An seinem Gürtel hängt ein langes Messer, sein Gesicht ist voller Ruß
Die Siebzehnjährige in der Flecktarnhose will gerade weitergehen, als zehn Meter vor ihr ein Mann hinter einem Baum hervortritt. Dem Mädchen ist augenblicklich klar, dass es sich nicht um einen harmlosen Spaziergänger handelt: Der Fremde trägt schwere Stiefel und eine olivgrüne Armee-Hose. An seinem Gürtel hängt in einem ledernen Holster ein langes Messer, sein Gesicht ist mit Ruß beschmiert.
Der Fremde in der Armee-Hose stürzt sich auf die Siebzehnjährige
Mehr kann Cayenne im Dämmerlicht nicht erkennen. Nur seine Augen sind gut zu sehen, sie funkeln gefährlich. Das Mädchen erschaudert, ist unfähig, sich zu rühren, beobachtet mit wachsendem Entsetzen, wie der Mund des Mannes sich zu einem Grinsen verzieht, das eine Reihe gelbbrauner Zähne enthüllt. Widerlich, denkt sie noch, dann stürzt er sich auf sie.
Cayenne und Jo werden mit Härte in Kampf und Survival gedrillt
Das Mädchen, das wir im Prolog von Volker Klüpfels und Michael Kobrs Thriller-Debüt „Draussen“ kennenlernen, heißt Cayenne. Sie lebt gemeinsam mit ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Jo und einem Mann namens Stephan im Wald. Stephan, der in einer engen, aber seltsamen Beziehung zu den Geschwistern steht, drillt die beiden: Er lehrt sie die Kunst des Überlebens unter widrigsten Bedingungen, bringt ihnen Kampftechniken bei, unterweist sie aber auch in klassischen Schulfächern wie Englisch oder Mathematik.
In der Wildnis träumen die Geschwister von einem normalen Leben
Den Kindern hängt dieses einsame Leben im Wald zum Hals heraus. Sie wünschen sich Freunde oder wenigstens Kontakt mit anderen Menschen. Sie wünschen sich ein Smartphone. Doch der Vater blockt all diese Wünsche ab: „Leute, ich weiß, dass es schwierig für euch ist. Aber wir sind einfach nicht wie die anderen da draußen. Wir würden zu viele Spuren hinterlassen. Ihr braucht kein Handy, glaubt mir. Ich weiß doch, was das Beste für euch ist.“
Hinter jedem Baum scheint eine geheime Gefahr zu lauern
Der Vater, der – um Geld zu verdienen – immer wieder als Survival-Coach arbeitet und dabei regelmäßig wegen seiner rüden Art aneckt, bereitet seine Kinder auf eine Ausnahmesituation vor. Er ist sich sicher, dass diese Situation kommen wird und dass sie tödlich sein wird. Eine Überlebenschance hat seiner Ansicht nach nur, wer sich mit Härte, Disziplin und dem Wissen eines Einzelkämpfers auf sie vorbereitet hat. Doch der permanente Ausnahmezustand nützt sich ab. Je länger Cayenne und Jo das genussfeindliche Leben im Wald ertragen, umso weniger halten sie die Gefahr, mit der ihr Vater stets droht, für real. Bis er tatsächlich eines Tages vor ihr steht: der Mann, der sie töten will.
„Draussen“ ist ein klassischer Thriller mit echten Bösewichten
Volker Klüpfels und Michael Kobrs neuer Roman hat so gar nichts von der gemütlich-heiteren Behäbigkeit ihrer Krimis um den knorzigen Kommissar Kluftinger. „Draussen“ ist ein klassischer Thriller mit wirklich bösen Bösewichten, paranoiden Verschwörungstheoretikern, gewissenlosen Lobbyisten und einer Gruppe Menschen, die das Ende der Welt kommen sieht: den Blackout. In diesem Thriller gibt es nichts zu lachen, aber eine ordentliche Portion Spannung.