seines Sachbuchs. Überschrieben mit „Ziemlich beste Feinde“ rekapituliert der Journalist den Fall des Bundespräsidenten Christian Wulff in einer Detailtreue, die fasziniert. Der Ex-Bild-Chefredakteur erzählt ihn als die erstaunliche Geschichte eines Politikers, der im Amt die Bodenhaftung verloren und in der Folge ein seltsames Verhältnis zur Wahrheit und zur Macht entwickelt hat.
Auch der Abhöraffäre um Günter Wallraff und Bild widmet er ein Kapitel
Aber es geht in „Ich war Bild“ unterhaltsam weiter: Kai Diekmann erzählt, wie er mittels hausinterner Recherchen versuchte, herauszufinden, was seinerzeit bei der sogenannten Abhöraffäre wirklich passiert und inwieweit der Bundesnachrichtendienst oder der Verfassungsschutz involviert waren. Am Ende würzt der Autor seine Erzählung mit einem Tischtennis-Duell, das er gegen den wesentlich älteren Investigativ-Journalisten Günter Wallraff haushoch verliert.
Das Helmut-Kohl-Kapitel gerät etwas schmierig, ist aber lesenswert
Ein wenig schmierig gerät das Kapitel über Kai Diekmanns Freundschaft zum verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl. Schmierig deshalb, weil diese Freundschaft insgesamt befremdet. Nichtsdestotrotz ist es lesenswert, liefert dieses Kapitel doch einige überraschende neue Informationen über den Altkanzler, insbesondere Details über das Zerbrechen seines Verhältnisses zu seinen beiden Söhnen und um die Beerdigung Helmut Kohls. Kai Diekmann erzählt hier aus allererster Reihe, weil er offensichtlich wirklich sehr eng mit Helmut Kohl und dessen zweiter Frau Maike Kohl-Richter befreundet war bzw. ist.
Begegnungen mit Angela Merkel, Gerhard Schröder und Wladimir Putin
Auch über sein Verhältnis zur Türkei, über den Brandanschlag auf sein Auto, über seine Begegnungen mit Angela Merkel, Gerhard Schröder, Wladimir Putin und Donald Trump bringt Kai Diekmann allerlei Erfahrenswertes aufs Papier. Man muss festhalten, dass dieses Buch auf keiner Seite langweilt. Kai Diekmann erzählt so, dass man gerne weiterliest.
Kleine Eitelkeiten und ein ziemlich positives Fazit
Und selbst wenn man ihn mitunter bei kleinen Eitelkeiten ertappt, zum Beispiel, wenn er auf Seite 474 folgendes schreibt: „Schneeflocken wehen über die Startbahn, als wir – Nikolaus Blome, der immer noch besser aussieht als ich, der unvermeidliche und für mich unersetzliche Fotograf Daniel Biskup und ich, mittlerweile Ex-Chefredakteur und neuerdings Herausgeber von BILD – mit einer Privatmaschine vom Flughafen Schönefeld Richtung Sotschi abheben.“ (Die Eitelkeit besteht darin, das Aussehen der beiden Journalisten zu thematisieren. Was hat das mit einem Besuch bei Putin zu tun?) Wenn man also diese vereinzelten Eitelkeiten beiseite lässt, muss man sagen, dass Kai Diekmann, der für viele Menschen ein Objekt des Hasses war, in diesem Buch ziemlich sympathisch rüberkommt. Wir haben dieses Buch jedenfalls mit Freude und in kürzester Zeit gelesen.
P.S: Das John-Wayne’sche Kai-Diekmann-Porträt auf dem Buchcover empfinden wir als albern.