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„Ich habe in Leipzig sicher mehr Menschen berührt als Buchumschläge“

Das Buch ist cool. Rückblick auf die Buchmesse Leipzig von Autor Jörg Steinleitner

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Die Buchmesse ist vorüber und Leipzig hat sich in der Rangliste meiner Lieblingsstädte noch weiter emporgearbeitet. Dies ist der Bäckereiverkäuferin im Hauptbahnhof zu danken, welche mich darüber unterrichtete, dass ein Krapfen auf Leipzigerisch „Pfannkuchen“ heißt. Auch sonst gab es der Überraschungen viele: Wer das Ende des Buchs prophezeit, irrt. Bücher sind nach wie vor cool, es kann nicht anders sein, denn in manchen Hallen der Leipziger Messe ging es zu wie am Einlass eines Konzerts mit Taylor Swift. Ich habe in diesen Tagen ganz sicher mehr Menschen berührt als Buchumschläge. Unfreiwillig natürlich. Man kuschelte sich durch die Gänge.

Zum Glück gab es die Security, die dafür sorgte, dass man sich auch auf der Buchmesse ein wenig an die Flüchtlingsdramen der Zeit erinnerte. Allerorten auf dem Messegelände wurden künstliche Grenzen gezogen, Wege abgeriegelt, Einbahnstraßen errichtet.

Wäre der Silberzahn mit Siegfried Lenz auch so auf Konfrontation gegangen?

Immerhin widerstanden die Männer mit den schwimmwestengelben Jacken der Versuchung, sich als Schleuser zu betätigen: Ich wollte einige Minuten vor der offiziellen Messeöffnungszeit in die Halle, um die Technik für meine Lesung auf der Lesebude vorab zu checken, aber der Kerl erklärte, dass ich hier und jetzt keinen Zutritt hätte. Mein nur ein ganz klein wenig übertriebenes Rockstar-Argument, dass er ohne mich genau genommen gar nicht hier wäre, konterte der Kerl mit einem herablassenden Lächeln, welches mindestens sieben Silberzähne entblößte. Als dann auch noch sein Kollege mit einem Nasenring, der hinsichtlich Größe und Machart jedem Stier zur Ehre gereicht hätte, maskulin nickte, fühlte ich mich unsecure und trat in die zweite Reihe.

Es ist richtig, dass das Sicherheitspersonal auf einer Buchmesse nicht das neue Buch von Juli Zeh oder Navid Kermani gelesen zu haben braucht, aber müssen ausgerechnet Leute für Sicherheit sorgen, denen man nicht einmal den Schlüssel zu seinem Kühlschrank überlassen würde? Den Vogel schoss der Türsteher ab, als die Pressechefin meines Verlags ihn nach der technischen Leiterin fragte: Er hatte den Namen seiner obersten Vorgesetzten noch nie gehört. Und so blieben wir eben erst einmal draußen. Hätte der Holzkopf dies mit Siegfried Lenz auch gemacht?

Ansonsten aber nur Schönes: viele, viele Manga-Prinzessinnen und –Ritter auf den Gängen und Fluren. Die Freude der Jugend am Verkleiden ist ungebrochen. Und dazu war – im Gegensatz zum Karneval – niemand besoffen. Nein, man promenierte, wurde gesehen und sah. Erstaunlich, dass man dafür aus allen Winkeln der Republik anreist. Der Mensch ist ein Wunder der Natur und das Manga-Mekka Leipziger Buchmesse auch. Was bleibt am Ende? Es gibt viele neue Bücher. Viele davon sind gut. Und weil die Leipziger ihre Krapfen „Pfannkuchen“ nennen, heißen die echten Pfannkuchen dort „Eierkuchen“. In Hamburg bezeichnen sie die Krapfen als „Berliner“. Aber dort gibt es keine Buchmesse, wofür man die Hansestadt nur bedauern kann.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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