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Für den Spiegel war Takis Würger in Afghanistan, Libyen und im Irak. Für seinen neuen Roman „Der Club“ (Kein & Aber) ging er als Student nach Cambridge. Und kam mit einer packenden Geschichte über geheime Studentenclubs, mörderisches Boxen und freizügige Erotik zurück.

„Ich bin zu weit gegangen“

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Takis Würger

© Fabian Weiss

Für den Spiegel war Takis Würger in Afghanistan, Libyen und im Irak. Für seinen neuen Roman „Der Club“ (Kein & Aber) ging er als Student nach Cambridge. Und kam mit einer packenden Geschichte über geheime Studentenclubs, mörderisches Boxen und freizügige Erotik zurück. Der Spiegel-Reporter fesselt mit einem Roman über das Böse, in dem auch Prinz Charles, berühmte Chefredakteure und einflussreiche Geheimdienstmitarbeiter ihre Rollen spielen.


Herr Würger, in „Der Club“ erzählen Sie von einem Cambridge-Studenten, der Mitglied eines geheimen Clubs wird und dabei auf ein Verbrechen stößt. Sie bezeichnen Ihre Geschichte als Roman. Aber jüngst studierten Sie selbst in England und waren Mitglied eines Clubs. Wieviel Wahrheit steckt in Ihrer spannenden Geschichte?

Die Geschichte ist nicht wahr. Das muss ich so sagen, weil Kein & Aber und ich sonst bis in die Hölle geklagt werden. Aber: Ich habe in Cambridge studiert, ich habe dort geboxt und ich bin Mitglied im Pitt Club. Dort habe ich Dinge erlebt, die mich inspiriert haben, diesen Roman zu schreiben. Es gibt viel Böses in Cambridge.

„Ein Club für die jungen Männer, die glauben, dass sie etwas Besseres sind.“ So formulieren Sie es, und: Prinz Charles habe einmal gesagt, er habe im Pitt Club mehr gelernt als in drei Jahren im Tinity College. Ihr Held Hans nimmt an den mitunter befremdlichen Aktivitäten des Clubs teil. Wie weit sind Sie mitgegangen?

Es gibt zwei Gründe, warum ich auf diese Frage nicht antworten werde. Erstens, ich habe versprochen, dass ich schweige. Zweitens, ich habe Sachen getan, für die ich mich schäme. Ich habe Gewalt erlebt, viel getrunken und Dinge getan, von denen ich nicht wusste, dass Menschen sie tun. Wie weit bin ich gegangen? Manchmal denke ich, zu weit.

An anderer Stelle von „Der Club“ meint ein Student: „Es gibt hier nur zwei Arten von Menschen. Die einen sind absurd reich, die anderen versuchen, reicher zu wirken, als sie sind.“ Was macht es aus den jungen Leuten, die in dieser Atmosphäre studieren?

Dieser Satz ist natürlich ein Klischee. Mein Roman wirft einen sehr einseitigen Blick auf das Universitätsleben. Für viele Studenten dort zählen nicht die Clubs, sondern die Lehre und die Bibliotheken. Es gibt komplett normale Menschen in hier, aber die haben mich weniger interessiert, als Student und als Autor.

 

Ihr Held schildert eine Szene, in der er sich in einem Raum befindet mit zwei Botschaftern, dem Führer des House of Lords, einem Prinzen, fünf Herzögen, dem Chef eines Auktionshauses, dem stellvertretenden Leiter des Auslandsgeheimdienstes, dem Chefredakteur des Spectators. Vermutlich haben Sie ähnlichen Zusammenkünften beigewohnt. Bekommen Sie, wenn der Inhalt ihres Buchs bekannt wird, jetzt nicht mächtig Ärger mit noch mächtigeren Clubmitgliedern?

Die Briten zeichnen sich ja gewöhnlich durch Ihre Eleganz und Ihre Lässigkeit aus. Ich hoffe, das betrifft auch den Umgang mit meinem Roman.

Auch Sie haben am Box-Training der Uni mitgemacht. Warum haben Sie das getan – und sind Sie mal richtig vermöbelt worden?

Ich habe dort geboxt, weil das mein Sport ist und ich ihn schon lange mache. Boxen war für mich das Gegengewicht zu Kant, Hobbes, Constant, Marx und Nächten in Bibliotheken. Ich wurde ziemlich verprügelt. Ein Fallschirmjäger, gegen den ich gekämpft habe, hat mir zwei Rippen gebrochen. Als ich gegen Oxford geboxt habe, wäre ich in der ersten Runde fast K.O. gegangen. Ich habe dann zurückgeschlagen und mir die Hand auf dem Schädel des Gegners gebrochen. Das habe ich nicht gemerkt während des Kampfes, erst als ich danach den Handschuh ausgezogen habe, habe ich das Blut gesehen.

Der Trainer Priest sagt in „Der Club“, dass ein guter Boxer Wut brauche, um richtig gut zu werden. Die meisten an der Universität seien aber „verwöhnte Pansen“. Wie sind Sie selbst aufgewachsen? Ist Takis Würger eher ein verwöhnter Pansen oder einer mit Wut?

Ich bin ein Kind aus der Mittelschicht, mein Vater war Reporter, meine Mutter Sozialarbeiterin. Ich bin in dem gleichen Wald groß geworden wie die Figur Hans aus meinem Roman. Meine Kindheit bestand aus Birken, Lagerfeuern, Schwimmen im Waldsee und Küssen im Weizenfeld. Aber ich weiß, was Wut ist. Ich weiß, wie Unrecht und Verrat sich anfühlen. In mir glimmt eine Wut, die mir manchmal Angst macht.

Inwiefern verfügen Sie über Erfahrungen mit der Droge, die bei dem Verbrechen in Ihrem Roman zum Einsatz kommt?

Ich nehme keine Drogen, natürlich nicht. Ich trinke gern Ingwertee und esse Haferflocken zum Frühstück.

Es gibt in „Der Club“ auch eine Beziehungsgeschichte zwischen Hans und der Studentin Charlotte. Ist das Sexleben in England freizügiger als andernorts?

Ich glaube schon, weil dort alle zusammen in den Colleges leben. Mit Deutschland kann ich das nicht vergleichen, weil ich in Deutschland nicht studiert habe, aber ich denke, dass die Studenten in Cambridge es geschafft haben, ein recht entspanntes Verhältnis zu Sexualität zu entwickeln.

Um eine junge Frau zu rächen, muss Hans Menschen betrügen und belügen, die ihm doch etwas bedeuten. Finden Sie, dass Rache aus moralischer Sicht ein ausreichendes Motiv ist, andere zu belügen?

Ich glaube nicht, wie Kant, dass Lügen aus Prinzip falsch ist. Wenn sich ein jüdischer Freund auf meinem Dachboden versteckt und ein SS-Mann fragt mich, ob ich einen jüdischen Freund auf dem Dachboden verstecke, dann lüge ich. Natürlich lüge ich dann. Die Frage, ob eine Lüge moralisch ist, lässt sich nur im Einzelfall beantworten. Das macht es so spannend. Ich glaube, Hans konnte nur so handeln, weil er ein guter Mensch ist.

Man würde sehr gerne wissen, wie Hans‘ Geschichte weitergeht, nachdem er sich mit den mächtigsten Männern Englands angelegt hat. Könnten Sie sich vorstellen, eine Fortsetzung Ihres Romans zu schreiben?

Das Buch soll im Kopf des Lesers weitergehen. Ich schreibe weiter, aber eine andere Geschichte. Wenn Sie die Geschichte von Hans mochten, kaufen Sie bitte ab und zu mal den Spiegel, da gibt es viele ähnliche Geschichten, jede Woche. Hans lebt in mir, aber seine Geschichte ist erzählt.

Ihr Hörbuch wird u.a. von Matthias Koeberlin und Anna Maria Mühe gesprochen. Wenn Sie den Schauspielern ein Briefing geben müssten, das jeweils nur aus drei Adjektiven besteht – was würden Sie Ihnen raten?

Mühe: warm, weich, gebrochen.
Koeberlin: zart, suchend, fremd.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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