ISBN 978-3-947738-26-7

ca. 462 Seiten

€ 12,85

Ein Erlebnis mit einer bärtigen Frau im Münchner Glockenbachviertel brachte Lutz Kreutzer auf die Idee zu seinem Kriminalroman „Taubenblut“. Im Werkstattbericht erzählt er von seiner Entstehung.

Syndikats-Mitglied Lutz Kreutzer verrät, wie er auf das exotische Thema seines Krimis „Taubenblut“ kam

Titelbild Taubenblut

©VAndreas shutterstock-ID 1267197196

Ein Buch entsteht manchmal auf schrägste Art und Weise.

Ich hatte irgendwann über Katoeys gelesen, asiatische Männer mit weiblicher Geschlechtsidentität. Ich las die Headline: „Chef der thailändischen P.C Air stellt Flugbegleiter aus dem ‚dritten Geschlecht‘ als Kabinencrew ein.“ Diese Frauen zweiter Art, wie sie sich auch gern bezeichnen, die maskuline Männer als Sexualpartner begehren, waren aber wieder aus meinem Gedächtnis verschwunden, bis mir etwas wirklich Komisches passierte.

Es war ein heißer Sommerabend in Münchens Glockenbachviertel.

Mein Sohn − damals 12 Jahre alt − und ich waren nach einem gemeinsamen Abendessen mit ein paar meiner Freunde auf dem Weg zur U-Bahn. Wir gingen gegen neun Uhr nichts ahnend an einem Barbetrieb vorbei, als mich ein − ja wer denn eigentlich? − ein Mann ansprach. Er trug ein langes, rotes Kleid, luftige Damenschuhe und üppige schwarze Haare sowie einen ebenso schwarzen Vollbart. Er wollte mich wohl irgendwie locken, die Bar kennenzulernen, und obwohl er sah, dass mein Sohn dabei war, sagte er: „Hallo Schwester!“, während er lasziv sein Haar in der gespreizten linken Hand wiegte und mit den Hüften wackelte. Mein Sohn riss Augen und Mund auf, sah mich wie versteinert an und prustete los. Ich war wohl sichtlich irritiert, sah den immer noch lächelnden Herrn in seinem roten Kleid an, lehnte dankend ab und hastete, meinen Sohn im Schlepptau, schnell weiter. Und es war mir ehrlich gesagt saupeinlich meinem Sohn gegenüber, der sich aber gar nicht mehr einkriegen wollte.

Die Anrede hatte ich jedenfalls für ein paar Tage weg.

Mit „Hallo Schwester“ begrüßte mein Sohn mich am Morgen, mittags sprach er mich so an und am Abend beim zu Bett gehen waren es jeweils seine letzten Worte. Und dabei verdrehte er jedes Mal die Augen wie der Kerl im roten Kleid. Er machte sich einen Höllenspaß daraus.

Irgendwie interessierten mich diese Männer, die auch Frauen waren.

Wie war ihre Lebensweise? Ich erinnerte mich wieder an die Katoeys in Thailand, und dass sie dort anscheinend weithin akzeptiert zum alltäglichen Leben zu gehören schienen. Was wäre nun, wenn sie im eher konservativen und ländlichen Bayern plötzlich unterwegs wären, ihren Lebensstil mitbrächten und die Menschen hier damit konfrontieren würden? Ein köstlicher Gedanke, wie ich fand.

Ich wollte einen Krimi schreiben, der voller Respekt vor diesen Menschen war.

Mir fiel bald eine Geschichte ein, die ich mit einer Freundin besprach, und oft haben wir herzlich gelacht über meine Ideen. Ich wollte einen Krimi schreiben, der voller Respekt vor diesen Menschen war, keine Klischees sinnlos bediente und die Menschen von einer staunenswerten Seite zeigen sollte. Aber eine gute Portion schriller Humor sollte ebenfalls dabei sein. Ich wollte die exotische Liebeskultur der Katoeys nach Oberbayern verpflanzen, wo sie die Gesellschaftsordnung gehörig durcheinanderbringen sollten. Und da kam mir die Idee, einen skurrilen, aber glaubhaften Bezug zwischen den Katoeys in Bangkok und der Fraueninsel im Chiemsee zu schaffen. Mit dem Stilmittel der größtmöglichen Konfrontation. Aber das war mir noch nicht genug. Ich brauchte ein Pendant zu den asiatischen Katoeys, eine europäische Kultur von Mannfrauen. Und so kam ich bei meinen Recherchen auf die so genannten eingeschworenen Jungfrauen, die albanischen Burrneshas.

Am Ende steht nun der Kriminalroman „Taubenblut“.

Woher aber kommt der Titel? Nun, als Taubenblut werden aufgrund ihrer leicht ins Blau kippenden tiefroten Farbe die wertvollsten und edelsten Rubine der Welt genannt. Nur in Birma, dem heutigen Myanmar, sind sie in dieser edelsten Form, wertvoller als Diamanten, zu finden. Und gleich zu Beginn der Geschichte werden zwei tote Katoeys in einem bayerischen Baggersee gefunden, mit Taubenblutrubinen im Ohr.

Viele Menschen haben Vorurteile gegenüber anderen Lebensentwürfen.

Für mich ist besonders amüsant, dass ich mehrfach hinter vorgehaltener Hand darauf angesprochen wurde, was ich denn nun mit Katoeys zu tun habe, ob ich vielleicht …? Na dann. Diese Vorurteile ringen mir jedes Mal ein breites Grinsen ab. Und ich war auch noch nie in Thailand. Viele Leute verstehen nicht, dass man sich auch für Menschen und ihre Lebensformen interessieren kann, ohne gleich mit ihnen in einen Verein einzutreten, oder muss man das?

Auch mein erwachsener Sohn hat eine Meinung zu „Taubenblut“.

Mein mittlerweile erwachsener Sohn amüsiert sich jedenfalls auch heute noch über den Vorfall von damals und ist nach wie vor davon überzeugt, dass sein Vater nicht von der Sehnsucht nach dieser Kultur angesteckt wurde. Die Geschichte in dem Kriminalroman „Taubenblut“ findet er außerdem köstlich, amüsant und spannend. Und das, liebe Leserinnen, Leser und Leserinnenleser, ist es doch am Ende wert, oder?

Der Inhalt von Lutz Kreutzers Krimi „Taubenblut“ in Kurzform:

„Hey, Fritz, jetzt keine Geschichten … Es sind zwei Morde passiert. Zwei tote Mädchen. Wahrscheinlich aus Thailand. Mit Rubinen oder sowas im Ohr.“
Ein Mann macht sich auf den Weg, nachdem er in Schande aus seinem albanischen Bergdorf verjagt wird. Bald werden in einem bayerischen Baggersee zwei Tote entdeckt. Fritz Sperber und Martha Kieninger vom Landeskriminalamt in München übernehmen einen dubiosen Mordfall, der sie mit Habgier, Eifersucht und einer exotischen Liebeskultur zusammenprallen lässt. Welche Rollen spielen der thailändische Guru, der Staatssekretär, die Nonnen und ein Wiener Edelsteinhändler? Die wertvollsten Edelsteine der Welt werden Taubenblut genannt – Rubine von unvergleichlicher Schönheit. Dieser Thriller zeigt, wie Gewinnsucht, Machtbesessenheit und Leidenschaft sämtliche Dämme brechen lassen. Raffiniert hält der Autor der Gesellschaft den Spiegel ihrer Doppelmoral vor Augen. Ein spannungsgeladener Kriminalfall um Mord, Tabus und Skrupellosigkeit. Schauplätze sind Albanien, Bayern, Birma (Myanmar), Thailand und Österreich.

Über Lutz Kreutzer

Infokasten Exklusivininterview Syndikat

Werkstattberichte aus dem Syndikat: Wie arbeiten Kriminalschriftsteller? Was inspiriert sie zu ihren Romanen? Welche Marotten quälen sie beim Schreiben?

Ausgewählte Werkstattberichte für Sie:

ISBN 978-3-947738-26-7

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