Mattias Edvardssons Romane sind gesellschaftspsychologische Studien
Mattias Edvardsson hat sich mit seiner Art zu erzählen sein eigenes Genre geschaffen. Denn seine Romane wie „Der unschuldige Mörder“, „Die Lüge“ oder „Die Wahrheit“ wirken auf den ersten Blick wie Thriller. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich jedoch um präzise gesellschaftspsychologische Studien. Wie nur wenige Schriftsteller versteht es Mattias Edvardsson, die Konflikte, die zwischen uns Menschen entstehen und die mitunter dunklen Sehnsüchte, die uns antreiben, in spannende und glaubwürdige Geschichten zu verwandeln. So auch in „Die Bosheit“, einem Roman, der in einer beschaulichen Siedlung im Süden Schwedens seinen Ausgang nimmt.
Von außen betrachtet, wirken die Verhältnisse in der Wohnsiedlung idyllisch
Es ist eine Handvoll Familien, die in der Wohnanlage lebt, die nach Astrid Lindgrens Büchern die „Krachmacherstraße“ heißt. Auf den ersten Blick sieht alles anständig und gesittet aus. Doch je mehr Mattias Edvardsson über die Verhältnisse hinter den Kulissen erzählt, umso deutlicher wird, dass alles nur Fassade ist: Verheiratete Ehemänner begehren ihre Nachbarin, die ein ehemaliges Model ist; Frauen trinken bereits vormittags Alkohol; und Einbrecher werden von der Bürgerwehr per Selbstjustiz mit dem Baseballschläger verprügelt. Vorne herum redet man freundlich, hintenrum zerreißt man sich das Maul.
Bianca wird bei einem Unfall lebensgefährlich verletzt
Das Drama nimmt seinen Lauf, als der Sportlehrer Mikael und seine Frau Bianca, eine Immobilienmaklerin, in die Krachmacherstraße ziehen. Eines Tages wird Bianca von ihrer Nachbarin Jacqueline angefahren und dabei lebensgefährlich verletzt. Zunächst sieht alles nach einem verhängnisvollen Urlaub aus. Doch je länger Bianca im Krankenhaus mit dem Tod ringt, umso mehr beschleicht Mikael der Verdacht, dass dieser Unfall vielleicht doch kein Unglück war.
Die alleinstehende Jacqueline ist für alle Männer eine Versuchung
Jacqueline ist die einzige alleinstehende Frau in der Siedlung. Sie war früher Model und stellt jetzt für mehrere Männer eine Versuchung dar. Darunter der Polizist Peter und der Nachbar Ola, der – so besagen es die Gerüchte – mal wegen Missbrauchs verurteilt worden ist. Dass Jacqueline so begehrt wird, stellt für ihren Sohn Fabian eine große Belastung dar. Der Teenager, der leicht autistische Züge zeigt und in gewissen Dingen zurückgeblieben, in anderen jedoch frühreif wirkt, leidet unter den wechselnden Liebhabern seiner Mutter.
Mattias Edvardssons „Die Bosheit“ zu lesen, schmerzt mitunter
All die emotionalen Verbindungen und Spannungen zwischen den einzelnen Figuren stellt Mattias Edvardsson gekonnt und realistisch dar. Seine Dialoge zu lesen, schmerzt mitunter, weil sie uns einen Spiegel vorhalten und unsere eigenen Unzulänglichkeiten deutlich machen. Deshalb ist es auch kein reines Vergnügen, diesen Roman zu lesen. Es handelt sich nicht um einen Thriller, bei dem man weiterliest, weil man wissen will, was passiert ist. Vielmehr handelt es sich bei „Die Bosheit“ um ein soziales Drama in Romanform, ein Lehrstück, das uns Seite für Seite unsere eigene Unzulänglichkeit vor Augen führt.