ISBN 978-3-947984-09-1

324 Seiten

€ 20,00

Er war Betriebswirt und fasste eines Tages einen kühnen Plan: Per Anhalter um die Welt zu reisen. Im Interview erzählt Daniel Dakuna wie es war – und von seinem Buch „Anekdoten eines Beifahrers“.

Daniel Dakuna im Interview über sein Abenteuerbuch „Anekdoten eines Beifahrers“

Titelbild Anektoden eines Beifahrers

Herr Dakuna, Sie sind 53.000 Kilometer per Anhalter gereist, haben sich in 432 fremde Autos gesetzt und bei 135 unbekannten Menschen übernachtet. Wer sich so sehr in die Hände anderer Menschen gibt, der muss entweder sehr naiv oder unendlich mutig sein. Was sagen Sie dazu?

In meinen Augen bedeutet Mut etwas zu tun, bei dem man etwas zu verlieren hat. Mein Worst-Case-Szenario sah wie folgt aus: Ich strande ohne Geld irgendwo im Unbekannten. Und selbst dann hätten meine Eltern sicherlich Geld für einen Rückflug aufgetrieben, ich hätte mich anschließend in Deutschland beim Arbeitsamt gemeldet, wäre krankenversichert gewesen und hätte mit meinem abgeschlossenen Studium wohl schnell wieder Arbeit gefunden. Ein Worst-Case-Szenario, das für viele Menschen unsere Erde ein Best-Case-Szenario wäre. Vor diesem Hintergrund würde ich – als jemand der das Trampen nicht als gefährlich empfindet – meine Reise nicht als mutig bezeichnen. Eher als konsequent, da ich meinem Bauchgefühl folgte und genau diesem vertraute. Naiv? Sicherlich, aber ich habe gelernt, dass Naivität auch etwas sehr Positives sein kann.

Aber es ist ja nicht so, dass Sie nicht auch in gefährliche Situationen gekommen wären? 

Tatsächlich wurde ich bei meiner Reise nicht mit Gefahr im Sinne von Raub oder Mord konfrontiert. Stattdessen entstanden diese wenigen gefährlichen Situationen durch unglaublich schlechte Straßenverhältnisse, oder unaufmerksame Autofahrer. In der Türkei hat sich unser Auto beispielsweise auf einer Autobahn gedreht, nachdem mein Fahrer versucht hatte, während der Fahrt einen Wasserkocher an seinen Zigarettenanzünder anzuschließen – er wollte Tee kochen.

Zu Beginn Ihres Buchs schreiben Sie ein wenig verständnislos von Menschen, die arbeiten, um später mal eine Rente zu bekommen. Was hat Sie dazu bewogen, diese Sicherheit über Bord zu werfen und loszutrampen?

Ich denke, dass Menschen primär in der Gegenwart leben sollten. Das bedeutet nicht, dass man nicht an seine Zukunft denken soll, sondern vielmehr, dass sie nicht der Hauptantrieb sein sollte. Vor allem dann nicht, wenn diese Zukunft noch Jahre entfernt liegt. Ich habe gelernt, dass dieser Zukunfts-Sicherheitsgedanke für mich individuell nicht sonderlich wichtig ist und ich stattdessen auf mein Bauchgefühl vertrauen sollte. Und so war die Entscheidung, meinen Job zu kündigen und aufzubrechen, zwar nach wie vor nicht einfach, aber sie wurde zu einer Entscheidung, die ich treffen konnte.

Die Reiseroute

Reiseroute von Anekdoten eines Beifahrers

Sie erzählen in „Anekdoten eines Beifahrers“ von berührenden Erlebnissen mit Menschen in aller Herren Länder. Gibt es ein oder zwei Erlebnisse, die Sie wirklich nie vergessen werden? Vielleicht sogar, weil sie Ihr Leben veränderten?

In der Tat sind es besonders Menschen und Begegnungen, die meine Reise und mein jetziges Leben geprägt haben. Um ein Beispiel zu nennen, kann ich kurz über Oha sprechen. Ein Mann aus Bosnien und Herzegowina, der im Waisenhaus aufwuchs und im Krieg zu einem Kindersoldaten wurde. Im Alter von 14 Jahren brachte er damals sieben Menschen um. Er ist nicht nur einer der Menschen, die mich beim Trampen mitgenommen haben, sondern er zeigte mir auch, dass man jedes auch noch so negative und niederschmetterndes Ereignis überwinden kann. Oha wurde damals durch die Musik gerettet – so beschreibt er es selbst – und leitet heutzutage eine Musikschule in Mostar. Hier gibt er Menschen die Gelegenheit, kostenfrei miteinander zu musizieren und eben dies zu lernen. Generell hat mir diese Reise – ohne hier zu viel vorwegzunehmen – eindrucksvoll aufgezeigt, wieviel Menschlichkeit in unserer Welt existiert. Und genau dieser Gedanke hat mir ein immer konkreter werdendes Bild von meiner eigenen Zukunft gegeben. Eine Zukunft, in der ich anderen helfen möchte. Sei es durch soziale Projekte, nette Gesten oder auch durch das Erzählen meiner Geschichten.

Sie haben an Autobahnraststätten, mitten in Städten und auf einsamen Bergen gezeltet. Was bedeutet einem nach so vielen Nächten draußen ein warmes Bett?

Ein warmes Bett und eine heiße Dusche sind zwei Dinge, die ich durch meine Reise sehr zu schätzen gelernt habe. Und diese Wertschätzung habe ich bis heute beibehalten – dennoch vermisse ich an manchen Tagen diese Nächte im Zelt. Zumindest die Nächte, an denen ich nicht mit einem +10° Schlafsack in Sibirien lag. Übrigens habe ich heutzutage einen enorm tiefen und festen Schlaf – sehr praktisch.

Malerisch, wild aber auch bitterlich kalt: Sibirien

Das mit dem Waschen ist ja – wenn man so reist wie Sie – schon auch ein Problem. Haben Sie sich nicht manchmal unwohl gefühlt, weil Sie schon tagelang keine Dusche mehr abbekommen hatten?

Ehrlich gesagt hatte ich dieses Gefühl sehr selten. Ich glaube die längste Zeit ohne Dusche war fünf Tage – und das kam sehr selten vor. Man mag es kaum glauben, wie häufig man zu Fremden nach Hause eingeladen wird. Ansonsten lernte ich, mich mit einer „Katzenwäsche“ zufrieden zu geben, bediente mich gelegentlich an Seen und Meeren und nun ja … die Geheimwaffe schlecht hin: Babypuder als Trockenshampoo.

Ist zu zweit Reisen oder allein Reisen besser?

Auf die Frage, was „besser“ ist, gibt es keine Antwort. Jeder muss für sich selbst individuell herausfinden, wie er reisen möchte. Eine Aussage, die man so auch ohne Probleme auf das Leben anwenden kann. Ich war überwiegend allein unterwegs. Gelegentlich habe ich Personen kennengelernt, die mich dann für zwei, drei Wochen begleitet haben – ich habe also einen kleinen Einblick erhalten. Das Schöne am gemeinsamen Reisen ist – wie man es wohl erwarten würde – die Gesellschaft. Besonders beim stundenlangen Warten an den Straßen dieser Welt. Andererseits ist man allein natürlich flexibler, muss niemandem Rechenschaft ablegen und keine Kompromisse eingehen. Ich persönlich habe die Mischung aus Alleinsein und gemeinsam Reisen sehr gemocht. Dennoch habe ich mir des Öfteren gewünscht, bestimmte Momente mit jemandem teilen zu können.

Wie oft haben Sie sich auf Ihren Reisen verliebt?

Zu oft haha – Spaß beiseite. Auf dieser Reise gab es eine Frau, die eine besondere Rolle spielte. Die Liebe hat nicht nur meine Reiseroute immer wieder geändert, sondern wurde auch zu einem wichtigen Antrieb. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht mehr verraten, da sich dieser Handlungsbogen durch das Buch zieht und am Ende abgeschlossen wird. Ob es auf ein Happy End herausläuft, kann jeder selbst herausfinden.

Einer meiner schönsten Zeltplätze: die Kravica Wasserfälle in Bosnien und Herzegowina

Wie oft hatten Sie Sex? Wo war es am Schönsten?

In den zwei Jahren, in denen ich unterwegs war, dreimal. Erwartet also kein „Fifty Shades of Grey“ oder Anekdoten eines Beischläfers. Und wo es am schönsten war? Der Sex? Am Strand! Da die zweite Frage aber wohl auf etwas anderes abzielt: Ich kann definitiv keinen einzelnen Höhepunkt (kein Wortspiel beabsichtigt) benennen. Es gab zu viele schöne Momente, die ich in keine Reihenfolge bringen kann, beziehungsweise möchte.

Welches sind Ihre drei Lieblingsländer?

Wie bei der Frage zuvor habe ich keine Lieblingsländer im klassischen Sinne. Meine Reise lebte (wie das Buch übrigens auch) von den menschlichen Begegnungen. Und diese hatten in den seltensten Fällen etwas mit dem jeweiligen Land zu tun. Aber ich möchte kein Spielverderber sein: Norwegen hat die wohl schönste Natur, die ich je bestaunen durfte, Indien war unglaublich faszinierend und in Japan habe ich einen Teil meines Herzens verloren.

Sie schreiben an einer Stelle, dass Sie im Schnitt 100 Euro im Monat benötigten. Das können wir fast nicht glauben. Bitte erklären Sie, wie das funktioniert.

Man muss sich vorstellen, dass man weder Geld für den Transport, noch zum Übernachten benötigt. Keine Versicherungen, keine Miete und keine Rundfunkgebühren, hust. Es bleibt also noch das Essen. Ich selbst habe versucht, mit circa drei Euro am Tag auszukommen und das funktionierte bis auf wenige Ausnahmen sehr gut. Obwohl das natürlich auch bedeutet, dass man sich mit Toastbrot und Fisch aus Dosen arrangieren können sollte.

Ich liebe das Wandern in der Natur. Hier war ich in der Nähe von Kuala Lumpur, Malaysia, unterwegs

Wo hatten Sie das Geld für Ihre Reisen her – haben Sie auch mal gejobbt, um weiterreisen zu können?

Ich hatte mir bei meinem Job als Betriebswirt Geld gespart, von dem ich anschließend diese zwei Jahre lang gelebt habe. Mir war es wichtig, ein kleines finanzielles Polster zu haben, um nie das Gefühl zu bekommen, ich könnte auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Ich hätte jederzeit in ein Hotel einchecken, mich in einem Restaurant verwöhnen oder auch zurück in meine Heimat fliegen können. Ich habe aber schnell herausgefunden, dass all dies für mich nicht notwendig war.

Was war das spannendste neue Gericht, das Sie vor Ihren Reisen noch nicht kannten?

Ich hatte vor dem Reisen noch nie Haferbrei gegessen. Später wurde es zu einem meiner Grundnahrungsmittel. Lustigerweise ist Haferbrei auch ein Anagramm von „Beifahrer“. Darüber hinaus habe ich Erdnussbutter mit Marmelade lieben gelernt. Aber generell hatte wohl fast jedes Land seine kulinarischen Überraschungen – sowohl im Positiven, als auch Negativen.

Welche fünf Dinge muss man unbedingt mitnehmen, wenn man zum trampenden Globetrotter werden will?

Ich selbst würde niemals auf meinen Bluetooth-Lautsprecher verzichten. Ich liebe Musik und konnte mir so nicht nur die Nächte in meinem Zelt, sondern auch die Wartezeiten an der Straße stets versüßen. Davon abgesehen hatte ich ehrlich gesagt gar nicht mal so viel dabei. Kleidung, Essensrationen und ein Longboard. Letzteres würde ich übrigens niemandem empfehlen. Als klassischer Tramper sollte man außerdem in gute Filzstifte investieren, um so die Pappschilder beschriften zu können. Und ach ja … Babypuder.

Corona hat Sie ausgebremst. Aber sicher haben Sie schon neue Reisepläne. Oder werden Sie jetzt sesshaft?

Corona hat uns wohl alle etwas ausgebremst. Ursprünglich war meine finale Reise für diesen Sommer geplant. Nach aktuellem Stand werde ich im Sommer nächsten Jahres, also 2022, wieder aufbrechen. Ich möchte von Kanada nach Chile trampen und in Südamerika eine neue Heimat finden – mir fehlen nämlich in Deutschland besonders zwei Dinge: die Sonne und ein warmes Meer.

Galerie Anekdoten eines Beifahrers

Unsere Kurzrezension von Daniel Dakunas Buch „Anekdoten eines Beifahrers“:

Daniel Dakuna entführt seine Leserinnen und Leser auf eine spannende Reise durch 42 Länder, die er allesamt per Anhalter besuchte. Das Besondere an seiner Erzählung ist, dass er nicht im distanzierten Stil eines Reisejournalisten berichtet, sondern sehr persönlich: Inspiriert von den Lesungen, die Daniel Dakuna seit seinen Reisen vor großem Publikum abhält, spricht der Autor uns auch mit seinem Buch direkt an. Er erzählt im lockeren Plauderton von seinen mal berührenden, mal unterhaltsamen Abenteuern. Weil er seine Erlebnisse oftmals umgangssprachlich und auch immer wieder mit einer guten Portion Selbstironie schildert, fühlt sich die Lektüre so lebendig an, als würde er einem gegenübersitzen. Seine Beobachtungen sind subjektiv und damit umso glaubwürdiger. Wer vor der Lektüre von „Anekdoten eines Beifahrers“ noch kein Fernweh hatte, den wird es danach auf jeden Fall gepackt haben.

Wegweiser zum Buch

Buchtrailer

Anekdoten eines Beifahrers


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€ 20,00

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Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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