Frau Bluhm liest „Die Wolkenfischerin“: 4 von 5 Blu(h)men
Jahrelang hat Claire an ihrer perfekten Fassade gebaut, aber dann …
Ein schönes Schlamassel hat sich Claire Durant da eingebrockt! Eigentlich lief alles so gut: Ihr Job beim Gourmet-Magazin „Genusto“ macht ihr große Freude, die Kollegen sind nett und Chef Sebastian möchte ihr nun sogar die große Chance geben, Chefredakteurin eines Kulturmagazins zu werden. Doch dann kommt ein Anruf aus Frankreich: Claires Mutter liegt mit einem gebrochenen Bein im Krankenhaus, ihre taube Schwester ist zuhause ganz allein auf sich gestellt. Claire reist zurück in ihre Heimat, die nicht, wie sie in Berlin allen Glauben gemacht hat, in einem der schickeren Arrondissements von Paris zu finden ist, sondern in einem kleinen Fischerdorf in der Bretagne. Die Fassade der reichen Diva droht einzustürzen, besonders, da durch einen grandiosen Zufall auch plötzlich ihr Chef Sebastian in der kleinen Stadt am Meer auftaucht. Ein für Sebastian nicht immer so glückliches Verwechslungsspiel beginnt, an dessen Ende Claire sich fragen muss, wohin sie eigentlich gehört.
In vielerlei Hinsicht ist dieses Buch ein klassisches Verwechslungsstück
Claudia Winters neuer Frauenroman „Die Wolkenfischerin“ erinnert in vielen Einzelheiten an ein ganz klassisches Verwechslungsstück. Durch mehrere Rückblenden am Anfang des Buches erfährt man viel über Claires (die im Übrigen eigentlich den Zungenbrecher-Namen Gwenaelle trägt) Vergangenheit. Man erlebt noch einmal mit ihr den frühen Verlust ihres Vaters, den Wegzug aus der Bretagne im Alter von 15 Jahren und den Neuanfang in Paris, als sie bei ihrer exzentrischen Tante Valerie unterkommt. Lustigerweise ist einem als Leser, Claire ganz oft gar nicht wirklich sympathisch. Man entdeckt, mit wie vielen Lügen diese Frau sich jahrelang Karriere und Leben aufgebaut hat. Beim Lesen schafft sie aber das, was sie im Laufe des Romans auch mit den Bewohnern des Fischerdorfs schafft: Sie erntet Respekt. Und langsam aber sicher schleicht sie sich in die Herzen derer, die ihre Geschichte lesen. Am Ende des Buches fand ich sie dann fabelhaft.
Eines Tages fällt Claires mühsam aufgebaute Identität in sich zusammen
Die Steine, die ihr auf ihrem Weg zur angeblichen Hauptstadtdiva in den Weg gelegt werden, nutzt sie eifrig zum Mauerbau um die eigene Person. Als sie auf den Spuren ihrer Vergangenheit zurück ans Meer kommt, beginnt diese Mauer dann einzustürzen und alle Unwahrheiten werden ans Licht gezerrt. Ganz oft werden die aber von Claire selbst aufgedeckt, und das bringt ihr letzten Endes Sympathiepunkte ein.
„Die Wolkenfischerin“ lebt vom Charme von Frankreichs Küstenbewohnern
Ihr Chef Sebastian trägt sein Übriges dazu bei. Der arme Kerl muss Einiges erleiden, bevor Claire sich ein Herz fasst und ihm die Wahrheit sagt. Ganz kleiner Spoiler: Man darf sich schon mal auf einen zebragestreiften Mercedes freuen. Die Szenen, die sich daraus ergeben, dass Claire zu Anfang das ganze Dorf einspannt, um den armen Sebastian aus der Bretagne zu vertreiben, sind voller Witz und geprägt vom typisch rauen Charme der französischen Küstenbewohner. Insgesamt ist diese Phase des Romans sehr unterhaltsam und ich habe einige Male beim Lesen laut lachen müssen.
Doch auch die leisen Töne kommen bei Claudia Winter nicht zu kurz
Doch auch die sanften Töne versteht Claudia Winter meisterhaft umzusetzen. Die Storyline um Claires zauberhafte, aber taube Schwester Maelys, die nichts mehr braucht als ihre Malfarben, geht einem richtig ans Herz, einfach weil sie durch simple Einfachheit besticht. Die Art und Weise, wie die zwei Schwestern und ihre Mutter seit fast 20 Jahren mit der Trauer um den geliebten Vater umgehen, beschreibt Claudia Winter wundervoll einfühlsam und herzerwärmend. Gerade Claire, die von ihrem Vater immer „Wolkenfischerin“ genannt wurde, weil er dachte, sie sei zu Größerem bestimmt, als in einem Fischerdorf alt zu werden, geht wohl den einsamsten Weg der Trauer. Dass es ihr gelingt, diesen Zustand endlich zu überwinden, verschafft ihr den oben erwähnten Respekt.
Dieser Roman ist lustig, romantisch und dezent philosophisch
Mein Fazit: In diesem Buch ist eigentlich alles drin – viel zum Schmunzeln, eine Menge zu lachen, die Romantik kommt auch nicht zu kurz, und dabei bleibt aber immer noch ein dezenter philosophischer Unterton. Ein kleines Zitat möchte ich zum Schluss mit euch teilen, ausgesprochen von Claires unglaublich charmanter Tante Valerie. Und äußerst weise noch dazu, indem sie sagt: Über Sackgassen schimpfen nur Leute, die keinen Rückwärtsgang haben!