ISBN 978-3-499-00051-5

352 Seiten

€ 15,00

Aufgewachsen im verwunschenen Garten ihrer Großmutter, wird Ella Therapeutin. Sie will Menschen helfen, mit „Frau Traurigkeit“ zu leben. Frau Bluhm liest Susanne Bohnes Roman „Das schräge Haus“.

In „Das schräge Haus” erzählt Susanne Bohne von einer faszinierenden Frau

Titelbild Das schräge Haus

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Frau Bluhm liest  „Das schräge Haus”: 5 von 5 Blu(h)men

5 Blumen Frau Bluhm liest


Ella verbringt ihre Kindheit im zauberischen Garten ihrer Großmutter

Wäre Ella ein Haus, dann eines mit schrägem Giebel, Fensterläden wie sich schnell schließende Mimosenblätter und mit einem Balkon, von dem aus man sowohl den Leuchtturm von Warnemünde, als auch die Oper von Sydney sehen kann. Das findet zumindest Ellas Großmutter Mina, in deren Schrebergarten Ella quasi ihre Kindheit verbringt. Die beiden organisieren Tierbestattungen unter dem Apfelbaum, sortieren Stachelbeeren in schönster Aschenputtel-Marnier und gehen auf die Suche nach den Dingen, die im unendlichen Abgrund unter der Eckbank verloren gehen.

Großmutter Mina besitzt eine ganz besondere Fähigkeit

Mina besitzt die Fähigkeit, direkt in die Seelen der Menschen zu blicken, und beschreibt sie als Häuser. Dieses Talent möchte sie Ella mitgeben, die sich schwer tut mit zwischenmenschlichen Kontakten. Außer ihrer besten Freundin Yvonne und Mina selbst gibt es da nämlich kaum jemanden für Ella. Ihre Kindheit ist wunderschön, nicht nur wegen der Glühwürmchen, die Wünsche erfüllen können. Doch diese Idylle wird jäh zerstört, als der Tag kommt, der das Grau in Ellas Leben bringt, und das kleine Haus noch schräger werden lässt.

Nach einem schicksalhaften Ereignis wird Ella Psychotherapeutin

Aufgrund dieses schicksalhaften Ereignisses will Ella fortan anderen Menschen dabei helfen, ihre Häuser gerade stehen zu lassen, sie wird Psychotherapeutin. Sechsundzwanzig Jahre später empfängt sie Personen in ihrer Praxis, die exzentrischer und liebenswerter nicht sein könnten. Unter anderem auch Herrn Oebing, der gerne Comic-T-Shirts trägt und lernt mit seiner „Frau Traurigkeit“ zusammenzuleben. Doch dann geschieht etwas, was Ella, die gelernt hat mit den vielen Farbabstufungen ihrer grauen Welt zu leben, sämtliche Farbe raubt, die noch übrig war.

Die Autorin von „Das schräge Haus“ schrieb zunächst Kinderbücher

Susanne Bohne unternahm ihre ersten schriftstellerischen Schritte als Kinderbuchautorin. Ein Umstand, den man schon beim Lesen der ersten Seiten von „Das schräge Haus“ bemerkt und als positiv empfindet. Die ersten Kapitel des Romans sind aus der Sicht der acht Jahre alten Ella geschrieben und ich muss sagen: Mir ist selten eine Autorin untergekommen, die sich so gut in die Seele eines Kindes einfühlen kann wie Susanne Bohne; und die dies dann auch noch in derart humorvoller und poetischer Form zu Papier bringen kann. Susanne Bohne verleiht der Geschichte einen ganz eigenen Unterton und verankert ihre Heldin Ella ganz tief im Herzen des Lesers.

Was heißt das eigentlich – erwachsen werden oder erwachsen sein?

Diese emotionale Anbindung hält über das gesamte Buch, auch dann, wenn Ella schon erwachsen ist. Wobei „erwachsen“ in diesem Fall wirklich als fließend verstanden werden kann, denn man begreift sehr schnell, dass Ella sich eigentlich gar nicht wirklich verändert hat, seit wir sie im Alter von acht zum letzten Mal sahen. Auch als erfolgreiche Psychotherapeutin folgt sie noch Gedankengängen, die sie vom Hundertsten zum Tausendsten führen; ihre sympathische, kindliche Sicht auf die Welt hat sie behalten und sie ist allgegenwärtig.

Wann müssen wir das Kind in uns ablegen?

Was bedeutet überhaupt „Erwachsensein“? Wann muss man das Kindsein ablegen? Wann darf man nicht mehr über verloren gegangene Mensch-ärgere-dich-nicht-Figuren trauern? Wann darf man sich nicht mehr darüber freuen, wie eine Fledermaus mit dem Kopf nach unten auf dem Sofa zu liegen? Wann muss man aufhören, sich etwas zu wünschen, wenn man ein Glühwürmchen sieht? Alles Fragen, mit der sich Ella mit Mitte dreißig ständig und pausenlos den Kopf zerbricht – und wir beim Lesen mit ihr.

Was Susanne Bohne aus den Therapiesitzungen erzählt, ist oft lustig

Susanne Bohnes Darstellung von Ellas Beruf, die Beschreibungen, wie sie ihre Patienten behandelt sind oftmals lustig. Natürlich bewegen wir uns hier im Bereich der Fantasie, denn ich glaube nicht, dass eine Therapeutin in der echten Welt noch lange ihre Zulassung behalten würde, wenn ihre Praxismethoden denen Ellas glichen. Doch sind auch hier der warmherzige Unterton und die empathische Weltsicht zu spüren, mit der die Autorin so vortrefflich umzugehen weiß. Gerade das Thema Depression, mit dem Ellas ganz besonderer Patient Herr Oebing zu kämpfen hat, bereitet Susanne Bohne einfühlsam auf. Sie trifft genau den richtigen Ton. Als beispielsweise Herr Oebing, der schon seit Jahren mit seiner Mitbewohnerin „Frau Traurigkeit“ zusammenwohnt, diese in einem unbeobachteten Moment einfach im Klo einsperrt, muss man unweigerlich schmunzeln und gleichzeitig ergriffen seufzen.

Dieser Roman nimmt sich selbst nicht so ernst – und das ist gut

Das ist überhaupt der Punkt, der mir an „Das schräge Haus“ am allerbesten gefällt: Der Roman nimmt sich selbst nicht so ernst, und behandelt gleichzeitig ernste Themen so respekt- und gefühlvoll, dass sie als gewichtig erkennbar sind und uns Leser prägen. Zumindest war das bei mir so. Seit ich Ella und Mina mit ihren Sichten auf die Häuser der Menschen kennengelernt habe, ertappte ich mich dabei, mir vorzustellen, welche Häuser so in meiner Straße wohnen und wie mein eigenes wohl aussieht. Ich glaube, meines ist klein, es hat viele Fenster und verschiedene Lichter überall da, wo Platz ist. Es wohnen Kätzchen darin und natürlich gäbe es auch ein Zimmer voller Bücher und einem Lesesessel. Wie sähe eures aus?

ISBN 978-3-499-00051-5

352 Seiten

€ 15,00

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/frau-bluhm/" target="_self">Frau Bluhm</a>

Frau Bluhm

Geboren 1984 in Aschaffenburg, studierte Katharina Bluhm Psychologie und arbeitet seither als Erzieherin. Sie liebt Bücher und Filme. Seit 2017 bewertet sie in ihrer Kolumne „Frau Bluhm liest“ für BUCHSZENE.DE mit Begeisterung, aber auch kritisch Bücher jeden Genres. Sie lebt mit ihrer Familie in Aschaffenburg.

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