
Marie flieht
Vor ihm – ihrem gewalttätigen Ehemann. Ihr einziger sicherer Zufluchtsort: die abgelegene Hütte ihrer Cousine Johanna in den Tiroler Alpen. Dort lebt Johanna allein, abgeschieden und umgeben von ungezähmter Natur. Marie kennt diesen Ort aus ihrer Kindheit. Doch damals hatte sie sich nie mit der Einsamkeit anfreunden können. Sie entschied sich für das urbane Leben in Wien – und ist dort heute dennoch tief unglücklich.
Die Natur stellt keine Fragen
Die Wiederbegegnung mit Johanna, nach Jahren der Funkstille, verläuft wortlos und gleichzeitig voller Bedeutung. Keine der beiden stellt Fragen – obwohl so viele offen im Raum stehen: Warum lebt Johanna allein auf dem Berg? Was hat sie entfremdet von ihren Eltern? Warum ist Marie wirklich gekommen? Was ist geschehen? Doch die Natur interessiert sich nicht für das „Warum“. Sie kennt nur Jahreszeiten.
Geteilte Kindheit, getrennte Wege
Marie und Johanna sind Cousinen, in Wien gemeinsam aufgewachsen, zur Schule gegangen. Und trotzdem: Sie konnten nie wirklich etwas miteinander anfangen. Ihre Lebenswege hätten unterschiedlicher nicht verlaufen können. Und doch kreuzen sie sich jetzt – an diesem unwirtlich-stillen Ort.
Zurück zur Natur – und zu sich selbst
Katharina Köller verwebt ökofeministische Gedanken der 1980er-Jahre mit gegenwärtigen Appellen, die Social-Media-Ästhetik abzulegen. Stadt und Berg stehen sich dabei gegenüber wie zwei Welten: hektisch, laut, entfremdet die eine – still, ursprünglich und kraftvoll die andere. Die Rückkehr in die Natur wird für Marie zur seelischen Heimkehr. Die Berge geben ihr eine Sicherheit, die sie in der Gesellschaft nie finden konnte.
Allein sein heißt nicht einsam sein
Marie ist über 200 Seiten hinweg auf der Flucht – bis sie endlich beginnt, wirklich zu leben. Köllers Roman zeigt: Das Leben wartet nicht. Es ist an Marie, sich zu entscheiden. Die beiden Frauen auf dem Berg symbolisieren Selbstermächtigung und weibliche Unabhängigkeit. In der Natur entkommen sie gesellschaftlichen Zwängen – und können endlich „wild wuchern“.
Katharina Köllers Sprache ist poetisch, eindringlich, bildgewaltig
Sie entfaltet eine Dringlichkeit, der man sich nicht entziehen kann. „Wild Wuchern“ ist ein Roman, der sich ideal als Lektüre für einen Rückzug in die österreichischen Berge eignet – mit Triggerwarnung: Der Text enthält Darstellungen körperlicher und seelischer Gewalt.