Frau Bluhm liest „Tod im Abendrot – Der LKA-Präsident ermittelt”: 5 von 5 Blu(h)men
Eine Lehrerin liebt einen Schüler und wird dabei gefilmt
Eigentlich wollte Karl Zimmerschied, Präsident des LKA, nur nach Bali reisen, um seine abtrünnige Ehefrau zur Vernunft zu bringen und auf den heimischen Hof zurückzuholen, da stolpert er unversehens in eine Schlägerei mit dem neuen Liebhaber. Zurück in der Heimat, stürzt Karl sich in die Arbeit. Ein Unbekannter erschoss scheinbar grundlos in der Nähe des idyllischen Flaucher-Biergartens ein Pärchen, und auch eine alte Schulfreundin benötigt dringend seine Hilfe: Die Gymnasialdirektorin Caro von Lavalle wird wegen einer Affäre mit einem 17-jährigen Schüler erpresst. Wenn sie das erotische Video, das dies beweist, zurückhaben will, muss sie 30.000 Euro in Bitcoins bezahlen. Eigentlich ist Zimmerschied ja der Chef des Bayerischen Landeskriminalamts, und als solcher mit eher repräsentativen Aufgaben betraut. Doch Zimmerschied wäre nicht Zimmerschied, würde er sich nicht kräftig einmischen.
Karl Zimmerschied geht im Darknet auf Verbrecherjagd
Dies ist nach „Blutige Beichte“ der zweite Teil der Reihe um den sympatischen LKA-Präsidenten Karl Zimmerschied und auch mit anderen alten Bekannten darf man Wiedersehen feiern. Einmal wäre da natürlich die hübsche Dr. Augustin, Spezialistin für DNA-Analyse, auf die Karl Zimmerschied schon länger ein Auge geworfen hat, und dann natürlich mein absoluter Lieblingscharakter der Reihe, nach Zimmerschied selbst: der blinde Analyst Thomas Hensch, der wieder gewaltig damit zu tun hat, dem doch eher technikfremden Zimmerschied unter die Arme zu greifen. Und Technik gibt es in diesem Kriminalroman reichlich, versucht sich Zimmerschied doch daran, einem Verbrechen im berüchtigten Darkweb nachzugehen. Alles ohne Vorwissen natürlich. Aber der Präsident lässt sich von so etwas natürlich nicht aufhalten und macht sich tüchtig ans Werk. Pannen und Verwirrung inklusive.
Der Polizeipräsident ist kein Schleimer, sondern ehrlich und direkt
Überhaupt ist es das, was mir an dieser Serie von Jörg Steinleitner am besten gefällt: Der unverdorbene Charakter von Karl Zimmerschied. Man sollte meinen, ein Mann in seiner Position müsste Großmeister im Einschleimen und Kriechen sein, doch weit gefehlt: Zimmerschied ist gerade so, wie man sich im Idealfall einen Polizisten vorstellt: Großherzig, loyal und vor allem menschlich. Ich finde es schön, ihn authentisch zu erleben. Ob das jetzt sein Ärger über den neuen Liebhaber seiner Frau Hans Müller – er nennt ihn „Hanswurst“ – ist, oder die Trauer über ein vom Fuchs gerissenes Huhn auf dem Hof, oder seine Betroffenheit über den aktuellen Fall mit dem erschossenen Pärchen. Genau wie seine Unsicherheiten gegenüber der ihm fremden Situation im Umgang mit dem blinden Tommy Hensch, oder seine aufkeimenden Gefühle für Dr. Augustin: Karl ist ehrlich und direkt. Meistens unbeholfen, aber im Normalfall absolut charmant bodenständig. Einer der sympathischsten Polizisten, die mir in der literarischen Welt je begegnet sind.
Aber wie spannend ist der Krimi „Tod im Abendrot“ wirklich?
Über diesen wahrhaft großartigen Charakter hinaus, bietet Jörg Steinleitners neuester Krimi „Tod im Abendrot“ aber auch noch weitere schöne Aspekte. Die Handlung ist wohldurchdacht, gut recherchiert und spannend zu lesen. Auch wenn man bei der eher unkonventionellen Arbeitsweise des Landeskriminalamts unter Zimmerschieds Leitung leicht den Faden verlieren könnte, klärt sich am Ende alles logisch und überraschend auf. Die kleinen „unnützen Informationen“ vor Beginn eines jeden Kapitels ergeben ein weiteres, oft lustiges, aber auch interessantes zusätzliches Häppchen. Ein Wiedersehen mit dem Team vom LKA hat sich gelohnt, und ich freue mich schon auf weitere Stunden mit Zimmerschied und seinen Erlebnissen. Mit oder ohne Ehefrau Roswitha? Wer weiß?