ISBN 978-3-95567-984-2

€ 17,90

1 CD, 480 Min

Er stand als Unternehmer am Abgrund. Bodo Janssen ging zu Anselm Grün ins Kloster. Im Interview über seine Werke „Die stille Revolution“ und „Stark in stürmischen Zeiten“ erzählt er, wie alles kam.

Bodo Janssen im Interview über „Die stille Revolution“ und „Stark in stürmischen Zeiten“, das er mit Anselm Grün schrieb

Titelbild Die stille Revolution und Stark in stürmischen Zeiten

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Herr Janssen, in Ihrem Hörbuch „Die stille Revolution“ erzählen Sie, wie Sie als Chef der Hotelkette Upstalsboom bei einer Mitarbeiterbefragung ein niederschmetterndes Ergebnis bekamen: Ihre Mitarbeiter benoteten ihre Zufriedenheit mit Vier bis Fünf und sagten: „Wir brauchen einen anderen Chef als Bodo Janssen.“ Vermutlich würden viele Führungskräfte und Unternehmen ein solches Ergebnis bekommen, wenn sie den Mut zu so einer Befragung aufbrächten. Was gab Ihnen die Kraft, aus diesem vernichtenden Feedback eine Erfolgsgeschichte zu machen?

Zum Zeitpunkt des Feedbacks habe ich überhaupt noch nicht an eine Erfolgsgeschichte gedacht. Auch alles, was sich innerhalb der letzten acht bis zehn Jahre ergeben hat, war nicht von langer Hand geplant. Es gab keine Strategie, die darauf ausgerichtet war, diesen Erfolg zu schreiben. Ich glaube, der Ursprung dafür, dass wir eine Erfolgsgeschichte schreiben konnten, war, dass ich aus einer gefühlten Ausweglosigkeit versucht habe, einen Strohhalm zu finden, an den ich mich klammern konnte. Und dieser Strohhalm war in Würzburg in Form eines Klosterseminars zusammen mit Anselm Grün und Friedrich Assländer. Im Kloster selbst konnte ich dann über die Beschäftigung mit mit mir selbst und dem Ergründen meiner inneren Quellen langsam zu der Kraft kommen, die ich brauchte, um meinen Weg zu finden und ihn auch beharrlich zu gehen.

Sie dachten wirklich nicht an einen möglichen Erfolg?

Dass dieser Weg zu einer Erfolgsgeschichte führte, war mir zu dem Zeitpunkt jedenfalls nicht bewusst. Ich habe einfach nur das getan, von dem ich überzeugt war, was ich für sinnvoll erachtete, und habe mich mit den Aufgaben beschäftigt, die meiner Persönlichkeit und meinen Fähigkeiten am nächsten kamen. Ich habe begonnen, das zu leben, was ich liebe. Und das ist, den Menschen zu stärken. Alles, was daraus entstanden ist, ist für mich persönlich nur eine logische Konsequenz.

Sie änderten den Stil Ihres Unternehmens radikal, behaupteten nicht nur, dass der Mensch – sowohl Mitarbeiter als auch Gast – im Mittelpunkt steht, sondern bewiesen dies auch durch Änderungen in Ihrem Verhalten und der Struktur Ihres Unternehmens. Sie schickten Ihr Team für Seminare ins Kloster, Sie übertrugen Studenten die komplette Leitung eines Hotels, Sie ließen Lehrlinge auf den Kilimandscharo steigen. Unternehmenschefs, die das hören, werden sagen: Das ist doch alles viel zu riskant und teuer! Wir müssen Gewinne machen!

Die Frage, um die es beim Thema Gewinne-Machen bei mir geht, ist, was Erfolg für mich wirklich bedeutet: Für mich bedeutet Erfolg, dass Menschen die Freiheit finden, das zu leben, was ihnen als Mensch wirklich wichtig ist. Menschen dabei zu unterstützen, stark und gesund zu werden. Gesund im Sinne der WHO. Dabei geht es um psychisches, physisches und soziales Wohlbefinden. Und das führt letzten Endes zu der Gretchenfrage: Ist der Mensch für mich Mittel oder ist der Mensch für mich Zweck? In dem Moment, wo für mich der Mensch Mittel zum Zweck „Gewinne machen“ ist, würde ich nicht mehr von Führung, sondern von Manipulation sprechen. Zumindest dann, wenn die Gewinne dafür verwendet werden, einzelne zu bereichern oder aber das Unternehmen größer und stärker zu machen und den Mitarbeiter dabei auf der Strecke zu lassen oder das Ganze auf seine Kosten zu tun.

Das heißt, wenn ich Menschen beeinflusse, um etwas zu tun, was mir als Unternehmer guttut oder nur dem Unternehmen guttut …

Dann spreche ich von Manipulation. Wenn ich das Ganze aber umdrehe, und sage: Ich als Unternehmen, bin Mittel zum „Zweck Mensch“ – oder die Wirtschaft ist Mittel zum Zweck gesunde Menschen und eine geschonte Umwelt zu erzeugen; und ich als Führungskraft die Menschen dahingehend beeinflusse, dass sie stark werden; dass sie gesund sind, dass sie sich innerlich frei, zufrieden und gelassen fühlen – dann bekommen Gewinne wieder eine ganz andere Bedeutung.

Sie haben die sogenannte Upstalsboomer Synthese eingeführt. Was heißt das?

Dass die Wirtschaftlichkeit nicht der Sinn unseres Handelns ist, sondern nur die Basis unserer Existenz. Ich glaube, dass sich, wenn wir uns um die Menschen kümmern, sich die Ergebnisse um sich selbst kümmern. Die unmittelbare Ausrichtung auf den Gewinn geht häufig zulasten der Mitmenschen. Dagegen führt die Ausrichtung auf den Menschen und sein psychisches, physisches und soziales Wohlgefühl automatisch dazu, dass Unternehmen Gewinne schreiben. Zumindest ist das die Erfahrung, die wir gemacht haben. Und dann kommt es darauf an, wofür die Gewinne verwendet werden: Werden sie in etwas investiert, was die Menschen im Unternehmen als sinnvoll erachten oder dienen sie dazu, dass der Unternehmer oder das Unternehmen sich noch besser stellen als vorher?

Zu Ihrem Upstalsboom-Weg gehört als zentrale Säule Spiritualität. Darüber haben Sie mit Pater Anselm Grün das Hörbuch „Stark in stürmischen Zeiten“ gemacht. Spiritualität und Unternehmertum, das klingt erst einmal nach einem Widerspruch?

Ich glaube, dass der Begriff Spiritualität sehr viele Interpretationen zulässt und in jedem erst einmal die Aufgabe steckt, für sich zu klären, was ihm denn überhaupt Spiritualität bedeutet. Für mich bedeutet Spiritualität, dass der Mensch im Leben das leben kann, was ihm wirklich, wirklich wichtig ist. Spiritualität hat für mich etwas mit Begeisterung zu tun, mit Inspiration; etwas zu tun, von dem ich glaube, dass das für mich höchst sinnvoll ist.

Spiritualität bedeutet für Sie auch Sinn?

Ja: Wofür lohnt es sich, sich täglich einzusetzen? Was ist der Maßstab, den ich mir am Abend anlegen kann, um zu bemessen, ob das heute für mich ein guter Tag war? Der Sinn ist für mich der Maßstab all meiner täglichen Entscheidungen. Wenn meine täglichen Entscheidungen meinem Sinn entsprechen, dann lebe ich eine gewisse Form der Spiritualität.

Sie schildern Ihr erstes Erlebnis bei einem Klosterseminar. Wie Sie plötzlich mit völlig anderen Menschen konfrontiert und davon verstört waren: „Ich dachte, ich bin hier in einem Führungskräfte-Seminar, aber hier ist ein Arbeitsloser, der will Clown werden, eine Ärztin, der der Beruf keinen Spaß mehr macht …“ Wie wichtig ist es für Führungskräfte über den Tellerrand Ihres Business‘ hinauszusehen?

Führungskräfte haben in allererster Linie mit Menschen zu tun. Führung bezieht sich auf Menschen, ich führe Menschen, während Management sich auf Prozesse, Standards und Kriterien bezieht. Und da wir Führungskräfte es eben mit Menschen zu tun haben, gibt es für mich nicht „den Tellerrand Ihres Business‘“. Denn der Mensch ist ihr Business und der Mensch ist in seiner Einzigartigkeit und Vielfalt nicht in eine Schublade zu stecken. Es geht darum, den Menschen zu verstehen, seine Vergangenheit zu verstehen, die Gegenwart zu ordnen und gemeinsam mit ihm die Zukunft zu gestalten. Darin sehe ich auch die Aufgabe von Führungskräften: Menschen dabei zu helfen, mit sich selbst in gute Beziehungen zu kommen, als Grundlage dafür, auch mit anderen in eine gute Beziehung zu kommen. Dafür muss ich jeden Tag über den von mir geglaubten Tellerrand hinausschauen, gerade weil mir jeden Tag etwas Neues begegnet. Aber das ist es auch, was die Führungsarbeit so spannend macht.

Wenn ein Unternehmen in der Krise steckt – welche ersten Schritte würden Sie seinen Führungskräften und Chefs nahelegen?

Die Krise ist der erste Schritt zum Erfolg. Im Chinesischen gibt es ein Zeichen für den Begriff Krise und Chance. Ich glaube, als allererstes ist es wichtig, die Symptome, die mir als Krise erscheinen, zunächst einmal anzunehmen und nicht schön zu reden. Dazu gehört eine gewisse Form der Demut. Denn Demut ist der Mut, in die Tiefen seiner selbst hinabzusteigen und seinem Schatten ins Gesicht zu sehen. Das heißt, in der Krise ist es wichtig, ruhig und besonnen zu bleiben, genau hinzuschauen, was denn anders läuft als geplant war, um sich dann die Frage zu stellen, wofür ist das gut? Was sagt mir das? Wie müssen wir unser Verhalten entwickeln? Wie unsere Organisation? Es geht also um die Frage, was lernen wir aus dieser Krise? Die einen zerbrechen an der Krise, während die anderen wachsen.

Aber wieso ist das so?

Ich persönlich glaube, dass das sehr viel mit der Frage zu tun hat, die wir uns im Anschluss oder während einer Krise stellen. Wenn ich mir die Frage stelle, warum ist das so?, dann führt das zu wenig. Wenn ich mir aber die Frage stelle, wofür ist das gut? Dann ergibt sich daraus ein unglaubliches Potential an Kreativität.

Sie erzählen in Ihren Hörbüchern, dass Sie ein sehr von sich überzeugter Chef waren, mit beinahe narzisstischen Zügen. Wo sehen Sie die größte Gefahr für Führungskräfte, wenn Sie an der Spitze stehen und wie kann man dem beikommen?

Wer glaubt, etwas zu sein, hört auf etwas zu werden. Zumindest in einem System der Hierarchien und Pyramiden glauben Führungskräfte häufig, angekommen zu sein. „Jetzt bin ich mal dran. Jahrelang habe ich gebuckelt, um hierher zu kommen.“ Und all das, was sie dann auf dem Weg dorthin erfahren haben, lassen sie ihre Mitmenschen spüren. Sie sehen sich an der Macht. Und versuchen, diese Macht zu verteidigen. Und wenn es darum geht, an die Spitze zu kommen, dann treffen sie Entscheidungen, die vielleicht für sie gut sind, für den einzelnen, aber nicht für die gesamte Gemeinschaft.

Sie propagieren eine neue Logik.

Die neue Wirtschaftslogik ist nicht die Pyramide, in der der Wettbewerb besteht, in der ich besser sein muss als der andere, höher, schneller, stärker, weiter; immer in dem Glauben, dass es eine Etage höher angekommen, dann doch noch besser wird für mich. Die Pyramide ist ein System, in dem der Egoismus zum Erfolg führt. Die neue Wirtschaftslogik ist aber ein Netzwerk, eine Zelle oder ein Biotop. Und in so einer neuen Form der Organisation, gibt es nicht mehr den Vorgesetzten. Ich kann mein Umfeld nicht mehr dazu zwingen, mir zu folgen. Die sogenannten Follower erhalte ich anders, nämlich indem ich meinem Umfeld einen tatsächlichen Nutzen stifte, indem ich meinem Team Sicherheit vermittle, Orientierung schenke; meine Mitarbeiter dabei unterstütze, erfolgreich zu sein, bei dem was sie tun.

Wenn das gelingt …

Dann werden immer mehr Menschen auf mich aufmerksam, weil sie in Kontakt mit mir persönlich wachsen können. Und dann bin ich ein Leuchtturm geworden für Menschen, die sich in meinem Umfeld bewegen und ein zum Leuchtturm von der Gemeinschaft erkorener Mensch ist eine ganz andere Führungskraft als jemand, der vorgesetzt worden ist. Was nützt es mir, Führungskraft zu sein, allein an der Spitze, wenn ich mich umdrehe und keiner hinter mir steht? Für mich macht das wenig Sinn.

Ganz deutlich stellen Sie klar, dass sich die Arbeitswelt gewaltig verändert. Welche Stärken brauchen Führungskräfte, um in dieser neuen Welt zu bestehen?

Ich glaube, in aller erster Linie ist es für Führungskräfte wichtig, dass sie gut hinhören können. Es geht darum zu hören, was die Menschen bewegt, was sie brauchen. Und dem Hören voraus geht das Schweigen. Damit meine ich nicht nur das Nicht-Sprechen, sondern ganz besonders auch das gedankliche Schweigen. Weil meine Gedanken meine Ohren verbarrikadieren, und immer dann, wenn ich selbst in Gedanken bin, bin ich nicht dazu in der Lage, andere Menschen zu hören. Aber zu hören, was sie brauchen, um erfolgreich zu sein, was sie bewegt, um sich gut zu fühlen, ist das, was ich brauche, um die Menschen optimal auf ihrem Weg unterstützen zu können. Ein Bergführer, der nicht darauf hört, wie es dem von ihm geführten Team geht, ob dort Blasen an den Fersen sind oder irgendwelche anderen Gebrechen da sind, wird nie mit der gesamten Mannschaft am Gipfel ankommen.

Worauf kommt es noch bei einer Führungskraft an?

Die zweite wichtige Eigenschaft ist es, kluge, sinnvolle und ehrliche Fragen zu stellen. Denn häufig ist es so, dass die Menschen von sich heraus noch gar nicht unbedingt das sagen, was sie brauchen, weil sie es selbst noch nicht erfahren haben. Aber die gute, ehrliche und aufrichtige Frage hilft ihnen dabei, sich darüber klar zu werden und darüber zu sprechen, worauf es wirklich ankommt. „Wer fragt, führt“, das ist das Prinzip.

Was ist mit Demut?

Demut ist sehr, sehr wichtig. Sich seiner eigenen Schwächen bewusst zu werden und sie auch in Gegenwart der anderen zu kommunizieren. Sich als Mensch zu öffnen ist eine ebenso wichtige Eigenschaft für eine Führungskraft, denn je mehr ich mich öffne, desto mehr werden sich meine Mitmenschen öffnen. Und je mehr wir uns gegenseitig öffnen, desto mehr Gemeinsamkeiten werden wir finden. Und je mehr Gemeinsamkeiten wir finden, desto mehr Verbundenheit wird entstehen. Je mehr wir uns öffnen, desto mehr Themen, Eigenschaften und Dinge finden wir, die uns mit unseren Mitmenschen verbinden. Und es ist die Verbundenheit zueinander, die uns die Herausforderungen des Alltags meistern lässt.

Sie haben Ihre Hotelkette neu aufgestellt, wurden vielfach ausgezeichnet, insbesondere für Ihre Mitarbeiterfreundlichkeit. Wie hat sich Ihr Lebensgefühl als Chef Bodo Janssen dadurch verändert?

Die Auszeichnungen bedeuten mir wenig. Letzten Endes war die Vorbereitung auf die Auszeichnungen ein sehr wichtiger Akt. Die Vorbereitung brachte mit sich, dass das, was wir getan haben – kurz, klar und deutlich – Menschen, die bisher noch nicht damit zu tun hatten, das verstehen lernten, was wir tun. Und das führte natürlich dazu, dass wir auch innerhalb des Unternehmens diese Klarheit nutzen konnten, um zu kommunizieren. Somit sind die Auszeichnungen letztendlich nur Mittel zum Zweck, um darin gefordert zu werden, eine kurze, klare und gute Kommunikation innerhalb des Unternehmens zu finden.

Bitte sagen Sie noch etwas zu Ihrem Lebensgefühl als Chef.

Mein Lebensgefühl als Chef hat sich durch die Auszeichnungen überhaupt nicht verändert. Oder vielleicht doch? Ich glaube, dass sie eher eine Gefahr bergen, wieder das eigene Ego zu triggern und sich auf den Weg der Vergangenheit zurückzubegeben. Was mein Lebensgefühl wirklich stark verändert hat, ist der immer häufigere Anblick eines glücklichen Menschen. Wenn ich sehe, wie das Leben in die Augen der Menschen zurückkehrt; wenn ich sehe, wie Menschen wachsen; wenn ich sehe, wie Menschen gelassener werden, innerlich zufriedener, klarer und gesünder werden. In jedem Moment, wo ich das erleben darf, empfinde ich ein Hochgefühl, für das ich unendlich dankbar bin.

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Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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