Donna Leon hat ein Geheimnis: Noch mehr als die Literatur liebt sie die Musik. Im Interview spricht sie über ihre Leidenschaft, verrät ihren Lieblingskomponisten und wofür sie als musikalische Mäzenin viel Geld ausgibt.
Frau Leon, wenn es stimmt, was man über Sie liest, dann lieben Sie die Musik. Eine Leidenschaft, die Sie mit Brunetti teilen. Ihr allererster Roman „Venezianisches Finale“ und mehrere andere handeln zudem ganz zentral von der Musik. Gibt es für Sie einen Zusammenhang zwischen Venedig und der Musik?
In der Vergangenheit gab es diese Verbindung auf alle Fälle: Die großen Komponisten schrieben Opern für die Stadt, Vivaldi unterrichtete hier Musik, Monteverdi war Musiker in der Basilika San Marco. Heute wird teilweise wirklich durchschnittliche Musik, hauptsächlich zur Unterhaltung der Touristen, gespielt.
Es heißt, Sie seien eine Händel-Liebhaberin. Was mögen Sie an Händels Musik?
Da ich keine Musikerin bin, kann ich hier keine wirklich intelligente Antwort auf ihre Frage geben, eigentlich auf keine Frage zur Musik. Es ist lediglich meine persönliche Meinung, wenn ich sage, dass Händel der Komponist der Vokalmusik ist, dessen Musik mich am meisten erfreut.
Sie arbeiten mit dem Orchester Il Pomo d’Oro zusammen. Was hat es damit auf sich?
Vor einigen Jahren fragten mich zwei Freunde, ob ich ihnen helfen würde, ein neues Orchester auf die Beine zu stellen. Die Idee begeisterte mich sehr. Mittlerweile ist Il Pomo d’Oro eines der gefragtesten – und besten, wie ich finde –in ganz Europa. Sie haben viele CDs eingespielt, unzählige Preise gewonnen und gehen auf in ihrer Arbeit. Kürzlich haben sie Händels „Ottone“ eingespielt, eine Oper, die ich immer geliebt habe. Ich war bei den Aufnahmen größtenteils dabei und kann Ihnen versichern, dass es sehr, sehr gut geworden ist.
Ihrem Buch „Gondola“ liegt auch eine CD mit Musik von Il Pomo d’Oro bei. In diesem Buch finden sich Geschichten, Bilder und Lieder, die sich allesamt um die Gondel drehen. Womit hat sich die Gondel diese Hommage verdient?
Die Gondel ist das Symbol, das am häufigsten mit Venedig assoziiert wird: Es gibt dieses Boot hier seit über tausend Jahren; man findet Abbildungen auf den Werken der meisten venezianischen Maler und auch auf denen derer, die hierher kamen, um zu malen. Es ist unmöglich, durch die Stadt zu laufen und sie nicht zu sehen. Außerdem sind sie auf mysteriöse Weise wunderschön – wie Venedig eben auch.
Spielen Sie selbst auch Instrumente?
Nein, ich kenne die Grenzen meiner Begabung und habe keinerlei musikalisches Talent. Ich kann nicht einmal Noten lesen.
Sehen Sie eine Verwandtschaft zwischen der Literatur und der Musik?
Außer, dass beide Künste wunderschön sind und den Menschen, die sie lieben, großes Vergnügen bereiten, sehe ich eigentlich keine Verbindung.
Was kann Musik, was keine andere Kunst der Welt kann?
Sie führt schnell zu geistiger Erhöhung. Die Literatur braucht dazu viel länger, Musik schafft das in Sekunden. Sie wirkt unmittelbar und verlangt kein Nachdenken, man muss nur zuhören.