Der Eintrag in einer Akte des Sozialdienstes vermerkt eine Geburt
Die Geschichte beginnt mit einem Eintrag in die Akte des Sozialdienstes der Erzdiözese Green Bay, das Krankenhaus befindet sich in einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Wisconsin:
14.07.1953
Besuch/Krankenhaus St. Mary: Der Name der Kindsmutter lautet Carol Anne Truttman. Sie war höflich, aber schroff. Sie erklärte, dass sie den Knaben zur Adoption freigeben wolle und er auf die Kinderstation verlegt werden könne, sobald die Ärzte dies gestatten.
Die Mutter ist erst zwanzig und arbeitet als Telefonistin
Der Eintrag berichtet von der Geburt eines Jungen, Sohn der zwanzigjährigen Telefonistin Carol Truttman. Laut Akte ist Carol ca. 1,60 m groß und 70-75 kg schwer. „Sie ist hellhäutig und hat ein rundlich begrenztes Gesicht mit einem spitzen Kinn. Ihre Stirn ist zurückweichend und kurz. Die Nase ist eher breit, die Obernase leicht flach; sie mutet wie eine Knopfnase an. Der Mund ist groß, die Lippen sind voll. Das Haar ist schulterlang, die Haarfarbe braun, die Haarform weitwellig. Die Augeneinbettung ist tief, die Augen sind klein, rund und hellbraun, die Wimpern kurz.“
Der vollständige Name des unverheirateten Vaters ist unbekannt
Die junge Mutter gibt an, den vollständigen Namen Vaters ihres Kindes nicht zu kennen. Sie wisse nur, dass er mit Vornamen George heiße und 23 oder 24 Jahre alt und unverheiratet sei. Carol vermutet, dass er in Chicago lebt. Sie erklärt, keine Heiratspläne zu haben, sie seien bloß „ein paar Mal“ miteinander ausgegangen.
Der Mutter will ihr Kind nicht, die Schwestern hegen einen Verdacht
Carol will das Kind nicht. So bleibt Daniel in den Händen des Sozialdienstes der Erzdiözese. Doch sehen sich die betreuenden Kinderschwestern schon bald mit einem aus ihrer Sicht schwerwiegenden Verdacht konfrontiert:
31.08.1953
Telefonat m. Sr. Aurelia: Die Schwester war so aufgeregt, dass es schwierig war, sie zu verstehen. Offenbar haben die Schwestern Aurelia und Geneviève das Kind in den letzten Wochen genauestens beobachtet und mehr als einmal eingehend untersucht. Gemeinsam sind sie zu dem Schluss gekommen, dass seine Körpermerkmale eher denen eines Negers entsprechen als denen eines Indianers. Das Kind, betonte Schwester Aurelia, weise „mit Sicherheit“ Merkmale auf, die nicht normal seien.
Ein schwarzes Kind in einer zutiefst rassistischen Gesellschaft
Ein schwarzes Baby ist ein Skandal in der homogen weißen, den rigorosen Gesetzen der Rassentrennung unterworfenen Gesellschaft jener Zeit. Eine Sozialarbeiterin wird beauftragt, die wahre ethnische Herkunft des Kindes ermitteln. Dazu muss sie allerdings den Vater des Kindes ausfindig machen, dessen Identität die leibliche Mutter nicht preisgeben will.
Anna Kims „Geschichte eines Kindes“ beruht auf einem wahren Schicksal
Anna Kims „Geschichte eines Kindes“ ist ein erschütterndes Zeugnis für einen Menschen verachtenden Rassismus, der bis in die Gegenwart hineinwirkt. Mit großem Einfühlungsvermögen entfaltet die Autorin die Geschehnisse vor unseren Augen. Das eigentlich Schockierende dabei ist, dass der Roman auf einem wahren Schicksal beruht. Er war nominiert für den Deutschen und den Österreichischen Buchpreis.
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